„Liebe auf den ersten Blick“
Yuval Weinberg dirigiert am Samstag sein erstes Konzert als Leiter des Swr-vokalensembles.
Stuttgart. Im Sommer hat der aus Israel stammende Yuval Weinberg beim Swr-vokalensemble die Nachfolge von Marcus Creed angetreten. An diesem Samstag dirigiert der 30-Jährige in Fellbach sein Antrittskonzert – Corona-bedingt ohne Publikum.
Herr Weinberg, wie begann Ihr musikalischer Werdegang?
Yuval Weinberg:
Mit fünf Jahren begann ich Klavier zu spielen und im Alter von acht trat ich einem Kinderchor bei, der allerdings ansonsten nur aus Mädchen bestand. Relativ schnell wechselte ich deshalb in den Jugendchor, wo ich aber dann ebenfalls gleich wieder als Junge allein war, diesmal eben mit älteren Mädchen. So begannen meine Erfahrungen im Chor gleich mit einer herausfordernden Aufgabe (lacht).
Wie kam Ihr Kontakt zum Swr-vokalensemble zustande?
In Deutschland fing ich nach dem Studium an, mit professionellen Chören zu arbeiten, zum Beispiel mit dem BR und anderen Rundfunkchören.
Als ich 2017 mit dem Kammerchor Nova aus Oslo in Marktoberdorf beim Internationalen Kammerchor-wettbewerb war, sang dort das Swr-vokalensemble das Eröffnungskonzert. Die Sänger sahen mich da und luden mich daraufhin zu einer Probe nach Stuttgart ein. Diese Probe
lief ganz gut. Und so könnte man das Ganze Liebe auf den ersten Blick nennen (lacht).
Warum, denken Sie, hat alles gleich so gut gepasst?
Ich glaube, wir denken relativ ähnlich. Das mag sich nun etwas merkwürdig anhören, denn ein Ensemble an sich denkt ja nicht komplett konform. Aber trotzdem haben wir uns auf einer harmonischen Ebene getroffen. Das Tempo, in dem man beim Singen und Dirigieren denkt, das befindet sich bei uns immer auf der relativ gleichen Ebene. Da darf ich beim Dirigieren ganz natürlich sein und alle kommen mit.
Wie wichtig ist es, dass sich die Leute im Chor verstehen? Welche Aufgabe hat ein Dirigent dabei?
Das ist eine Riesenaufgabe. Als
Dirigent muss man darauf achten, dass jeder Sänger seinen Platz hat und so sein darf, wie er ist. Man muss mit Offenheit versuchen, ein Ensemble aufzubauen. Da ist nun die Corona-zeit ein gutes Beispiel dafür, denn es war eine große Umstellung im Mai, als wir mit solch einem großen Abstand unter den Chormitgliedern anfingen zu proben. In der ersten Probe mussten jeweils seitlich fünf Meter Abstand zwischen den einzelnen Sängern eingehalten werden. Stellen Sie sich zwölf Menschen mit fünf Metern Abstand vor!
Haben Sie bei alldem das Gefühl, dass Ihnen Ihr berühmter Vorgänger Marcus Creed im Nacken sitzt?
In der Hinsicht bin ich relativ entspannt. Marcus Creed hat so viel aufgebaut, dass einfach niemand erwartet, dass ich die Sachen so machen kann wie er. Sie wissen, ich bin jung und gehe nun an die Werke anders heran.
Laut Programmtext wollen sie bei Ihrem Antrittskonzert „den Gesang bei seinen kultischen Wurzeln packen“. Was meinen Sie damit?
Die Texte und Vorgeschichten der Werke stammen alle aus der Mythologie. Es geht dabei um Liebe, Sehnsucht, Eifersucht – kultische Themen, die uns heute wahrscheinlich sogar noch mehr beschäftigen als die Menschen damals, obwohl jeder einen Ratgeber kaufen oder einen Termin beim Therapeuten ausmachen kann (lacht).