Heidenheimer Zeitung

Jähes Ende der Gonzalez-show

Der Argentinie­r zeigt in Hoffenheim eine bärenstark­e Leistung, ehe er sich verletzt. Wird der 22-Jährige bereits im Winter verkauft?

- Von Heiko Hinrichsen

Die älteren Sportsfreu­nde unter den Vfb-fans könnten sich womöglich an Ingemar Stenmark erinnert gefühlt haben. Jenen alpinen Skigigante­n aus Schweden mit der hellen Wollmütze also, der in den 80er-jahren so unnachahml­ich elegant durch die Slalomstan­gen huschte, als gäbe es nichts Einfachere­s auf der Welt. Als am Samstagnac­hmittag in der Sinsheimer Arena in dieser putzmunter­en und spannenden Partie zwischen der TSG Hoffenheim und dem VFB Stuttgart (Endstand 3:3) 18 Minuten gespielt waren, da gab Nicolas Gonzalez beim Stand von 0:1 und sechs Grad Außentempe­ratur gekonnt den Ingemar Stenmark.

Mit einer technische­n Brillanz und diesem intuitiven Gespür für die Situation, das man im Training nicht erlernen kann, umkurvte der argentinis­che Nationalsp­ieler im gegnerisch­en Sechzehner diverse Hoffenheim­er Abwehrbein­e wie Slalomstan­gen – und schob den Ball letztlich mit einem leicht gezwirbelt­en Linksschus­s zum 1:1 in die gegnerisch­en Maschen.

Hinterher ist Nicolas Gonzalez aber nicht nur für diesen Parforceri­tt von den Fans bejubelt worden. Durch die sozialen Netzwerke schwappte eine Welle der Begeisteru­ng angesichts der Leistung des Mannes vom Rio de la Plata, den der ehemalige Vfb-manager Michael Reschke im Sommer 2018 für 8,5 Millionen Euro von den Argentinos Juniors geholt hatte. „Der Anfang einer

Weltkarrie­re!!“, hieß es dort unter anderem.

Schließlic­h hatte Nicolas Gonzalez auch die zwischenze­itliche Vfb-führung zum 2:1 durch Silas Wamangituk­a eingeleite­t (27.). Seinen Kopfball an die Latte des Hoffenheim­er Tors hatte der Kongolese zunächst an den rechten Pfosten gedroschen, ehe Wamangituk­a den Abpraller am starken Tsg-torhüter Oliver Baumann vorbei zur Stuttgarte­r Pausenführ­ung verwertete.

Teilanriss am Innenband

Leider ist die kurze Galavorste­llung des Nico Gonzalez abrupt zu Ende gegangen. Direkt nach seinem Lattenkopf­ball zog sich der 22-Jährige einen Teilanriss des Innenbands im linken Knie zu – und musste ausgewechs­elt werden. Das war schade, denn man hätte gerne mehr gesehen von der Nicolas-gonzalez-show. Einem

Spieler, dessen Entwicklun­g beim VFB inzwischen ganz kontinuier­lich steil nach oben führt.

Zwei Wochen wird der Stürmer nun aber pausieren müssen. „Das nächste Spiel am Samstag gegen den FC Bayern ist für ihn unmöglich, die Partie in der Woche darauf in Bremen ist sehr unwahrsche­inlich. Danach gehen wir davon aus, dass es wieder geht“, sagt der Vfb-sportdirek­tor Sven Mislintat zu der Zukunft seines verletzten Stürmers, der bereits in den ersten drei Bundesliga-spielen mit einer Hüftverlet­zung ausgefalle­n war.

Gonzalez war also gerade erst dabei, wieder richtig in Tritt zu kommen. Doch das kurze Intermezzo zwischen den Verletzung­en hat dem 22-Jährigen gereicht, um sich auch internatio­nal weiter einen Namen zu machen. Aus dem „Loco Nico“(dem „Verrückten Nico“) ist im Nu eine Art umjubelter „Speedy Gonzalez“geworden.

Unmoralisc­hes Angebot möglich

Wie lange wird der VFB also noch Spaß an seinem populärste­n Spieler haben? Schließlic­h ist der Wintertran­sfermarkt den kompletten Januar geöffnet. „Unsere Finanzprob­lematik ist nicht derart gelagert, dass wir ihn abgeben müssen. Sondern wir können sehr sauber abwägen, wenn es darum geht, in Corona-zeiten auch ein unmoralisc­hes Angebot abzulehnen“, sagt Sven Mislintat, der Gonzalez angesichts leerer Stadien und gekürzter Tv-gelder allerdings nicht für unverkäufl­ich erklärt.

Jenen Stürmer also, der bereits im Sommer mit seinem Abgang kokettiert und sich mit Blick auf die englische Premier League durch einen Besuch auf der britischen Insel selbst ins Schaufenst­er gestellt hatte. Nun ist Gonzalez angesichts des vom VFB beantragte­n, aber weiter nicht bewilligte­n Kfw-kredits wenn nicht gar die finanziell­e Lebensvers­icherung, dann zumindest eine stille Finanzrese­rve des Klubs. „Die Frage ist, ob ein mögliches Angebot wirtschaft­lich Sinn machen würde. Sportlich macht es keinen Sinn, das ist klar. Aber es geht nicht immer nur um rein sportliche Entscheidu­ngen in diesen Zeiten“, sagt der Transferex­perte Sven Mislintat über Gonzalez. „Dass heißt jetzt aber nicht, dass wir ihn verkaufen müssen – egal was kommt. Da haben wir sauber genug gearbeitet.“

 ?? Uwe Anspach/dpa ?? Stuttgarts Torschütze Nicolas Gonzalez jubelt mit Stuttgarts Daniel Didavi über das Tor zum zwischenze­itlichen 1:1. Später musste der Stürmer verletzt ausgewechs­elt werden.foto:
Uwe Anspach/dpa Stuttgarts Torschütze Nicolas Gonzalez jubelt mit Stuttgarts Daniel Didavi über das Tor zum zwischenze­itlichen 1:1. Später musste der Stürmer verletzt ausgewechs­elt werden.foto:

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