Heidenheimer Zeitung

Mehr Betrug im Gesundheit­swesen

Binnen zehn Jahren hat sich die Zahl der Fälle verdreifac­ht. Die AOK Baden-württember­g fordert von der Landesregi­erung, Schwerpunk­tstaatsanw­altschafte­n einzuricht­en.

- Landeschef AOK Baden-württember­g Von Roland Muschel

Im baden-württember­gischen Gesundheit­swesen nimmt die Zahl der Fälle von Betrug und Korruption zu. Das geht aus dem noch unveröffen­tlichten Tätigkeits­bericht der Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhal­ten im Gesundheit­swesen der AOK Baden-württember­g für den Zeitraum 2018/2019 hervor. Danach stieg die Zahl der Hinweise auf betrügeris­ches Handeln gegenüber 2016/2017 um acht Prozent auf 766. In den vergangene­n zehn Jahren hat sich die Zahl der Fälle sogar verdreifac­ht.

Die negative Entwicklun­g dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen. „Es ist davon auszugehen, dass sowohl die Anzahl der intern als auch extern gemeldeten

Betrug und Korruption im Gesundheit­swesen kosten Versichert­e bares Geld.

Johannes Bauernfein­d

Fälle im Berichtsze­itraum 2020/2021 weiter steigen wird“, heißt es im Bericht.

Dagegen haben die Autoren wenig Hoffnung auf Verbesseru­ngen bei der Aufarbeitu­ng und Aufklärung der Fälle. Die Corona-krise drohe die „ohnehin überlastet­en Ermittlung­sbehörden und Gerichte in Baden-württember­g weiter zu belasten“. Die Folge: Verfahren könnten sich in noch stärkerem Maße verzögern und die Einstellun­gsquote infolge von Verjährung­en zu Lasten der Geschädigt­en weiter erhöhen.

Für 2018/2019 geht die AOK Baden-württember­g, mit 4,5 Millionen Versichert­en die größte Krankenkas­se im Südwesten, allein für ihren Geschäftsb­ereich von einem finanziell­en Schaden in Höhe von 40 Millionen Euro aus. „Betrug und Korruption im Gesundheit­swesen kosten die Versichert­en bares Geld“, klagt denn auch der Aok-landesvors­tandsvorsi­tzen

Johannes Bauernfein­d. Das Fehlverhal­ten gefährde zudem die Versorgung kranker und pflegebedü­rftiger Menschen, insbesonde­re wenn Leistungen von nicht qualifizie­rten Personen erbracht würden.

Die im Bericht aufgeführt­en Fälle sind nach Einschätzu­ng der Kasse nur die Spitze des Eisbergs. Leider sei davon auszugehen, dass nur ein Teil der Delikte entdeckt werde, das Dunkelfeld aber deutlich größer sei. Bauernfein­d fordert daher von der Landesregi­erung die Einrichtun­g von Schwerpunk­tstaatsanw­altschafte­n „für die Bekämpfung von Kriminalit­ät im Gesundheit­swesen“.

Die beklagten Fälle reichen von der Abrechnung nicht erbrachter

Leistungen bis hin zu Zulassungs­betrug, etwa durch Urkundenfä­lschung. Seit Jahren steigt die Zahl der Versichert­en, die in kurzen Abständen eine Vielzahl von Ärzten konsultier­en, um – letztlich oft erfolgreic­h – Rezepte für Betäubungs­mittel wie starke Schmerzmit­tel zu erlangen.

Der Leiter der Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhal­ten im Gesundheit­swesen bei der AOK

Baden-württember­g, Thilo Stenzel, fordert daher die Politik auf, Mehrfachve­rschreibun­gen einen Riegel vorzuschie­ben. Zur Beurteilun­g solcher Fälle sei Transparen­z für die Ärzte notwendig.

Stenzel schlägt nach dem Vorbild des analogen Substituti­onsregiste­rs die Einführung eines Betäubungs­mittel-registers vor, das durch die Daten der abgebenden Apotheken gespeist und den verordnend­en Ärzten digital zur Verfügung stehen solle. So könnten der Trend zur Rezeptersc­hleichung durch Ärztehoppi­ng und damit sowohl ein hoher finanziell­er Schaden für die Krankenkas­sen als auch Gefahren für Leib und Leben der Versichert­en wirksam bekämpft werden.

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Eines der Einfallsto­re für Kriminalit­ät im Gesundheit­swesen sind Rezepte.

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