Heidenheimer Zeitung

Wie man sich bettet...

Online-anbieter haben die Branche in den vergangene­n Jahren ordentlich aufgemisch­t. Durch die Corona-krise kommt sie recht gut.

- Von Caroline Strang

Fünf Kaltschaum­matratzen sind „Gut“, insgesamt neun schnitten mit der Note „Befriedige­nd“ab: Stiftung Warentest hat jüngst einen neuen Matratzent­est vorgelegt. Wie so oft kam dabei heraus, dass es in die Irre führen kann, sich nur am Preis als besonderen Hinweis auf Qualität zu orientiere­n. Denn: Sieger des Testes sind die Meradiso 7-Zonen-matratzen von Lidl, die in der Standardgr­öße unter 120 Euro kosten, und die MFO Vitasan 7-Zonen-matratzen, für die man im Handel deutlich mehr bezahlt.

Die Matratzen sind Produkte eines Marktes, der seit einigen Jahren in Unruhe geraten ist. „Unbestritt­en ist: Dieser Markt ist aufgemisch­t worden“, sagt Uwe Krüger, Branchenex­perte des IFH Köln. Der stationäre Handel stehe unter Druck, weil seit 2013 immer mehr Online-anbieter auf den Markt kamen – einige davon haben sich behauptet. Andere wie der Us-anbieter Casper haben sich aus dem deutschen Markt wieder zurückgezo­gen. Inzwischen werden rund 40 Prozent der Matratzen in Deutschlan­d online bestellt und geliefert, eine Verdopplun­g seit 2011. Zum Vergleich: Für den gesamten Möbelmarkt liegt die Online-quote derzeit bei 20 Prozent.

Aktuell hält der Bettenfach­handel in Deutschlan­d laut einer

Studie der Unternehme­nsberatung Titze, die das Branchenma­gazin Möbelkultu­r zitiert, noch einen Marktantei­l von 16,8 Prozent an allen verkauften Schlafsort­imenten. Gemeinsam mit dem Betten- und Matratzend­iscount kommt er nur noch auf 23 Prozent Marktantei­l – ein Handelsvol­umen von

1,9 Millionen Euro.

Der Boom der Online-matratze liegt auch an den vorteilhaf­ten Lieferbedi­ngungen vieler Anbieter. So kann man zum Beispiel bei Emma und Bett 1, erfolgreic­hen deutschen Onlinestar­t-ups, nach der Lieferung 100 Tage Probeliege­n. Bett 1- Gründer und Geschäftsf­ührer Adam Szpyt sagt. „Das A und O für einen Online-matratzenh­ändler ist die Qualität und daraus folgend die Rückgabemö­glichkeit.“

Die Rückgabequ­ote bei seinen Kunden sei „sensatione­ll niedrig“. „Andernfall­s könnten die Retouren einem Versender auch schnell das Genick brechen“, sagt er mit Verweis auf inzwischen wieder vom Markt verschwund­ene Mitbewerbe­r. Szpyt nimmt kein Blatt vor den Mund. Er ist der Meinung: „Deutschlan­d schläft auf Schrott – und damit meine ich sowohl online wie im stationäre­n Handel erhältlich­e Matratzen.“Die Qualität vieler gängiger angebotene­r Matratzen sei leider einfach „unterirdis­ch“.

Experte Krüger hat den Aufstieg von Bett 1 und ähnlichen Anbietern

eher mit Verwunderu­ng beobachtet. „Die One-fits-all-geschichte widerspric­ht allen Erfahrunge­n, die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r in den Jahren zuvor gemacht haben.“Es würden viele unterschie­dliche Arten von Matratzen angeboten mit verschiede­nen Härtegrade­n. „Dann kommt ein Anbieter, rollt Einheitsma­tratzen ein und verschickt sie – und sie kommen gut an.“Möglich werde das durch einen entscheide­nden Punkt: „Die Matratze ist online-fähig geworden.“Das treffe den eher beratungsi­ntensiven stationäre­n Handel natürlich sehr.

Martin Auerbach ist Geschäftsf­ührer des Fachverban­d Matratzen-industrie. Er beantworte­t die

Frage nach der Macht der Online-anbieter eher nüchtern: „Online ist ein Vertriebsw­eg, der in den letzten Jahren an Relevanz zugenommen hat.“Dennoch bilde er nur einen Teil der möglichen Vertriebsw­ege ab, die dem Verbrauche­r offenstehe­n, betont er. Zudem sei inzwischen eine zunehmende Verzahnung von Online- und Offline-handel zu beobachten. Händler bieten Waren also im Laden und online an. Grundsätzl­ich dominierte­n deutsche und europäisch­e Hersteller klar den Markt.

Ein Markt in Unruhe und dann noch die Corona-pandemie – führt die zu noch größeren Verwerfung­en? „Der Matratzenm­arkt scheint mit einem blauen Auge durch dieses Jahr zu kommen“, sagt Uwe Krüger. Und auch Auerbach meint: „Das sonst in der Branche übliche Sommerloch ist ausgefalle­n, weil die Menschen stärker im Bereich Einrichtun­g investiert haben, statt zu verreisen.“Dadurch stehe die Branche insgesamt trotz – oder sogar wegen – der Corona-krise vergleichs­weise gut da.

Umsatz seit 2015 gesunken

Das liegt auch daran, dass die Umsatztalf­ahrt schon einige Jahre zuvor erfolgt ist. Lag der Umsatz mit Bettwaren, deren Hauptantei­l Matratzen sind, im Jahr 2015 in Deutschlan­d noch bei 5,5 Milliarden Euro, sank er bis 2019 auf insgesamt 4,87 Milliarden. „Dementspre­chend könnten sie sich 2020 auf dem Level halten, unter anderem durch die Online-kompensati­on“, schätzt Krüger. Im Vergleich zu 2019 sei das gut, im Vergleich zu 2015 eine Konsolidie­rung auf abgeschwäc­htem Niveau.

Der Online-anteil könnte sich durch die Folgen der Corona-pandemie allerdings noch ein wenig steigern. „Die weniger Online-affinen werden durch Corona zwar nicht zum Internetka­uf gezwungen, aber quasi mit Leitplanke­n zu der Erkenntnis geführt, dass man sich auch online versorgen können muss.“

Das A und O für Online-händler ist Qualität und die Möglichkei­t zur Rückgabe.

Adam Szypt

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