Kann das denn Varsein?
Nur wenige Minuten vor Schluss sieht der FCH in Kiel wie der sichere Verlierer aus, holt aber mit dem 2:2 den ersten Auswärtspunkt der Saison. Für Diskussionen sorgt erneut der Videobeweis.
Wer kennt das nicht? Wenn man mit älteren Menschen spricht, ob im Privat- oder Berufsleben, fällt ab und an der Satz: Alles kommt einmal wieder. Ob man das glauben mag oder nicht, im Fall des 1. FC Heidenheim traf es am Samstag in zweifacher Hinsicht zu. Zum einen lag der FCH in seinem Auswärtsspiel bei Holstein Kiel bis kurz vor Schluss mit 0:2 zurück – und ging dennoch nicht als Verlierer vom Platz, weil Stürmer Christian Kühlwetter innerhalb von sieben Minuten zwei Tore zum 2:2-Endstand erzielte (87. Minute und 90+4).
So ein Kunststück gelang den Heidenheimern auch am 5. Spieltag der vergangenen Saison. Damals lag die Mannschaft von Trainer Frank Schmidt beim 1. FC Nürnberg 0:2 hinten, ehe Niklas Dorsch und Stefan Schimmer den 2:2-Endstand herstellten. Wobei ihnen dies innerhalb von knapp zwei Minuten gelang (82./84.).
Zum anderen hing in Kiel vieles von der Technik ab: Der „Video Assistant Referee“, einfach VAR abgekürzt und im deutschen Sprachgebrauch als Videobeweis bekannt, rückte gleich zweimal prominent in Szene. Sowohl Kiel als auch Heidenheim bekamen jeweils nach einem Videobeweis einen Elfmeter zugesprochen.
In der vergangenen Saison machten die Heidenheimer im Heimspiel gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth am 1. Dezember sogar gleich dreimal Bekanntschaft mit dem Videoassistenten. In allen Fällen wurde jeweils eine Entscheidung gegen den FCH gefällt.
Abseits oder doch Elfmeter?
Am vergangenen Samstag kam der Kieler Fin Bartels nach einem Zweikampf mit Norman Theuerkauf im Fch-strafraum zu Fall (65.). Zum einen entschied Schiedsrichter Arne Aarnink auf Strafstoß, es war aber zunächst unklar, ob vor dieser Szene ein Kieler im Abseits stand. Die Entscheidung darüber wurde letztlich von Aarninks Videoassistenten Benjamin Cortus in Köln gefällt – bis zur Ausführung des Elfmeters verstrichen schließlich knapp drei Minuten.
„Man hängt dann ein bisschen in der Luft und weiß nicht, was passieren wird“, erklärte Oliver Hüsing, der nach auskurierter Sprunggelenksverletzung nach knapp sieben Monaten sein Pflichtspiel-comeback feierte. „Wenn der Videobeweis gerecht ist, ist es immer gut. Ich denke aber, dass man den Elfmeter gegen uns nicht geben darf “, betonte der Fch-verteidiger. „Wir können aber nicht beeinflussen, was im Kölner Keller entschieden wird. Wir sollten uns mit dem Schiedsrichter beziehungsweise dem Videobeweis nicht zu sehr aufhalten, sondern lieber auf das konzentrieren, was wir auf dem Platz beeinflussen können.“
Anders beurteilte Ole Werner die Szene. Der Kieler Coach betonte, dass es seiner Meinung nach ein Elfmeter war. „Die Frage war da eher, ob es vorher Abseits war“, so der 32-Jährige. Auf Unverständnis stieß bei Werner wiederum der Handelfmeter für Heidenheim, den Christian Kühlwetter zum 1:2-Anschlusstreffer verwandelte (87.).
Nach einem Heidenheimer Eckball bekam Kiels Kapitän Hauke Wahl den Ball im eigenen Sechzehner an die Hand. „Der Ball berührt die Hand, die Handregel besagt, dass das ein Elfmeter ist“, so der Kieler Trainer, der allerdings ausführte: „Dennoch ist die Handregel etwas, was für mich fußballfremd ist. Sie führt zu wahnsinnig vielen Elfmetern.“Für seinen Geschmack seien es zu viele. Anders als beim Elfmeter für Kiel schaute sich Schiedsrichter Aarnink die betreffende Szene am Spielfeldrand noch einmal am Bildschirm an.
Der Kieler Trainer kritisierte auch den Platzverweis für Johannes van den Bergh, der Christian Kühlwetter von hinten traf (90+2). „Es war ein Foul, das ist unstrittig“, so Werner. „Ich weiß nicht, ob das alles dann eine rote Karte ist. Vielleicht eine gelbe Karte.“
Zu wenig Nachspielzeit?
Frank Schmidt ging zwar nicht ins Detail. In beiden Situationen, die den Videoassistenten auf den Plan riefen, habe es aber vom Pfiff, über die Überprüfung der Szenen bis zur Ausführung der Elfmeter sehr lange gedauert. „Insgesamt vier Minuten Nachspielzeit waren zu wenig“, kritisierte deshalb der Heidenheimer Coach.
Zu gerne hätte Schmidt das Spiel noch gänzlich umgebogen. Dabei fing der FCH schwach an und lief zunächst hinterher, um aber nach einigen Minuten doch noch ins Pressing reinzufinden. Der Fch-trainer strich Balleroberungen und „den ein oder anderen vielversprechenden Konter“heraus. „Aber irgendwie hat es immer ein bisschen zu lang gedauert.“
„Das darf nicht passieren“
Was dem Heidenheimer Trainer missfiel, war das Zustandekommen des 0:1: „Was überhaupt nicht passieren darf – und es hat überhaupt nichts darauf hingedeutet –, dass wir 15 Sekunden vor dem Halbzeitpfiff ein Tor kassieren.“Der FCH machte keinen Druck auf den Ball und war nach einer Flanke im eigenen Strafraum in der Mitte sogar in Überzahl. Trotzdem: „Der Ball geht mit 5 km/h über die Linie“, so Schmidt. „Da haben wir nicht gut verteidigt.“Letztlich war es ein Eigentor von Jonas Föhrenbach, der vor dem Kieler Alexander Mühling zu retten versuchte.
Nach der guten Torchance von Christian Kühlwetter in der 62. Minute sei das 0:2 (68. Minute) eine Art Vorentscheidung gewesen, so Schmidt. Aber: Dass Kiel im Anschluss zwei, drei hundertprozentige Torchancen ausgelassen hat, sei mit der Grund gewesen, warum der FCH zurückkommen ist. „Es spricht für uns, dass wir nie aufgeben. Wir haben viel verändert und sind noch mehr Risiko gegangen“, so der Fch-coach.
Dabei sah der FCH nach dem 0:2 schon wie der sichere Verlierer aus. Die Gastgeber vergaben in dieser Phase allerdings durch Bartels (72.) und Jonas Meffert (76.) sehr gute Torchancen. „Wir haben es leider versäumt das Spiel zu entscheiden“, bedauerte dementsprechend Kiels Coach Werner und betonte: „Das dritte Tor muss fallen.“
Der Spitzenreiter kommt
Der FCH bewies sich dagegen mal wieder als Stehaufmännchen und holte den ersten Auswärtspunkt der Saison. Am kommenden Sonntag, 29. November, haben die Heidenheimer Tabellenführer Hamburger SV zu Gast (Anpfiff um 13.30 Uhr), der gestern 1:3 gegen den VFL Bochum verlor.