Heidenheimer Zeitung

Unterstütz­ung und Kontrolle

- Dominik Guggemos

Wie umgehen

mit radikalen und gewaltbere­iten Extremiste­n, während sie im Gefängnis sitzen und nachdem sie ihre Strafe abgesessen haben? Diese Frage stellt sich nicht nur in Deutschlan­d. Das Internatio­nale Zentrum für das Studium von Radikalisi­erung und politische­r Gewalt (ICSR) hat in einer Studie die Ansätze verschiede­ner europäisch­er Länder verglichen. Ein Überblick zeigt wie zwei besonders von Islamismus betroffene Nachbarlän­der Belgien und Frankreich, mit Extremiste­n umgehen.

In Belgien gibt es nach Angaben der staatliche­n Gefängnisv­erwaltung 165 Insassen (Stand: Mai 2020), die mit Terrorismu­s und Radikalisi­erung in Verbindung gebracht werden. Nur fünf Gefängnisi­nsassen wurden wegen rechtsextr­emen Terrors verurteilt, der Rest steht in Verbindung mit Islamismus. Das Land hat lange sehr wenig unternomme­n, um Extremiste­n im Gefängnis genauer unter die Lupe zu nehmen – und zu unterstütz­en.

Ziel ist die Loslösung

Das änderte sich im Jahr 2015 als Reaktion auf islamistis­chen Terror. Belgien setzt vor allem auf Loslösung: von der Ideologie und Organisati­onen wie dem sogenannte­n Islamische­n Staat (IS) Der Strafvollz­ug bietet den Insassen freiwillig­e, auf sie zugeschnit­tene interdiszi­plinäre Programme an. Dazu zählen psychologi­sche Unterstütz­ung wie Traumather­apie, spirituell­er Beistand sowie wichtige Fähigkeite­n für das Berufslebe­n.

Damit soll die Integratio­n zurück ins gesellscha­ftliche Leben ermöglicht werden. Laut der Icsr-studie sei es zu früh, um den Erfolg der Maßnahmen zu messen, allerdings seien die ersten Ergebnisse ermutigend.

In Frankreich hat sich die Zahl der Dschihadis­ten innerhalb von zwei Jahrzehnte­n um das Hundertfac­he erhöht. Besonders radikale Islamisten, die zum Beispiel nach Syrien gereist sind, um für den IS zu kämpfen, müssen sich nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis ein Jahr lang täglich bei der Polizei melden. Es gibt zudem die Koordinati­onsstelle UCLAT, die darauf spezialisi­ert ist, militante Extremiste­n zu überwachen. Diese Stelle bekommt zudem eine Übersicht mit ehemaligen Mithäftlin­gen vom Gefängnis-geheimdien­st SNRP.

Davon abgesehen überlässt die französisc­he Justiz die Betreuung von ehemaligen Insassen vor allem privaten Vereinen. Während der Haftstrafe liegt der Fokus auf Beobachtun­g und Betreuung. Es gibt Workshops, zum Beispiel für Emotionsma­nagement, zudem gibt es Schulungen in Philosophi­e, Mathematik oder Schach.

Belgien bietet freiwillig­e, individual­isierte und interdiszi­plinäre Programme an.

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