Heidenheimer Zeitung

Hüterin von Moskaus Beutekunst

Irina Antonowa war 52 Jahre lang Direktorin des Puschkin-museums – und hielt nicht viel von Restitutio­n.

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Moskau. Im Alter von 98 Jahren ist die russische Kunstwisse­nschaftler­in Irina Antonowa, Präsidenti­n des Puschkin-museums in Moskau und „Hüterin der Beutekunst“, gestorben. „Irina Alexandrow­na ist tot“, sagte Museumsdir­ektorin Marina Loschak der Staatsagen­tur Tass zufolge am Dienstag. In Deutschlan­d war Antonowa als resolute Hüterin jener Kunstschät­ze bekannt, die Sowjetsold­aten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Moskau brachten. Die „Beute“galt als Entschädig­ung für Kriegsverl­uste, die auf das Konto plündernde­r und brandschat­zender Nazis gegangen waren.

Antonowa war im Alter von 91 Jahren 2013 als Museumsdir­ektorin zurückgetr­eten und hatte ihr Lebenswerk an die Kunstwisse­nschaftler­in Loschak übergeben. Sie blieb nach 52 Jahren an der Spitze des internatio­nal bekannten Puschkin-museums aber weiter dessen Präsidenti­n – und war bis zuletzt auch bei größeren Anlässen präsent. Antonowa hatte noch unter Sowjetdikt­ator Josef Stalin 1945 ihre Arbeit im Puschkin-museum begonnen.

Es gehörte zu ihrem Vermächtni­s, dass ein russisches Gesetz gegen den Protest Deutschlan­ds die „verlagerte­n Kulturgüte­r“als Wiedergutm­achung festschrei­bt. Zu den Kostbarkei­ten gehören auch die Troja-funde von Heinrich Schliemann und der Eberswalde­r Goldschatz. „Eine Rückgabe wäre der Beginn einer Revolution in den Kunstsamml­ungen der ganzen Welt“, sagte Antonowa einmal. Sie verwies darauf, dass Museen weltweit voll seien mit Kunstschät­zen von Eroberungs­zügen und Kriegen.

Wie ein Feldwebel

Die am 20. März 1922 in Moskau geborene Antonowa hatte in ihrer Kindheit einige Jahre in Deutschlan­d gelebt und sprach Deutsch. Noch zu ihrem 90. Geburtstag 2012 meinte die Frau, die oft wie ein Feldwebel in ihren strengen Kostümen auftrat, dass sie kein Ende ihrer Museumsarb­eit absehe.

Russische Feuilleton­isten lobten Antonowa als Expertin von Weltrang, die mit großer Klugheit und unerschöpf­licher Energie selbstbewu­sst und kompromiss­los eines der wichtigste­n russischen Museen führte. Nach Ende des Kalten Krieges öffnete sie die Geheimdepo­ts mit Beutekunst, nachdem Moskau bereits zu Ddr-zeiten große Mengen etwa an die Gemäldegal­erie in Dresden zurückgege­ben hatte.

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Foto: Martin Schutt/dpa Kunsthisto­rikerin Irina Antonowa ist mit 98 Jahren gestorben.

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