Heidenheimer Zeitung

Stillstand

- André Bochow zum ersten Jahr der Spd-vorsitzend­en leitartike­l@swp.de

Kann ja sein, dass die SPD nur Kräfte sammelt für das große Wahljahr. Es ist auch möglich, dass die ruhmreiche deutsche Sozialdemo­kratie nicht nur imstande ist, einen Kanzlerkan­didaten zu präsentier­en, sondern auch einen Kanzler. Vielleicht ist die SPD immer noch die politische Riesin, für die sie sich hält. Ein Jahr nach der Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter- Borjans an die Spitze der Partei sieht es allerdings kein bisschen danach aus.

Bei den Umfragen verharrt die SPD weiter bei 15 Prozent. Nichts hat sich in Richtung der 30 Prozent ewegt, die Esken und Nowabo als Zielmarke ausgerufen haben. Der Dauerkoali­tionspartn­er der Union hält sich einiges darauf zugute, solide Regierungs­arbeit zu leisten und nicht kleinlich Punkte im vorgezogen­en Wahlkampf zu sammeln. Das ist ehrenhaft. Die eigentlich­e Frage, warum die Wähler die SPD zur Kanzlerpar­tei machen sollten, wird von den Spitzengen­ossen derzeit vor allem damit beantworte­t, dass der seiner Nominierun­g noch harrende Unionskand­idat in jedem Fall die schlechter­e Wahl ist. Am besten, so das Kalkül, tritt Friedrich Merz an, dann werden die Wähler vor der sozialen Abrissbirn­e aus dem Sauerland Angst bekommen und Olaf Scholz in Erwägung ziehen. Das ist kein Plan, sondern eine Mischung aus Hoffnung, Spekulatio­n und Verzweiflu­ng.

Immerhin: Der weitere Absturz wurde aufgehalte­n. Dem Spd-führungsdu­o ist durchaus Veränderun­gswillen und Lernfähigk­eit zu attestiere­n. Das anfänglich­e, meist folgenlose Vorschlags­feuerwerk wurde zugunsten eines besonnen Führungsst­ils eingestell­t. Zu Recht verweisen Esken und Walter-borjans auf das Ende des Basta-stils. Aber ihr größter Erfolg bislang ist die Geheimhalt­ung der Kanzlerkan­didatur von Olaf Scholz bis zu ihrer Verkündung. Zu wenig vor dem Wahljahr.

Die Ruhe, die als neue Qualität ausgegeben wird, hat mindestens zwei Haken. Erstens wird die SPD weniger wahrgenomm­en und zweitens gilt die Ruhe maximal für das Willy-brandthaus. In der Bundestags­fraktion gab es zuletzt Personalqu­erelen, in Berlin kämpft die in den Umfragen abgerutsch­te

Das ist kein Plan, sondern eine Mischung aus Hoffnung, Spekulatio­n und Verzweiflu­ng.

Landespart­ei mit einer angeschlag­enen Spitzenkan­didatin um das Rote Rathaus und in Nordrhein-westfalen tobt ein erbitterte­r Machtkampf um den dortigen Parteivors­itz. Die anstehende­n Landtagswa­hlen in Badenwürtt­emberg und Rheinland-pfalz drohen zum Gegenteil von einem sozialdemo­kratischen Aufbruchss­ignal zu werden. In Sachsen-anhalt und Thüringen wird es danach mit Sicherheit nicht besser.

Aber es wäre ungerecht, das Dilemma den Parteichef­s anzulasten. Es sei denn, man wollte ihnen vorwerfen, dass auch sie nicht gefunden haben, was andere suchten: Den Markenkern der SPD. So etwas, was früher die Ostpolitik war. Oder die soziale Gerechtigk­eit. Themen, die mittlerwei­le überholt oder Allgemeing­ut sind. Wenn Saskia Esken und Norbert Walter-borjans erfolgreic­h sein wollten, müssten sie daran arbeiten, die SPD neu zu definieren. Das ist bislang nicht zu erkennen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany