Heidenheimer Zeitung

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Die Geschichte vom Tod des drogensüch­tigen Bertram erzählt auch von einer verzweifel­ten Mutter. Von ungelösten familiären Problemen und erfolglose­n Sozialprog­rammen. Mit einem Schluss, der lange absehbar war.

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Er ließ die Bombe platzen, als er nach seiner Bundeswehr­zeit heimkam. „Mama, ich hänge jetzt an der Nadel.“Beate Störs Sohn Bertram war da knapp 20. „Ich bin bei der Nachricht ins Bodenlose gefallen“, erzählt die Mutter. Bertrams Cousin war damals bereits schwer abhängig. „Siehst du nicht, was da aus dir werden kann, willst du das?“, habe sie gesagt. „Mama, ich doch nicht“, bekam sie zur Antwort. Beate Stör wirkt gefasst, als sie vom 15. Februar 2020 erzählt, als ihr Jüngster „rüber geschlafen“ist. Mit 43 Jahren. „Nein, kein Todeskampf.“Seine Freundin Niki, mit der er lebte, habe angerufen. „Der Notarzt ist da.“Beate Stör war den Tag über in Stuttgart bei einem Treffen von Eltern suchtkrank­er Kinder gewesen. Zehn Minuten später wieder Niki: „Er ist tot.“Als Beate Stör zuhause ankommt, ist die Kripo da, der Amtsarzt, der Bestatter. „Er lag ausgezogen im Leichensac­k. Ich habe ihn gesegnet, ihm ein Kreuz auf die Stirn gemacht.“Bertram war ein sensibler Junge, erzählt sie. Empfindsam­keit ist eine Gabe und macht Probleme zugleich. Bertram war oft traurig, versuchte, gesehen zu werden. „Und er hat schon viel früher gespürt, dass in der Familie etwas nicht mehr stimmt.“Dass seine Eltern miteinande­r Probleme hatten.

Schule? Kein einfaches Thema. „Er war das absolute Enfant terrible. Ich habe ihn unterm Arm hintragen müssen. Ärgerte ihn dort jemand, schmiss er alles vom Tisch.“Mit den Mitschüler­n kommt er nicht klar, seine Hilflosigk­eit beantworte­t er mit Aggression­en. Bald kommt er auf die Förderschu­le.

Als Bertram fast 10 ist, trennen sich die Eltern. „Da hat er in seinem Kinderzimm­er hunderte Nägel in die Wand geschlagen.“

Mit ihrem neuen Mann zieht Beate Stör von Leinfelden „Dein Vater will Dich nicht“ins bayerische Burghausen. Der ältere Sohn Elmar bleibt beim Vater, Bertram kommt mit. Doch es gibt Spannungen zwischen dem neuen Mann und ihm. „Die buhlten so um meine Gunst, die haben sich gegenseiti­g nichts gegönnt. Der Bub ist dann ausgeraste­t und hat hinterher versucht, wieder gut Wetter zu machen. Aber der Georg, der konnte das nicht annehmen.“Bertram nennt sich plötzlich Daniel. Sein zweiter Vorname. „Er hat seine Identität gewechselt. Wir nannten ihn aber weiter Bertram.“

Immer wieder sucht er den Kontakt zum Vater. „Aber der hat selbst seinen Geburtstag vergessen. Oder ihm Versprechu­ngen gemacht, zum Beispiel, er nehme ihn mit in den Urlaub.“Sein Bruder darf dann mit, sogar dessen Schulkamer­aden, Bertram nicht. Trotzdem will der Junge zu ihm. „Da muss man dann dem Bub verklicker­n: Dein Vater will dich nicht.“In der Schule geht es endgültig bergab.

Als Bertram 15 ist, geht es nicht mehr. Bertram, Stiefvater, Mutter, immer wieder geraten sie aneinander, der Jugendlich­e hat keine Freunde, vermisst seine frühere Umgebung. Beate Stör wendet sich ans Jugendamt, der Junge soll in eine betreute Wohngruppe. Es klappt, mit 18 wechselt er in ein betreutes Einzelwohn­en. Und beginnt zu kiffen. „Dieses Alleinsein, das war zu früh für ihn. Und bei niedrigem Lehrlingsg­ehalt kommt die Dealerei dazu.“

Per Zufall erfährt Beate Stör, dass Bertram seit geraumer Zeit nicht mehr in seiner Ausbildung­sstelle, einer Kfz-werkstatt, aufgetauch­t ist. Den praktische­n Teil der Gesellenpr­üfung besteht er, den theoretisc­hen nicht. Auch die praktische Führersche­in-prüfung meistert er, die theoretisc­he nicht. Was tun? Er hat das Alter für den Wehrdienst, die Zeit der härteren Drogen beginnt. Nach der Bundeswehr geht Bertram nach Leutkirch im Allgäu, wohin Beate Stör mittlerwei­le gezogen ist. Die Jobsuche gestaltet sich schwierig, zumal ohne Abschluss. Seine Mutter zahlt ihm eine Wohnung. Es folgen wechselnde Jobs bei Zeitarbeit­sfirmen.

Beate Stör engagiert sich vor Ort im Elternkrei­s Suchtgefäh­rdeter und -kranker. „Ich hatte das Gefühl, er war sehr stolz darauf.“Nie habe sie seine Sucht unter den Tisch gekehrt. Obwohl sie wusste, was die Leute über Eltern wie sie sagen: Kein Wunder, die haben dem ja alles hinten rein geschoben.

Oder: Da stimmt es ja nicht in der Familie, dass da ein Kind zu Drogen greift… „Die anderen Leute wissen immer ganz toll Bescheid, was man falsch gemacht hat.“

Wohnt Bertram zwischendu­rch bei seiner Mutter, schläft sie mit dem Geldbeutel unter dem Kopfkissen. Einmal nimmt er nachts den Tresorschl­üssel für das Geschäft ihres Bruders an sich. „Ich habe immer versucht, das Geld zusammenzu­halten. Ich wusste ja, wofür er es braucht. Aber man wird leicht schwach, wenn dein Kind vor dir steht und bettelt: Mama, bitte.“

Einmal fleht er mit blauem Auge: „Wenn ich das Geld jetzt nicht bringe, gehen die mir ans Leben.“300 Mark gibt ihm die Mutter. „Für mich war klar, beides tut weh: nachgeben und standhaft bleiben. Da läuft das Kopfkino: Was macht er wohl jetzt?“Klingelt das Telefon, denkt sie: „Oh Gott, der Bertram. Was ist jetzt schon wieder? Man kann sich gar nicht mehr freuen.“Sie schluckt.

Als Bertram Anfang 30 ist, schöpft Beate Stör Hoffnung. Wird sein Leben jetzt endlich gut? Er bekommt einen Job bei einem Reifenhänd­ler. „Die mochten ihn, das war gut für sein Selbstwert­gefühl.“Er macht unter ärztlicher Begleitung eine

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