„Dagegen ist Epo-doping Kindergeburtstag“
Was sich wie eine interne Fachdiskussion anhört, birgt enorme Sprengkraft: Das Verbot von fluoridhaltigem Wachs bremst die Sportler ein. Kritiker wie Charly Waibel befürchten, dass mit der schnellen Entscheidung dem Betrug Tür und Tor geöffnet wird.
„Wenn ich auf die Warnhinweise der alternativen Stoffe schaue, sind es eher mehr als weniger“, sagt der 54-Jährige. Klar ist, dass es bisher kein gleichwertiges Wachs ohne Fluor gibt. Dagegen vermelden mehrere Hersteller, mit nach wie vor erlaubten, kurzkettigen Fluor-verbindungen fast an die alte Leistung heranzukommen. Viele werben damit offensiv um den ambitionierten Hobbysportler, verbunden mit dem Hinweis: Die FIS macht keine Gesetze, das Wachs sei völlig legal.
Unabhängig von dieser Frage sagt Waibel: „Das ist im großen Stil nicht praktikabel.“Stichproben zu machen und Athleten Tage später zu disqualifizieren – auch für FIS und IBU undenkbar. Deshalb sollte ein Testgerät entwickelt werden. Der Auftrag ging an die Firma Kompass in Ilmenau. 10 000 Euro soll ein Gerät kosten. „Allein der DSV bräuchte 15 bis 20“, sagt Waibel.
Denn das Reglement ist klar: Fällt der Test positiv aus, darf der Athlet nicht starten. Deshalb werden die Serviceteams vorher selbst kontrollieren, brauchen also eigene Geräte. Dazu hat jeder Veranstalter mindestens eins. „Und nach dem Test muss sichergestellt sein, dass niemand mehr an die Ski kommt“, sagt Waibel.
Wissen geht verloren
„Alles, was unsere Techniker über Jahre an Erfahrung gesammelt haben, ist nichts mehr wert“, erklärt Waibel. Das optimale Zusammenspiel von Schliff, Struktur und Wachs bei den unterschiedlichsten Bedingungen und Strecken, das ist eine Wissenschaft für sich. Jeder Techniker hat seine Geheimnisse. Das alles muss neu aufgebaut werden.
Ohne Fluor-wachs werden Schliff und Struktur wichtiger. Der Sportler braucht noch mehr verschiedene Ski, um mithalten zu können. Es wird teurer. Im
Nachwuchsbereich wird der Geldbeutel der Eltern eine wichtigere Rolle spielen. Und: Wenn der ehrgeizige Papi sein Fluorpulver beim Nachwuchs-rennen auf den Ski des Juniors streut, hat der freie Bahn. „Wir erziehen den Nachwuchs geradezu zum Bescheißen“, fürchtet Waibel.
Sein Fazit: „Die fluorfreien Wachs-alternativen sind ähnlich giftig für die Umwelt, ähnlich gefährlich für die Menschen, die es verarbeiten. Sie haben null Performance und es erfordert einen immensen Aufwand, um es auch nur annähernd zu kontrollieren.“Das übereilte Verbot habe eine neue Baustelle geschaffen: „Technologie-doping braucht unser Sport nun wirklich nicht.“
Kurz vor Saisonstart wurde das Verbot ausgesetzt und um ein Jahr verschoben.