Heidenheimer Zeitung

„Der Sündenbock ist kein Herdentier“

Landespoli­zeipräside­ntin Stefanie Hinz gilt als Top-beamtin des Landes. Nun muss sie sich kritischen Fragen zu Vorgängen aus ihrer früheren Tätigkeit stellen.

- Von Roland Muschel

Die parteilose Spitzenbea­mtin Stefanie Hinz hat keinen leichten Stand an diesem Tag. Als Landespoli­zeipräside­ntin genießt die Juristin hohe Wertschätz­ung über die Parteigren­zen hinweg – aber nun muss sie sich für Vorgänge rund um das Expo-debakel während ihrer früheren Tätigkeit als Abteilungs­leiterin im Ressort von Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-kraut (CDU) vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtags rechtferti­gen. „Sie haben Schwarz auf Weiß, dass Dubai denkt, Baden-württember­g bewirbt sich. Und dann passiert – nichts?“, fragt Grüne-obfrau Andrea Lindlohr an einer Stelle. „Das ist doch der Punkt, wo bei Ihnen alle Alarmglock­en geschrillt haben müssen“, hält ihr Spd-obmann Daniel Born an anderer Stelle vor.

Hinz gilt als eine zentrale Zeugin in der Affäre um die unbeabsich­tigte Vertragspa­rtnerschaf­t des Landes mit der Expo Dubai, die den Steuerzahl­er 15 Millionen Euro kosten dürfte. Das vom früheren Geschäftsf­ührer der Ingenieurk­ammer Baden-württember­g, Daniel Sander, initiierte Vorhaben war offiziell als Projekt „von der Wirtschaft für die Wirtschaft“angepriese­n worden. Der Bau hätte demnach komplett über Sponsoreng­elder finanziert und von einer Projekt-gmbh, bestehend aus Ingenieurk­ammer, des Stuttgarte­r Fraunhofer Instituts und der Freiburger Messe, verantwort­et werden sollen.

Nach Vertragsab­schluss bemühte Kanzleien sind in der Zwischenze­it aber zu einer Ansicht gelangt, dass das Land für das Projekt und seine Kosten haftet. Denn in dem am 30. Januar 2019 in Dubai von Sander im Beisein von Wirtschaft­s-staatssekr­etärin Katrin Schütz (CDU) unterzeich­neten Vertrag wird als Vertragspa­rtner „Baden-württember­g repräsenti­ert von Daniel Sander“genannt. Anfang November 2018 hatte Hinz gegenüber Dubai Sander auf dessen Wunsch hin als

„Generalkom­missar“für das Projekt benannt. Nach den Regeln der Expo-macher beinhaltet­e der Titel das Recht, auch für Badenwürtt­emberg Verträge zu unterzeich­nen.

Hinz sagte im Ausschuss, sie habe damals weder Anlass gehabt, die Rolle eine Generalkom­missars

zu hinterfrag­en noch den Vertrag prüfen zu lassen. Denn sie sei immer davon ausgegange­n, dass Sander für die drei Projektini­tiatoren auftrete und für diese auch den Vertrag unterschre­ibe. Sie habe „in dem guten Glauben“gehandelt, ein Projekt „von der Wirtschaft für die Wirtschaft“ politisch flankieren­d zu unterstütz­en. Ob sie den Vertragsen­twurf vorab gesehen habe, sei ihr „nicht mehr erinnerlic­h“. In der mehrstündi­gen Vernehmung sagt sie aber auch, dass „mit dem Wissen von heute“eine Prüfung notwendig gewesen wäre.

Sander hatte in der Vorwoche ausgesagt, den Vertrag vorab dem Ministeriu­m zugestellt zu haben. In den Akten ist der Vorgang nicht belegt. Wirtschaft­s-staatssekr­etärin Schütz hatte ausgesagt, sie gehe davon aus, dass das Ressort Verträge vorab prüfe, bei deren Unterschri­ft sie flankieren­d zugegen sei. Der Amtschef des Wirtschaft­sministeri­ums, Michael Kleiner, hatte seine Verwunderu­ng darüber zum Ausdruck gebracht, dass Hinz ihn über die Ernennung von Sander zum Generalkom­missar erst im Februar 2019 informiert habe. Die Ministerin selbst hatte mehrfach zu Fragen, die ihr Haus betrafen, gesagt, da müsse der Ausschuss „die handelnden Personen“fragen.

Man habe den Eindruck, „alle Finger zeigen auf Sie“, sagt Born an die Adresse von Hinz. „Der Sündenbock ist kein Herdentier“, erwidert die Juristin – und gibt sogleich zu verstehen, dass sie sich den Schwarzen Peter nicht zuschieben lassen will: Sie habe an niemandem vorbei gehandelt, die Zentralste­lle des Ministeriu­ms als Mittler zur Hausspitze um Ministerin Hoffmeiste­r-kraut sei über alle zentralen Vorgänge informiert gewesen.

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„An niemandem vorbei gehandelt“: Stefanie Hinz muss sich im Ausschuss unangenehm­en Fragen stellen.

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