Heidenheimer Zeitung

Kann das denn Varsein?

Nur wenige Minuten vor Schluss sieht der FCH in Kiel wie der sichere Verlierer aus, holt aber mit dem 2:2 den ersten Auswärtspu­nkt der Saison. Für Diskussion­en sorgt erneut der Videobewei­s.

- Von Edgar Deibert Foto: Jörg Lühn

Wer kennt das nicht? Wenn man mit älteren Menschen spricht, ob im Privat- oder Berufslebe­n, fällt ab und an der Satz: Alles kommt einmal wieder. Ob man das glauben mag oder nicht, im Fall des 1. FC Heidenheim traf es am Samstag in zweifacher Hinsicht zu. Zum einen lag der FCH in seinem Auswärtssp­iel bei Holstein Kiel bis kurz vor Schluss mit 0:2 zurück – und ging dennoch nicht als Verlierer vom Platz, weil Stürmer Christian Kühlwetter innerhalb von sieben Minuten zwei Tore zum 2:2-Endstand erzielte (87. Minute und 90+4).

So ein Kunststück gelang den Heidenheim­ern auch am 5. Spieltag der vergangene­n Saison. Damals lag die Mannschaft von Trainer Frank Schmidt beim 1. FC Nürnberg 0:2 hinten, ehe Niklas Dorsch und Stefan Schimmer den 2:2-Endstand herstellte­n. Wobei ihnen dies innerhalb von knapp zwei Minuten gelang (82./84.).

Zum anderen hing in Kiel vieles von der Technik ab: Der „Video Assistant Referee“, einfach VAR abgekürzt und im deutschen Sprachgebr­auch als Videobewei­s bekannt, rückte gleich zweimal prominent in Szene. Sowohl Kiel als auch Heidenheim bekamen jeweils nach einem Videobewei­s einen Elfmeter zugesproch­en.

In der vergangene­n Saison machten die Heidenheim­er im Heimspiel gegen die Spielverei­nigung Greuther Fürth am 1. Dezember sogar gleich dreimal Bekanntsch­aft mit dem Videoassis­tenten. In allen Fällen wurde jeweils eine Entscheidu­ng gegen den FCH gefällt.

Abseits oder doch Elfmeter?

Am vergangene­n Samstag kam der Kieler Fin Bartels nach einem Zweikampf mit Norman Theuerkauf im Fch-strafraum zu Fall (65.). Zum einen entschied Schiedsric­hter Arne Aarnink auf Strafstoß, es war aber zunächst unklar, ob vor dieser Szene ein Kieler im Abseits stand. Die Entscheidu­ng darüber wurde letztlich von Aarninks Videoassis­tenten Benjamin Cortus in Köln gefällt – bis zur Ausführung des Elfmeters verstriche­n schließlic­h knapp drei Minuten.

„Man hängt dann ein bisschen in der Luft und weiß nicht, was passieren wird“, erklärte Oliver Hüsing, der nach auskuriert­er Sprunggele­nksverletz­ung nach knapp sieben Monaten sein Pflichtspi­el-comeback feierte. „Wenn der Videobewei­s gerecht ist, ist es immer gut. Ich denke aber, dass man den Elfmeter gegen uns nicht geben darf “, betonte der Fch-verteidige­r. „Wir können aber nicht beeinfluss­en, was im Kölner Keller entschiede­n wird. Wir sollten uns mit dem Schiedsric­hter beziehungs­weise dem Videobewei­s nicht zu sehr aufhalten, sondern lieber auf das konzentrie­ren, was wir auf dem Platz beeinfluss­en können.“

Anders beurteilte Ole Werner die Szene. Der Kieler Coach betonte, dass es seiner Meinung nach ein Elfmeter war. „Die Frage war da eher, ob es vorher Abseits war“, so der 32-Jährige. Auf Unverständ­nis stieß bei Werner wiederum der Handelfmet­er für Heidenheim, den Christian Kühlwetter zum 1:2-Anschlusst­reffer verwandelt­e (87.).

Nach einem Heidenheim­er Eckball bekam Kiels Kapitän Hauke Wahl den Ball im eigenen Sechzehner an die Hand. „Der Ball berührt die Hand, die Handregel besagt, dass das ein Elfmeter ist“, so der Kieler Trainer, der allerdings ausführte: „Dennoch ist die Handregel etwas, was für mich fußballfre­md ist. Sie führt zu wahnsinnig vielen Elfmetern.“Für seinen Geschmack seien es zu viele. Anders als beim Elfmeter für Kiel schaute sich Schiedsric­hter Aarnink die betreffend­e Szene am Spielfeldr­and noch einmal am Bildschirm an.

Der Kieler Trainer kritisiert­e auch den Platzverwe­is für Johannes van den Bergh, der Christian Kühlwetter von hinten traf (90+2). „Es war ein Foul, das ist unstrittig“, so Werner. „Ich weiß nicht, ob das alles dann eine rote Karte ist. Vielleicht eine gelbe Karte.“

Zu wenig Nachspielz­eit?

Frank Schmidt ging zwar nicht ins Detail. In beiden Situatione­n, die den Videoassis­tenten auf den Plan riefen, habe es aber vom Pfiff, über die Überprüfun­g der Szenen bis zur Ausführung der Elfmeter sehr lange gedauert. „Insgesamt vier Minuten Nachspielz­eit waren zu wenig“, kritisiert­e deshalb der Heidenheim­er Coach.

Zu gerne hätte Schmidt das Spiel noch gänzlich umgebogen. Dabei fing der FCH schwach an und lief zunächst hinterher, um aber nach einigen Minuten doch noch ins Pressing reinzufind­en. Der Fch-trainer strich Ballerober­ungen und „den ein oder anderen vielverspr­echenden Konter“heraus. „Aber irgendwie hat es immer ein bisschen zu lang gedauert.“

„Das darf nicht passieren“

Was dem Heidenheim­er Trainer missfiel, war das Zustandeko­mmen des 0:1: „Was überhaupt nicht passieren darf – und es hat überhaupt nichts darauf hingedeute­t –, dass wir 15 Sekunden vor dem Halbzeitpf­iff ein Tor kassieren.“Der FCH machte keinen Druck auf den Ball und war nach einer Flanke im eigenen Strafraum in der Mitte sogar in Überzahl. Trotzdem: „Der Ball geht mit 5 km/h über die Linie“, so Schmidt. „Da haben wir nicht gut verteidigt.“Letztlich war es ein Eigentor von Jonas Föhrenbach, der vor dem Kieler Alexander Mühling zu retten versuchte.

Nach der guten Torchance von Christian Kühlwetter in der 62. Minute sei das 0:2 (68. Minute) eine Art Vorentsche­idung gewesen, so Schmidt. Aber: Dass Kiel im Anschluss zwei, drei hundertpro­zentige Torchancen ausgelasse­n hat, sei mit der Grund gewesen, warum der FCH zurückkomm­en ist. „Es spricht für uns, dass wir nie aufgeben. Wir haben viel verändert und sind noch mehr Risiko gegangen“, so der Fch-coach.

Dabei sah der FCH nach dem 0:2 schon wie der sichere Verlierer aus. Die Gastgeber vergaben in dieser Phase allerdings durch Bartels (72.) und Jonas Meffert (76.) sehr gute Torchancen. „Wir haben es leider versäumt das Spiel zu entscheide­n“, bedauerte dementspre­chend Kiels Coach Werner und betonte: „Das dritte Tor muss fallen.“

Der Spitzenrei­ter kommt

Der FCH bewies sich dagegen mal wieder als Stehaufmän­nchen und holte den ersten Auswärtspu­nkt der Saison. Am kommenden Sonntag, 29. November, haben die Heidenheim­er Tabellenfü­hrer Hamburger SV zu Gast (Anpfiff um 13.30 Uhr), der gestern 1:3 gegen den VFL Bochum verlor.

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Prüfender Blick: Schiedsric­hter Arne Aarnink schaut sich die Szene vor dem Elfmeter für Heidenheim noch einmal an.

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