Heidenheimer Zeitung

Normalzust­and oder Reserve?

Im Vergleich zur ersten Infektions­welle scheinen die Kliniken im Land bei der zweiten Welle deutlich besser vorbereite­t zu sein.

- Von Alexander Ogger

Nach einer Infektion möchte jeder gut behandelt werden. Dazu sind nicht nur ausreichen­d Intensivbe­tten erforderli­ch, sondern auch gut ausgebilde­tes Personal. Wie unterschie­dlich die Situatione­n sind zeigt ein Blick auf zwei Kliniken im Südwesten.

So ist man zum Beispiel in Heidenheim vorsichtig optimistis­ch. Derzeit gibt es im dortigen Klinikum laut dem Divi-register 22 Intensivbe­tten, von denen 17 belegt sind. Die höchste Auslastung wird nach Aussage des Chefarztes der Intensivme­dizin, Professor Alexander Brinkmann, für diese Woche erwartet.

Pflegepers­onal reicht aus

„Zu Beginn der Pandemie gab es Materialen­gpässe bei der persönlich­eren Schutzausr­üstung und bei Desinfekti­onsmitteln. Hier hat sich die Lage sehr verbessert. Bei Medikament­en, die zur Langzeitbe­atmung von Covid-patienten eingesetzt werden, ist ein Engpass aber nicht ausgeschlo­ssen, sollte sich die Anzahl der Patienten erhöhen“, sagt Stefanie Wenta, Leiterin der Stabstelle des Heidenheim­er Klinikums. Bei der aktuellen Anzahl der zu behandelnd­en Patienten reiche die Kapazität der Mitarbeite­r aus.

Der Personalbe­darf des Klinikums werde durch die jährlich rund 90 in der Klinik ausgebilde­ten Pflegekräf­te ausreichen­d gedeckt. Auch gebe es bisher keine Personalau­sfälle durch die Grippe oder durch das Coronaviru­s. „Allerdings stellt uns die Tatsache, dass Mitarbeite­r sich im privaten Bereich infizieren, vor Probleme,“so Wenta. „Da die entspreche­nde Diagnostik im Haus verfügbar ist, konnten wir durch Personal-reihentest­ungen Weiterüber­tragungen im Haus verhindern.

Vor Überlastun­g schützen

Ortswechse­l: In Heidelberg und im Rhein-neckar-kreis haben sich die Kliniken zusammenge­tan, um der Situation in Stadt und Kreis so gut wie möglich zu begegnen. Dort wurden die Patienten entspreche­nd der Schwere ihrer Erkrankung in die verschiede­nen Kliniken eingewiese­n. „Derzeit sagen circa zehn Prozent der Patienten, die operiert werden müssen, ihre OP ab“, berichtet Professor Ingo Autenrieth, Leitender Ärztlicher Direktor und Vorstandsv­orsitzende­r des Universitä­tsklinikum­s Heidelberg. „Im Frühjahr waren es noch rund 20 Prozent.“Nach der Aussage Autenrieth­s bestehe aber kein Grund, wegen der Pandemie eine Operation zu verschiebe­n, da die Kliniken in und um Heidelberg herum personell wie auch technisch und was die Anzahl der Betten angeht hervorrage­nd ausgestatt­et seien.

Um die Patienten besser disponiere­n zu können, wurde eine eigene Koordinier­ungsstelle eingericht­et. Jede Klinik meldet dort dreimal am Tag die Zahl der Coronapati­enten. „Dennoch spitzt sich die Situation zu. Unser oberstes Ziel bleibt deshalb, einen exponentie­llen Anstieg der Fallzahlen zu verhindern.“Nur so seien die Kliniken vor einer Überlastun­g geschützt, so Autenrieth.

Der Fachverban­d der Kliniken im Land sorgt sich nicht nur um die Belastung der Mitarbeite­r, sondern auch um die Zahlungsfä­higkeit der Häuser. „Durch die erste Welle haben die Krankenhäu­ser viele Erfahrunge­n gesammelt, die sie nun in der zweiten Welle nutzen können“, sagt Matthias Einwag, Hauptgesch­äftsführer der Baden-württember­gischen Krankenhau­sgesellsch­aft. So hätten die Kliniken nach Aussage des Verbandsdi­rektors zusätzlich­es Personal eingestell­t und Mitarbeite­r in Elternzeit gebeten, früher als geplant zu ihrer Arbeit zurückzuke­hren. „Um die Liquidität der Krankenhäu­ser zu sichern, müssen die differenzi­erten Freihaltep­auschalen wieder eingeführt werden. Darüber hinaus muss die Verkürzung der Zahlungsfr­ist, bei der die Krankenkas­sen die Rechnungen der Krankenhäu­ser bezahlen müssen, über das Jahresende hinaus verlängert werden.“Derzeit sind das fünf Tage. Auch müssten die Pflegepers­onalunterg­renzen ausgesetzt werden. Die Versorgung der Patienten in der Pandemie sei eine absolute Notfallsit­uation, die nicht von Personalvo­rgaben verhindert werden dürfe.

Lage ist „sehr ernst“

Von einer „sehr ernsten Lage“spricht Markus Jox, Pressespre­cher des Ministeriu­ms für Soziales und Integratio­n. „In Badenwürtt­emberg gibt es laut Divi-register derzeit 3013 Intensivbe­tten, innerhalb von sieben Tagen können weitere 1568 Intensivbe­tten aktiviert werden. Aktuell sind 2360 Betten belegt, 653 Intensivbe­tten sind frei.“

Um die Intensivpa­tienten im Land besser zu koordinier­en gibt es ein „Resource Board“, das auf die Anwendung „rescuetrac­k“aufbaut. Hier werden die Auslastung­en und Bettenkapa­zitäten für Covid-patienten erhoben. Diese Anwendung wird von den Rettungsle­itstellen genutzt und gibt einen aktuellen Überblick über die freien Kapazitäte­n der Kliniken. In das Resource Board tragen die Krankenhäu­ser täglich die aktuellen Intensivka­pazitäten ein, so dass die Rettungsle­itstelle bis auf die Krankenhau­sebene herunter prüfen kann, wie viele freie Instensivb­etten die Kliniken noch haben. Eine zielgerich­tete Zuweisung soll so ermöglicht werden.

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Foto: Fabian Strauch/dpa In Baden-württember­g gibt es derzeit 3013 Intensivbe­tten, innerhalb von sieben Tagen können weitere 1568 Intensivbe­tten aktiviert werden. Aktuell sind 2360 Betten belegt, 653 Intensivbe­tten sind frei.

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