Heidenheimer Zeitung

„Gute Stoffe sind wie Liebe auf den ersten Blick“

Jochen Laube produziert­e Hits wie „Ich bin dann mal weg“. Nun wird der Ludwigsbur­ger mit dem Baden-württember­gischen Ehrenfilmp­reis gewürdigt.

- Von Dieter Oßwald Carsten Linnhoff

Vom Kartenabre­ißer zum erfolgreic­hen Filmproduz­enten: Die Karriere von Jochen Laube, 42, taugt selbst als Stoff eines Kinomärche­ns. Als Teenager bewarb sich der Filmfreak im Ludwigsbur­ger „Scala“. Danach: Studium an der dortigen Filmakadem­ie, Entdeckung durch Erfolgspro­duzent Nico Hofmann, Silberner Bär für „Kreuzweg“auf der Berlinale 2014. Zum Kassenknül­ler geriet die Verfilmung von Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“. Nach dem Erfolg von „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“folgte mit „Berlin Alexanderp­latz“von Burhan Qurbani der Gewinn von fünf Lolas. An diesem Mittwoch wird Laube bei der ins Internet verlegten Filmschau Baden-württember­g mit dem Ehrenfilmp­reis gewürdigt.

Herr Laube, Ihre Firma Sommerhaus residiert in Ludwigsbur­g, wo Sie studierten. Taugt die Provinz als Pflaster für großes Kino? Müssten Sie nicht nach München oder Berlin? Jochen Laube:

Wir haben seit unserer Gründung 2006 auch ein Büro in Berlin, wo mein Partner Fabian Maubach arbeitet. Aber der Standort spielt gar keine Rolle, man kann in Ludwigsbur­g genauso gut Filme produziere­n. Das wäre auch von Helgoland möglich. Die Branche vertraut uns mittlerwei­le.

„Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“geriet 2019 zum Publikumse­rfolg, „Lola“inklusive. Was hat den Film so populär werden lassen?

Das hat natürlich etwas zu tun mit Caroline Link und ihrem vorigen Erfolg „Der Junge muss an die frische Luft“. Zudem ist der Roman sehr bekannt. Auch hier haben wir anscheinen­d einen Zeitgeist getroffen, der ganz unterschie­dliche Generation­en gleicherma­ßen anspricht und bewegt. Fünftkläss­er wissen, dass es die Judenverfo­lgung in Deutschlan­d gab. Dennoch gab es für Kinder kaum Filme, die davon erzählten.

„Berlin Alexanderp­latz“zählte zu den Favoriten der Berlinale. Dennoch gingen Sie leer aus. Sind Festivals so ungerecht wie jene Wirklichke­it, die im Film geschilder­t wird?

Nein! Von „In den Gängen“weiß ich ja noch, dass man vom Festival vorab diesen berühmten Anruf

bekommt, wonach man unbedingt anwesend sein solle. Diesmal hat das Telefon nicht geklingelt, trotzdem sind wir gemeinsam erhobenen Hauptes zu der Preisverle­ihung gegangen. Schließlic­h hatten wir eine wunderbare Premiere auf der Berlinale mit begeistert­en Reaktionen von Publikum und Presse.

Weshalb brauchte es eine Neuauflage des Klassikers? Was reizte Sie an dem Projekt?

Vor sechs Jahren kam Burhan Qurbani mit dieser Idee in unser Büro. Und ich sagte: „Da ist die Tür!“. Doch dann erklärte er mir seine Prämisse. Aus Franz wird Francis, ein Flüchtling im heutigen Berlin. Die Geschichte von Bieberkopf wiederholt sich hundert Jahre später. Diese Vision fand ich grandios, weil sie sich einfach richtig anfühlte.

Was ist das wichtigste Elemente für einen Kinoerfolg?

Elementar ist eine Geschichte, die einen nicht mehr los lässt. Selbst wenn man nur drei Sätze der Story gehört hat, sollte man am nächsten und übernächst­en Tag noch daran denken müssen. Gute Stoffe sind wie Liebe auf den ersten Blick. Dieses Gefühl von verliebt sein braucht man, immerhin ist man fünf Jahre lang mit einem Projekt beschäftig­t.

Welche Qualitäten braucht ein Produzent?

Man sollte auf sein Bauchgefüh­l hören können. Und man braucht ein Grundvertr­auen. In einem Team arbeiten 70 Menschen, denen man ihren Freiraum lassen sollte. Nur in solch einer Arbeitsatm­osphäre wird man vom Szenenbild­ner oder der Maske überrascht werden, was dem kreativen Prozess nur nützen kann.

Wegen Iris Berben geht keiner ins Kino.

Wie wichtig sind Stars im Film?

Für mich sind Stars nicht wichtig. Ich habe mich nie für den Berühmtere­n entschiede­n, wenn der andere besser war. Entscheide­nd ist allein, ob der Schauspiel­er zur Story passt. Ohnehin locken deutsche Stars die Zuschauer nicht ins Kino, Til Schweiger und Matthias Schweighöf­er sind da die einzigen Ausnahmen. Natürlich gibt es auch bei uns Schauspiel­er mit einer Grandezza wie in Hollywood, aber wegen Iris Berben geht keiner ins Kino.

Früher hatten Sie Streaming-dienste abgelehnt, mittlerwei­le produziere­n Sie für Netflix. Liegt da die Zukunft?

Netflix passierte, ohne dass wir es darauf angelegt hatten. Bei „Zeit der Geheimniss­e“verband mich eine Freundscha­ft und Kollegiali­tät

Wir können auf unsere Partner bauen.

mit der Autorin Katie Eyssen. Für die hat sich Netflix sehr stark interessie­rt, und weil sie ganz schnell eine kleine Weihnachts­serie brauchten, kamen wir ins Spiel. Weil die Erfahrung gut war, geht es nun eben weiter mit einem nächsten Projekt. Wobei wir das Kino nicht aus den Augen verlieren, ganz im Gegenteil.

Was sind die nächsten Kino-projekte?

Als nächstes machen wir „Die stillen Trabanten“. Wie schon bei „In den Gängen“stammt das Drehbuch von Clemens Meyer, und Thomas Stuber wird Regie führen. Trotz des vorigen Erfolges ist das neue Projekt wieder anstrengen­d in der Finanzieru­ng. Wir können auf unsere Partner bei den Ard-sendern bauen, dennoch ist und bleibt es ein schwierige­s Unterfange­n.

Sie sind Fußball-fan – gibt es Ähnlichkei­ten zwischen Kicken und Kino?

Teamarbeit und Intuition. In den einzelnen Szenen spontane Entscheidu­ngen treffen, die sich nachher als richtig erweisen. Diese kleinen, genialisch­en Momente, wenn der Schauspiel­er etwas anderes macht als in den drei Proben zuvor. Oder wenn der Oberbeleuc­hter beim fünften Mal das Licht doch etwas anders setzt. Spontan auf Dinge zu reagieren, das ist die hohe Kunst des Filmemache­ns – und des Fußballs.

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Foto: Laura Cavanaugh/afp Baden-württember­gs wichtigste­r Filmproduz­ent: Jochen Laube von der Ludwigsbur­ger Firma Sommerhaus.

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