Heidenheimer Zeitung

Absurdes Theater

- Axel Habermehl zum Hin und Her in der Frage der Weihnachts­ferien leitartike­l@swp.de

Die Landesregi­erung von Baden-württember­g gibt in diesen Tagen ein erstaunlic­hes Schauspiel zum Besten. Zum Thema Schulferie­n führt Grün-schwarz ein absurdes Theater in vier Akten auf. In den Hauptrolle­n: Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne), Kultusmini­sterin und Cdu-spitzenkan­didatin zur Landtagswa­hl Susanne Eisenmann, dazu, als zahlreiche Statisten, die Familien von anderthalb Millionen Schülern und Lehrern.

Erster Akt: Eisenmann nennt den Vorschlag, die Weihnachts­ferien zwei Werktage früher als geplant zu beginnen, damit Familien vor dem Fest in freiwillig­e Isolation gehen können, ein „kluges Vorgehen, für das vieles spricht“. Sie betont aber, sie ordne dieses Vorgehen nicht landesweit an, denn es drohten Betreuungs­probleme für Eltern. Schulen könnten jedoch freiwillig bewegliche Ferientage ansetzen. Zweiter Akt: Kretschman­n beschließt mit allen Ministerpr­äsidenten und der Kanzlerin, dass die Ferien eben jene zwei Werktage früher starten. Dritter Akt: Eisenmann legt ein Veto ein, man verhandelt. Vierter Akt: Kretschman­n behauptet, man habe einen „guten Kompromiss“geschlosse­n.

Dieser Kompromiss besagt nun ungefähr, dass an den letzten Schultagen kommen kann, wer will. Der Rest bleibt halt zuhause. Außer die Lehrer, die kommen gefälligst. Die Schüler, jedenfalls die jüngeren, werden nun also wohl, wie jedes Jahr an den letzten Tagen vor Weihnachte­n, gemeinsam Plätzchen essen, Filme schauen, vielleicht ein bisschen wichteln. Das kann ganz gemütlich werden, jedenfalls gemütliche­r als im Regierungs­lager, wo man offenbar – Advent hin, Pandemie her – beschlosse­n hat, die heiße Phase des Wahlkampfs einzuläute­n.

Es ist ein groteskes Stück grünschwar­zer Politik, das hier aufgeführt wurde. Denn es hinterläss­t nur Verlierer. Zuvorderst den voreilig vorgepresc­hten Ministerpr­äsidenten Kretschman­n, der sich von seiner Ministerin hat abkochen lassen. Dabei ist die Idee gut: Eine Woche vor Weihnachte­n reduzieren alle, die im Familienkr­eis feiern wollen, ihre Kontakte. So mindert man das Risiko, dass sich ein Kind am letzten Schultag das Coronaviru­s einfängt, nichtsahne­nd unterm Christbaum die Familie infiziert, und an Dreikönig der Opa auf der Intensivst­ation liegt.

Dabei hat Kultusmini­sterin Eisenmann durchaus einige kluge Fragen gestellt.

Kultusmini­sterin Eisenmann hat die Idee nicht überzeugt – und sie hat sich durchgeset­zt. Trotzdem hat auch sie verloren. Sie erntet jetzt denselben Spott wie ihr Regierungs­chef, dazu die Wut jener, die ohnehin finden, die Corona-schulpolit­ik sei missraten. Dabei hatte die Ministerin neben der ihr eigenen Konflikthä­rte einige kluge Fragen eingebrach­t: Was, wenn Eltern keinen Urlaub mehr übrig haben? Werden zig Schüler bunt gemischt in eigentlich geschlosse­nen Schulen notbetreut? Könnte es sein, dass sich Jugendlich­e nicht altruistis­ch eine Woche isolieren, sondern sich lieber ins Shopping-getümmel stürzen?

Beide Seiten hatten Argumente. Bleiben aber wird der Eindruck eines unwürdigen Hin und Her, eines Wahlkampf-showdown im Advent.

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