Schon einfache Hilfsmittel fehlen
Viele Senioren werden auch in der Corona-krise von Schwarzarbeitern gepflegt.
Wer in Italien krank wird, muss viel Kraft aufwenden, um im Dschungel der Bürokratie des staatlich organisierten Gesundheitswesens an medizinische Leistungen zu kommen. Bei Senioren erhöhen Altersarmut und mangelnde Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet noch die Hürden auf dem Weg zur Pflege.
Rund 1,5 Millionen Italiener im Alter von über 75 Jahren sind auf Hilfe angewiesen, die Hälfte von ihnen muss aber mit 500 Euro Rente über die Runden kommen. Knapp 80 Prozent leben von weniger als 1000 Euro im Monat.
Wegen Altersarmut, Mangel an Pflegeeinrichtungen vor allem im Süden und einer Mentalität, nach der Senioren in jedem Fall in der Familie versorgt werden müssen, leben nur 200 000 alte Menschen in Heimen, die zumeist in privater Trägerschaft sind. Zwei Drittel der Betroffenen leben in Norditalien. Art des Angebots und Qualität der staatlichen Hilfen unterscheiden sich regional erheblich.
Zur finanziellen Entlastung erhalten Angehörige 500 Euro für die Pflege, öffentliche Bedienstete bis zu 1200 Euro. Italienische Familien gaben im vergangenen Jahr acht Milliarden Euro für ungelernte Pfleger aus, die ihre älteren Angehörigen versorgten. 60 Prozent der vielfach aus Osteuropa und von den Philippinen stammenden Hilfspfleger werden schwarz bezahlt. Der besonders harte Lockdown des vergangenen Frühjahrs wurde für sie durch allgegenwärtige Polizeikontrollen zur existentiellen Bedrohung.
Obwohl die alten Menschen ein Anrecht auf eine Vielzahl von Leistungen haben, fühlen sie sich oft alleingelassen. So fehlen schon einfache Hilfsmittel wie Rollatoren, die auch Gehbehinderten erlauben, allein das Haus zu verlassen, in Italien vollständig.
Einen Sturm der Empörung löste vor wenigen Tagen der Gouverneur der norditalienischen Region Ligurien mit einer abfälligen Äußerung über alte Menschen aus. Giovanni Toti rechtfertigte seinen Widerstand gegen härtere Corona-maßnahmen mit dem Hinweis auf die Mehrheit von Rentnern unter den Todesopfern. Diese seien „für die produktiven Bemühungen des Landes nicht unentbehrlich“, schrieb er auf Twitter. Erst als Demonstranten in Genua lautstark seinen Rücktritt forderten, entschuldigte sich Toti.