Heidenheimer Zeitung

„Es ist einfach nur furchtbar“

Die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin eilt an ihrem Wohnort Trier gleich in die Innenstadt, wo ein 51-jähriger Mann mehrere Menschen totgefahre­n hat. Auch Anwohner des Tatorts zeigen sich fassungslo­s.

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Ermittler suchen nach Spuren, und auch Stunden nach der Amokfahrt von Trier sind weite Teile der Fußgängerz­one mit weiß-rotem Polizei-band abgesperrt. Wo das Auto entlang gerast ist, liegen Dinge auf der Straße. Die Polizei spricht von fünf Toten, darunter ein neun Monate altes Kind. Die Mutter liegt verletzt im Krankenhau­s. Festgenomm­en wird ein 51 Jahre alter Deutscher aus dem Kreis Trier-saarburg.

Das Ps-starke Fahrzeug war in Trier von der Basilika über den Hauptmarkt bis zur Porta Nigra gerast, dem weltberühm­ten Stadttor aus der Römerzeit. In der nahen Christophs­traße hielt der Wagen nach etwa 200 Metern an, Polizisten überwältig­ten den Fahrer. Das passierte „vier Minuten nach Ersthinwei­s“, sagte der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD).

Dom zum Gebet geöffnet

Lewentz spricht von einem „sehr langen Tatweg“, der Meter für Meter untersucht werde. „Es geht den Menschen enorm nahe, auch den Einsatzkrä­ften.“Er ist zusammen mit Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) gekommen, die in Trier wohnt. Beide stehen sichtbar erschütter­t im fahlen Licht der Tv-kameras.

„Es ist einfach nur furchtbar“, sagt Dreyer. Das Allerschli­mmste sei, dass Menschen ihr Leben verloren hätten. Unweit schlagen die Glocken des Doms. Bischof Stephan Ackermann hat für den Abend zum Gebet für die Opfer in den Dom eingeladen.

Oberstaats­anwalt Peter Fritzen zufolge war der mutmaßlich­e Fahrer betrunken. Der Atemalkoho­lwert betrage 1,4 Promille. Es gebe Anhaltspun­kte für ein psychiatri­sches Krankheits­bild. Ermittelt wird wegen Mordes in fünf Fällen, denn der Wagen war Zick-zack-linien gefahren – vielleicht, um Menschen zu treffen.

Mit Einbruch der Dunkelheit stellen Bürger einige Kerzen auf. Erschütter­t schildern Augenzeuge­n, wie Menschen von dem Wagen durch die Luft geschleude­rt wurden.

„Es ist unfassbar. Wir sind fassungslo­s“, sagt eine Bewohnerin eines Hauses, das an die Fußgängerz­one grenzt, durch die der Täter gefahren ist. Auf den Kopfsteinp­flastern sieht man einen Blutfleck, blutgeträn­kte Tücher. „Dass so etwas hier in Trier passieren kann, hätte ich nie gedacht.“

Triers Oberbürger­meister Wolfram Leibe spricht von „einem Bild des Grauens“. Das sei „der schwärzest­e Tag der Stadt Trier nach dem Zweiten Weltkrieg.“Ein in Trier geborener Mann habe mutmaßlich Trierer getötet. Dieses Trauma werde die Stadt aufarbeite­n. „Ich will wissen, warum jemand das tut“, betont Leibe. „Ob ich darauf eine Antwort bekomme, weiß ich nicht.“

Warum bei uns? Diese Frage stellen sich viele Menschen im vorweihnac­htlich geschmückt­en Trier. Die Stadt mit rund 112 000 Einwohnern, Geburtssta­dt von Karl Marx (1818-1883), gilt als älteste Stadt Deutschlan­ds. In internatio­nale Schlagzeil­en gerät Trier nur selten.

Nach der Todesfahrt kreisen Hubschraub­er über der Innenstadt. Die Polizei rät der Bevölkerun­g zunächst, das Zentrum zu meiden. Dann macht die Nachricht die Runde, der Fahrer sei festgenomm­en worden. Die Erleichter­ung ist spürbar.

In sozialen Netzwerken kursiert ein Video, das die Festnahme zeigen soll. Zwei Polizeiaut­os sind zu sehen, die einem beschädigt­en Fahrzeug offenbar den Weg abschneide­n. Ein Mann liegt auf dem Boden, drei Männer halten ihn fest.

Stunden nach der Nachricht von der Festnahme hasten noch wenige Menschen an den Geschäften vorbei. Durch die nasskalte Luft dröhnen grell noch einige Polizeisir­enen.

„Wir werden an der Porta Nigra, die seit 1800 Jahren in dieser Stadt steht, einen Trauerort einrichten“, kündigt Leibe an. Trier brauche nun einen Platz, an dem Menschen ihre Solidaritä­t zeigen könnten.

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Sicherung: Polizisten im Einsatz an der Fußgängerz­one, wo ein Autofahrer Menschen angefahren und getötet oder schwer verletzt hat.
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Foto: Sebastian Schmitz/afp Trümmer, Rettungswa­gen und irritierte Passanten: die Trierer Fußgängerz­one am späten Nachmittag.

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