„Die Bauern sind am Tiefpunkt“
Vorsitzender Hubert Kucher und Geschäftsführer Johannes Strauß schildern, womit die Landwirte derzeit zu kämpfen haben.
Drastisch sinkende Preise und zu hohe Anforderungen stehen laut Hubert Kucher, Vorsitzender des Bauernverbands Ostalb-heidenheim, im Gegensatz zueinander. „Die Bauern sind momentan am Tiefpunkt angekommen.“Er sehe Politik und Lebensmittelhandel ebenso wie die Verbraucher in der Pflicht, für eine Veränderung einzutreten.
Eines der größten Probleme betrifft laut Kucher momentan die Schweinezüchter. Coronabedingt könne in der Schlachtbranche nur noch mit halber Besetzung gearbeitet werden. „Durch diese fehlenden Kapazitäten kommt es zu einem Rückstau von Schweinen in den Mastbetrieben. Einerseits werden die Schweine dann zu schwer, was den Preis drückt, andererseits können die Mäster erst später neue Ferkel aufstallen. Dies wiederum führt zu einer dramatischen Situation in den Ferkelerzeugerbetrieben.“
Das alles habe zur Folge, dass der Preis für geschlachtete Schweine derzeit bei 1,19 Euro pro Kilogramm liege. „Das ist eine Katastrophe“, so Kucher. Normalerweise liege dieser Preis zwischen 1,50 bis 1,70 Euro pro Kilogramm. Dadurch geraten auch die Ferkelpreise unter Druck. Ein Ferkel koste derzeit 30 bis 35 Euro, anstelle der normalerweise üblichen 60 bis 65 Euro. „Doch selbst bei diesem Preis verdient man sich keine goldene Nase“, fügte Kucher hinzu.
Hinzu komme, dass durch das Auftreten der Afrikanischen Schweinepest bei Wildschweinen Deutschland nicht mehr als frei von der Tierseuche gelte. „Dies wiederum bedeutet, dass Staaten wie China ihr Schweinefleisch nicht mehr aus Deutschland importieren, was noch mehr Druck auf den Preis ausübt“, so Kucher.
Schweinezüchter gehen leer aus
Das Paradoxe an der Situation ist laut Bauernverbandsgeschäftsführer Johannes Strauß, dass das Schweinefleisch im Einzelhandel aufgrund dieser Schlachthausproblematik und der damit einhergehenden Verknappung deutlich teurer geworden sei, davon bei den Bauern aber nichts ankomme. „Das, was der Bauer derzeit weniger bekommt, teilen sich nun Lebensmitteleinzelhandel und Schlachthöfe“, sagte Strauß. „Wir wünschen uns hier eine partnerschaftliche Beziehung vom Erzeuger über den Schlachtbetrieb bis hin zum Einzelhandel, damit der Verbraucher unsere regionale Ware bekommen kann, ohne auf ausländische Produkte ausweichen zu müssen.“
Bei der Käfighaltung der Hühner habe man das schon beobachten können, so Kucher. „Die Käfighaltung wurde abgeschafft, doch es wird nicht ein Ei weniger aus Käfighaltung gegessen. Die Käfige wurden nur irgendwo im Ausland aufgebaut und die Eier kommen nun in Form von Flüssigei wieder ins Land.“Es sei nicht richtig von der Politik in Deutschland, die Anforderungen so hoch zu setzen und dann die Waren aus dem Ausland zu beziehen. „Wenn bei uns etwas aus dem Ausland verkauft wird, sollte es auch zu gleichen Bedingungen wie in Deutschland erzeugt werden. Sonst haben wir keine Chance.“
Gerade die Schweinezüchter hatten es in den vergangenen Jahren
nicht leicht. Zwar seien sie schwankende Preise gewohnt, so Strauß, doch seit 2013 würden sich Ausgaben für die Bauern häufen aufgrund gesetzlicher Anforderungen, die sie erfüllen müssten. „Sowohl die Tierschutz-nutztierhaltungsverordnung als auch der gesellschaftliche Wunsch nach mehr Tierwohl verlangen mehr Platz für die Schweine, was erneut höhere Kosten für die Schweinehalter bedeutet. Dann blieb coronabedingt auch dieses Jahr das erwartete Hoch in der Branche aus.“
Systemrelevanz bewiesen
Doch nicht nur die Schweinehalter hätten mit Problemen zu kämpfen, sondern die ganze Landwirtschaft. Gerade Corona habe drastisch gezeigt, wie wichtig eine eigene stabile Lebensmittelversorgung sei, als im März die Grenzen geschlossen waren und keine Lebensmittel mehr aus dem Ausland eingeführt wurden, erläuterte Kucher. „Da waren wir froh, dass wir eine leistungsfähige Landwirtschaft haben. Es musste kein Essen ausbleiben.“Das Problem sei jedoch, dass der Lebensmitteleinzelhandel seine Preispolitik auf dem Rücken der
Landwirtschaft mache. „Das war schon immer so, aber noch nie so massiv wie zurzeit.“
Hinzu komme, dass das Eckpunktepapier der Landesregierung eine enorme Steigerung des Bioanteils in der Landwirtschaft vorsehe. Kucher fürchtet dadurch einen Preisverfall, da der Markt die Steigerung des Bioangebots nicht aufnehmen könne. „Die Nachfrage nach Bioprodukten liegt je nach Produkt derzeit nur zwischen sechs und acht Prozent des Marktanteils. Wenn wir den Markt aber mit Bioprodukten überschwemmen, sinkt der Preis. Andererseits ist die biologische Produktion aber teurer“, so Johannes Strauß.
Die Landwirtschaft unternehme schon viel im Bereich der Biodiversität: Zwischenfruchtanbau, Blühstreifen, Begrünungen und anderes mehr. „Weitere Maßnahmen sind möglich, müssen dann aber auch gegenfinanziert werden“, so Strauß. „Alles, was wir zusätzlich machen, muss bezahlt werden“, ergänzte Kucher. „Für höhere Standards brauchen wir eine höhere Vergütung. Sprich für Gesetze, die es umzusetzen gilt, braucht es einen Mehrgewinn, sonst funktioniert es nicht.“
Auch der Verbraucher könne die Landwirte unterstützen, indem er regional oder mit mehr Tierwohl erzeugte Produkte kauft. Denn jeder Gang zum Vermarkter und jeder Griff ins Regal sei wie ein Stimmzettel. „Der Konsument hat es in der Hand. Mit dem Kauf stimmt er ab, welche Produkte welchen Wert haben.“