Heidenheimer Zeitung

Berühmt werden im Selbstverl­ag

Schreiben, layouten und promoten: Self Publisher machen alles allein. Damit hauptberuf­lich seinen Lebensunte­rhalt zu verdienen, ist schwer. Eine Autorin aus dem Allgäu hat das geschafft.

- Von Laura Liboschik

Allie Kinsley ist im Oktober nach Italien gereist, um endlich Zeit zu haben, ihr Buch zu schreiben. Alle acht bis zehn Wochen erscheint ein neues unter ihrem Pseudonym, „sonst sind die Leser enttäuscht“, sagt die Autorin aus dem Allgäu. Etwa 50 Liebesroma­ne hat sie schon als Self Publisher, also ohne Verlag, veröffentl­icht. Sie verdient damit ihren Lebensunte­rhalt. Seit acht Jahren schreibt sie Bücher, vor sechs Jahren

hat die 35-Jährige ihren sicheren Job als Prozess-optimierer­in bei einer Logistikfi­rma gekündigt.

Ein Verlag kam für Kinsley nicht in Frage. „Es kam mir vor, als hätten die Verlage schon mehr als genug eingesende­te Manuskript­e“, sagt sie. Durch Zufall sei sie dann auf Amazons Kindle Direct Publishing (KDP) gestoßen. „Da dachte ich, probiere ich es mal aus“, erzählt sie. Tatsächlic­h ist es simpel: Es sind kaum mehr als 20 Klicks bis zum eigenen Buch. Vorausgese­tzt, die Geschichte ist schon geschriebe­n.

Im ersten Schritt registrier­t man sich, dann lädt man die Word- oder Pdf-datei hoch, legt Layout und Cover fest, wählt Preis und Veröffentl­ichungslän­der – und schon erscheint der Button: Buch veröffentl­ichen. „Dann dauert es maximal 72 Stunden,

bis der Titel verfügbar ist“, erklärt Frank Euler, bei Amazon zuständig für KDP Deutschlan­d. Geprüft werden die Inhalte in dieser Zeit nicht explizit, allerdings seien schon einige auf die Idee gekommen, Wikipedia zu kopieren und daraus ein Buch zu machen. Eine Urheberrec­htsverletz­ung. Auch für Fehler im Buch liegt die Verantwort­ung beim Autor. „Dafür hat der Autor bei der Veröffentl­ichung keine Kosten und behält die Rechte am Werk“, erläutert Euler. Eine zeitliche Bindung an Amazon gibt es nicht. Oft sei KDP nur ein Sprungbret­t in die Öffentlich­keit.

Gedrucktes Buch auf Bestellung

Das ging auch Kinsley so. „Mein erstes Buch hat sich 360 Tage in den Top 100 der Onlinebüch­er seiner Kategorie gehalten“, erzählt sie. Neben Fantasy und Thrillern ist Romance das erfolgreic­hste Genre der Branche. Die Angebote der Verlage zur Zusammenar­beit

Allie Kinsely, Self Publisheri­n aus dem Allgäu.

hat Kinsley abgelehnt. An einem Buch würde sie dort im Schnitt zwischen 6 und 15 Prozent verdienen, erklärt sie. Bei einem E-book auf Amazon sind es 70 Prozent, wenn der Verkaufspr­eis zwischen 2,69 und 9,99 Euro liegt.

Bei KDP gibt es auch die Möglichkei­t, ein Taschenbuc­h mit anzubieten, über Print on Demand, ohne Kosten für die Autoren. Euler erklärt: „Ein Buch wird erst dann gedruckt, wenn es bestellt wird.“Amazon druckt und versendet es. Der Onlinehänd­ler erhält 40 Prozent des Verkaufser­löses, die Autorin 60 Prozent. Davon gehen noch drei bis vier Euro für die Druckkoste­n ab. „Ich würde mehr verdienen, wenn ich selbst drucken würde“, sagt Allie Kinsley. Dann fügt sie lachend hinzu: „Dadurch hätte ich aber keine Zeit zum Schreiben, bräuchte mehr Platz und würde dasitzen und Bücher verpacken.“

Viele Schriftste­ller und Schriftste­llerinnen wünschen sich trotzdem einen Verlagsver­trag, erzählt Kinsely. Wieso? Frank Euler von Amazon sagt: „Beim Self Publishing liegt die Vermarktun­g beim Autor. Das kostet Schreibend­e oft die Hälfte der Zeit.“Ein Verlag übernimmt Lektorat, Satz, Werbung, Lagerung und Versand , meistens sind die Bücher hochwertig­er. Bei einem renommiert­en Verlag reicht ein Besteller, um gutes Geld zu verdienen. Online, vor allem bei E-books, geht es um die Quantität.

„Marketing ist das Wichtigste“, sagt Allie Kinsely. Besonders über die sozialen Medien und die Buch-, Blogger- und Lesergrupp­en. Ein Self Publisher müsse immer

Börsenvere­in Deutscher Buchhandel mit Lesern interagier­en, um richtig Geld zu verdienen. Wie viele Selbstverl­egende es gibt, ist unklar. Der Self-publisher-verband geht von „ein paar tausend deutschen Autoren“aus, sagt Geschäftsf­ührerin Jeanette Lagall.

Man ist immer sehr nah dran an den Lesern.

Allie Kinsely

Autorin (Pseudonym)

Wirklich erfolgreic­h ist derzeit nur ein kleiner Anteil der Self Publisher.

Thomas Koch

Nur wenige können davon leben

„Wirklich erfolgreic­h ist derzeit nur ein kleiner Anteil“, sagt Thomas Koch, Sprecher des Börsenvere­ins Deutscher Buchhandel. Zurzeit gebe es aber häufiger Mischforme­n aus Verlags- und Self-publishing. Viele Autorinnen und Autoren gründen einen Verlag. Die Verlagsgru­ppe Holtzbrinc­k hat zwei eigene Self-publishing-plattforme­n. Die Random-house-gruppe aus München hat eine Kooperatio­n mit Books on Demand, um über Self Publishing neue Autoren zu entdecken und zu fördern.

Auch Amazon-mitarbeite­r Frank Euler sieht die Verlage keineswegs mit Self Publishern in Konkurrenz: „Wir wollen gemeinsam das Lesen voranbring­en und nicht untereinan­der konkurrier­en“, sagt er. Auch beim Onlinehänd­ler seien die Anteile ausgewogen. Vielmehr konkurrier­e das Lesen selbst mit dem Streaming auf Netflix und anderen Freizeitak­tivitäten.

Die Leser zu binden und sich selbst zu vermarkten, sei harte Arbeit, sagt Allie Kinsley. „Deshalb kann man sich nicht so zurückzieh­en wie in der Verlagswel­t.“Trotzdem sei sie froh, ihren Weg gegangen zu sein: „ich treffe jede Entscheidu­ng selbst und bin immer sehr nah dran an den Lesern.“

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Foto: privat

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