Johnsons Entscheidung
Nachdem Europa schon mehrfach in die entscheidende Brexit-woche eingebogen ist, hat sich bei der Erwähnung dieses Themas eine gewisse Ermattung breit gemacht. Wenn also nun wieder mal von der alles entscheidenden Woche der Verhandlungen die Rede ist, könnte man abwinken. Denn natürlich sind nicht alle Türen zugeschlagen, wenn bis Freitag ein Verhandlungsergebnis ausbleibt. Bis Ende Dezember können Großbritannien und die EU noch über ihr Handelsabkommen verhandeln, es könnte dann provisorisch am 1. Januar in Kraft gesetzt werden, bis die nationalen Parlamente es abgesegnet haben.
Trotzdem: Es lohnt sich, in dieser Woche genau hinzusehen. Denn jetzt wird erkennbar werden, ob sich bei den verbliebenen kontroversen Themen Kompromissbereitschaft einstellt. Der Ausstieg der Briten aus Binnenmarkt und Zollunion stellt schon mit Handelsvertrag eine Zäsur für den Kontinent dar. Ohne Vertrag wären die Folgen vor allem für die Wirtschaft ungleich schwerwiegender. Offenbar hat die Corona-pandemie in London aber die Entschlossenheit befeuert, beide Krisen gleichzeitig bewältigen zu wollen. Noch immer hofft man dort, dass die EU in den Gesprächen einknickt, weil sie den Handel mit der zweitgrößten europäischen Volkswirtschaft braucht.
Wegen seines massiv kritisierten Corona-managements kann Premierminister Boris Johnson kaum Abstriche bei den Verhandlungen machen. Denn der kompromisslose Brexit ist der Klebstoff, der die Torys momentan zusammenhält. Johnson muss sich also entscheiden – zwischen dem Parteifrieden und einem Kompromiss für die Zukunft seines Landes.