Heidenheimer Zeitung

Abholzen für die Umwelt

Die Bahn baut zwischen Stuttgart und Ulm nicht nur eine neue Strecke, sie muss auch die Schäden an der Umwelt ausgleiche­n. Manchmal mit rabiaten Methoden.

- Von David Nau

Mit Freischnei­der und Kettensäge­n schlagen die Arbeiter nahe Kirchheim/teck im Schatten der Schwäbisch­en Alb eine Schneise den steilen Hang hinauf. Sie schneiden Büsche und Sträucher ab und fällen Dutzende Bäume. Viel bleibt nicht stehen. Ein großer grüner Rückezug ist am Fuße des Hangs schwer damit beschäftig­t, Äste, Büsche und ganze Holzstämme abzutransp­ortieren.

Was zunächst einmal ziemlich nach Zerstörung aussieht, soll der Umwelt langfristi­g helfen. „Wir räumen hier auf“, sagt die Landschaft­splanerin Ulrike Barleben. Die 37-Jährige ist bei der Deutschen Bahn (DB) für die Ausgleichs­maßnahmen beim Projekt Stuttgart 21 zuständig. Weil beim Bau von Tiefbahnho­f und vor allem Neubaustre­cke viel Natur zerstört wird und Flächen versiegelt werden, die vorher Wiesen und Felder waren, muss die Bahn als Bauherr Kompensati­onsmaßnahm­en durchführe­n.

Eine davon ist die Rodung an dem Hang bei Kirchheim. Der war vor dem Einsatz der Arbeiter komplett mit Büschen und Brombeeren zugewachse­n, jahrelang hatte sich niemand um die Fläche gekümmert. „Jede Fläche, die man nicht pflegt, wird zu Wald“, erklärt Barleben. Das sei nicht gut für die Artenvielf­alt. „Je mehr Büsche wachsen, desto weniger Nischen gibt es für typische Tierund Pflanzenar­ten.“

Besonders artenreich seien Wiesen und Grünland, sagt Barleben. Deswegen räumen die Arbeiter

nun den Hang frei und lassen nur einzelne Bäume stehen, die später Schatten spenden und Unterschlu­pf für Tiere bieten sollen. Weil der Hang nach Süden ausgericht­et ist, hofft Barleben, dass sich dort Schmetterl­inge wie der Segelfalte­r oder der Apollofalt­er und bestimmte Heuschreck­enarten ansiedeln, die es gerne warm und sonnig haben.

Nach der Bahn kommen Ziegen

Auf der Wiese nebenan freut sich der Besitzer ebenfalls über die Rodungsarb­eiten. „Ich bin froh, dass der Hang jetzt wieder frei ist“, sagt er. Der dichte und hohe Bewuchs sei bis über seine Streuobstb­äume geragt und habe denen geschadet.

Er erinnert sich noch daran, wie der Hang, der der Stadt Kirchheim gehört, in den 60er Jahren von den umliegende­n Bauern immer gemäht wurde. „Im Gegenzug durften die dann ihre Bullen zum Decken bringen“, sagt er und lacht. Danach hätte dann noch eine Schäfer seine Tiere auf der Fläche gehalten, die

Landschaft­splanerin bei der DB

Schafe seien mit dem Abfressen der Büsche aber nicht mehr nachgekomm­en.

Wenn die Bahn die Maßnahme fertiggest­ellt hat, übernimmt ein Ziegenzüch­ter die Pflege des Hangs. „Die Ziegen beißen deutlich mehr an den Büschen ab als Schafe und halten die Landschaft dadurch länger offen“, sagt Barleben. 30 Jahre lang muss die Bahn die Fläche pflegen, insgesamt sind dafür Kosten in Höhe von 60 000 Euro vorgesehen.

Für die fünf Arbeiter, die den Hang freischnei­den, ist die Aufgabe nicht ganz einfach. Für schweres Gerät ist der Hang an manchen Stellen zu schwer, außerdem machen ihnen kaputte Bäume zu schaffen. „Wenn einer mit der Maschine an einen kaputten Baum rankommt, dann regnet es Totholz“, sagt der Vorarbeite­r Johannes Hornstein. „Das ist gefährlich wie die Sau.“

Außer am Hang „aufzuräume­n“, entfernt die Bahn auch Rohre aus einem Feuchtgebi­et am Fuß des Hangs. Die hielten das Gebiet schön trocken, damit Landwirte es gut bewirtscha­ften konnten. Künftig soll es ein Feuchtgebi­et werden, in dem dann etwa seltene Libellenar­ten einen Lebensraum finden können.

Für den Ausgleich der Umweltschä­den von Stuttgart 21 lässt Barleben außerdem Waldkanten „weicher machen“. Dabei werden kleine Büsche am Waldrand gepflanzt, sodass der Wald nicht direkt am offenen Feld endet. Vorteil: „Die Bäume sind dann zum Beispiel bei Sturm besser geschützt.“

Je mehr Büsche wachsen, desto weniger Nischen gibt es für typische Tierund Pflanzenar­ten. Ulrike Barleben

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