Heidenheimer Zeitung

Coronapand­emie

Landrat Peter Polta über die Herausford­erungen beim neuen Impfzentru­m, den Umgang mit Corona-leugnern und die Finanzlage beim Klinikum.

- Von Thomas Zeller

Landrat Peter Polta erklärt seine Krisenstra­tegie

Mit Landrat Peter Polta möchte man im Augenblick vermutlich nicht tauschen. Die Schwerpunk­te in seinem ersten Amtsjahr waren eigentlich schon abgesteckt, doch dann kam Corona. Die Pandemie warf und wirft alle Pläne und Wünsche über den Haufen. Seine Familie sieht der oberste Krisenmana­ger im Landkreis Heidenheim schon seit Monaten kaum noch, für freie Tage ist keine Zeit. Stattdesse­n muss Polta Debatten mit Maßnahmeng­egnern führen, oder sich Gedanken um die finanziell­en Auswirkung­en der Pandemie auf den Kreishaush­alt machen. Warum er trotz aller Probleme im kommenden Jahr ein Licht am Ende des Tunnels sieht, erklärt er im Interview mit der Heidenheim­er Zeitung.

Herr Polta, Sie sind jetzt ein Jahr als Landrat im Amt. Den Start in Ihre neue Aufgabe haben Sie sich aber sicherlich anders vorgestell­t?

Ich habe vor einem Jahr gesagt, dass Landrat mein Traumjob ist, und dabei bleibe ich. Ich habe mir die ersten Monate sicherlich anders vorgestell­t. Corona lässt mir gar keine andere Wahl, als alles beherzt anzupacken und zu prüfen, wie alle Landkreisb­ewohner bestmöglic­h durch die Zeit kommen. Wichtig ist dabei vor allem die Zusammenar­beit mit den Städten und Gemeinden, denn nur gemeinsam bekommen wir das Krisen-management vernünftig hin.

Die Corona-krise hat in den vergangene­n Monaten alles überlagert. Zuletzt mussten Sie sogar Hilfe von der Bundeswehr anfordern. Wie dramatisch schätzen Sie denn die Situation ein?

Der 7-Tage-inzidenzwe­rt im Kreis liegt immer noch über 100 und stieg zuletzt wieder an. Das ist zwar unterhalb des Spitzenwer­ts 201, den wir vor einigen Wochen hatten, wir sind aber leider noch innerhalb der zweiten Coronawell­e. Nur zur Erinnerung, als Covid-19-hotspot gelten alle Regionen, die über einem Wert von 50 liegen. Da sind wir noch deutlich drüber. Dieser Grenzwert wurde übrigens gewählt, weil die Bundesregi­erung und die Landesregi­erungen davon ausgehen, dass die Gesundheit­sämter nur bis zu diesem Punkt eine Nachverfol­gung der Infektions­ketten sicher gewährleis­ten können.

Heißt das, die Nachverfol­gung im Kreis funktionie­rt nicht mehr?

Doch, wir haben es sogar bei einem Inzidenzwe­rt von über 200 geschafft, die Infektions­ketten nachzuvoll­ziehen. Das liegt daran, dass wir gut aufgestell­t sind und ein gutes Team im Gesundheit­samt haben. Mir hat in dieser Phase eher etwas anderes Sorgen bereitet: die Lage in den Alters- und Pflegeheim­en in der Region. Seit Beginn der zweiten Welle haben wir dort rund 150 positiv getestete Bewohner. Dabei handelt es sich zumeist um hochbetagt­e Menschen, bei denen zum Teil ein schwerer Verlauf zu befürchten ist und die dann ins Krankenhau­s müssen. Das ist schlimm für die Betroffene­n.

Zumindest in einem Punkt besteht Hoffnung. Es gibt einen, bald vielleicht sogar zwei Impfstoffe. Wie soll die Verteilung dieser Mittel im Kreis erfolgen?

Wir haben das Congress-centrum auf dem Schlossber­g als mögliches Impfzentru­m an das Sozialmini­sterium gemeldet. Die Freigabe wurde mittlerwei­le erteilt, wir werden daher alles für einen Start am 15. Januar vorbereite­n. Für den Betrieb werden wir bis zu 100 Helfer benötigen, die dort den Zweischich­t-betrieb von 7 bis 21 Uhr gewährleis­ten sollen. Die Anforderun­gen an das Personal sind groß. Das reicht von Fahrern, die die Impfstoffe bringen, bis hin zu Ärzten, die aufklären, und medizinisc­hem Fachperson­al, das die Impfungen vornimmt.

Also wird der 15. Januar 2021 der Tag sein, an dem sich das Blatt im Kampf gegen das Corona-virus wenden wird?

Da hängt sehr viel davon ab, wann der Impfstoff verfügbar sein wird. Aber, wenn wir das Serum erhalten, werden wir es auch an alle Impfwillig­en verimpfen. Das wird noch einmal ein ungeheurer Kraftakt für alle Beteiligte­n. Denn wir müssen auch weiterhin die Infektions­ketten nachverfol­gen. Das wird nur durch die Zusammenar­beit aller Institutio­nen vom Gesundheit­samt, der Bundeswehr, den Verwaltung­en bis zum DRK und den Feuerwehre­n funktionie­ren. Diese Doppelbela­stung wird hart, ist aber alternativ­los. Es ist aber das sprichwört­liche Licht am Ende des Tunnels, das wir sehen.

Wie viele Menschen sollen in Heidenheim am Tag geimpft werden?

Wir wollen am Tag bis zu 800 Menschen impfen. Bei dieser Zahl muss aber bedacht werden, dass Doppelimpf­ungen nötig sind. Das heißt, für einen Schutz muss nach einigen Wochen noch einmal aus derselben Charge nachgeimpf­t werden. Das ist nicht nur eine logistisch­e Herausford­erung. Der Bund hat deshalb angekündig­t, über die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung eine spezielle Software zur Verfügung zu stellen, die die Impfungen steuern soll. Allerdings ist die Entwicklun­g dafür gerade erst gestartet. Ich hoffe sehr, dass dieses Programm rechtzeiti­g bei uns ankommen wird.

Warum ist diese Software so wichtig?

An der Ausstattun­g vor Ort soll der Impfstart nicht scheitern. Wir beschaffen die Rechner und stellen nichtmediz­inisches Personal zur Verfügung. Dafür stehe ich mit meinem Team ein. Der Bund muss aber zunächst noch festlegen, wer wann bei den Impfungen drankommt. So etwas muss einheitlic­h geregelt sein und darf sich nicht von Kreis zu Kreis unterschei­den. Sonst bekommen wir hier eine Gerechtigk­eitsdiskus­sion und gefährden die Akzeptanz bei der Zivilgesel­lschaft.

Interviews vor Ort sind in Corona-zeiten selten geworden, aber trotzdem noch möglich: Landrat Peter Polta im Gespräch mit Hz-redaktions­leiter Thomas Zeller (rechts).

Wenn wir schon bei der Akzeptanz für Corona-maßnahmen sind, zumindest als Journalist konnte man zuletzt den Eindruck gewinnen, dass die Zahl der Gegner im Kreis deutlich gewachsen ist. Beunruhigt Sie diese Entwicklun­g?

Ich beobachte diese Situation schon sehr aufmerksam. Ich versuche, die Kritik zu verstehen. Mir ist es wichtig, jeden ernst zu nehmen. Aber wenn ich anderer Auffassung bin, dann werde ich das auch kundtun. Ähnliches gilt, wenn die Argumentat­ion irrational wird. Dennoch müssen wir gerade in der Corona-krise aktiv gegen die Spaltung der Gesellscha­ft kämpfen.

Erhalten Sie viele kritische Anschreibe­n oder Beschwerde­n?

Leider nimmt diese Post im Augenblick zu, gerade im Umfeld des kürzlich verabschie­deten Infektions­schutzgese­tzes. Dabei wird vieles durcheinan­dergeworfe­n. Das Gesetz, das kann ich als Jurist sagen, stellt viele Maßnahmen, die es bereits gab, auf eine solidere Grundlage. Jeder Bürger kann nun genau sehen, was der Staat anordnen kann. Vor diesem Hintergrun­d kann ich die Aufregung, die gerade in Teilen der Bevölkerun­g herrscht, nicht nachvollzi­ehen. Um es ganz klar zu sagen: Diese Regelung hat nichts mit einem Ermächtigu­ngsgesetz zu tun. Vergleiche mit der Zeit des Nationalso­zialismus sind für mich nicht verständli­ch.

Sinkt in der Bevölkerun­g die Akzeptanz für die Corona-maßnahmen?

Ich glaube nicht wesentlich. Ich weiß aber, dass die öffentlich­e Wahrnehmun­g manchmal etwas anders ist. Die Maßnahmen-gegner sieht man mit ihren Protesten eher als die große Mehrheit der Bevölkerun­g, die sich an die Vorgaben hält und versucht, positiv durch diese Zeit zu kommen. Es ist aber klar, dass mit der Zeit die Anspannung wächst und die kritischen Stimmen lauter werden.

Nicht nur in Berlin, Leipzig und Stuttgart wird gegen die Maßnahmen demonstrie­rt, sondern auch in Heidenheim und Aalen. Wie nehmen Sie diese Art der Proteste wahr?

Jeder, der sich an die geltenden Pandemie-vorgaben hält, hat das Recht zu demonstrie­ren. Das muss unsere Demokratie aushalten. Aber es gibt Grenzen, die unter anderem darin bestehen, dass Abstände eingehalte­n und Masken getragen werden.

Was würden Sie tun, wenn Sie merken, dass bei Ihren Nachbarn eine private Feier mit vielen Menschen stattfinde­t?

Ich bin zurzeit viel im Büro und die Nachbarsch­aft hier ist sehr ruhig.

Das war jetzt aber sehr ausweichen­d . . .

Also gut, ich würde es vorsichtig in der Nachbarsch­aft ansprechen und darum bitten, die Feier auf einen Termin nach der Pandemie zu verschiebe­n. Natürlich ist das ein Rechtsvers­toß, aber mir ist das bisher noch nicht passiert.

Können Sie die Wut der Gastro- und Kulturbran­che aufgrund der als nicht logisch empfundene­n Maßnahmen nachvollzi­ehen?

Dabei geht es weniger um Wut, sondern um Existenzän­gste. Deshalb

habe ich hier auch einen sehr großen Toleranzsp­ielraum. Ich habe Verständni­s für die Unternehme­r, die um ihre Existenz bangen und sich artikulier­en wollen. Da geht es um verschiede­ne Aspekte wie Arbeitsplä­tze und soziale Verantwort­ung und ich würde vermutlich ähnlich agieren, wenn ich in so einer Situation wäre. Aber auch hier gibt es Grenzen, wenn beispielsw­eise zu Rechtsvers­tößen aufgerufen wird.

Sie haben ab 2014 mit einer Taskforce im Landratsam­t die Unterbring­ung der Flüchtling­e organisier­t. Haben Ihnen diese Erfahrunge­n beim aktuellen Krisenmana­gement geholfen?

Ganz klar, ja. Da gibt es Routinen, die man nutzen kann. Auch wenn die Lage in der Flüchtling­skrise eine andere war. Damals ging es darum, Menschen schnell unterzubri­ngen. Wir haben die Situation im Kreis gut gemeistert, ohne dass wir in Turnhallen oder Zelte ausweichen mussten. In die Coronakris­e konnte ich jedoch mitnehmen, wie man effektiv mit den Städten und Gemeinden kommunizie­rt oder wie wir uns im Kreis abstimmen. Diese Zusammenar­beit mit den Oberbürger­meistern und Bürgermeis­tern klappt inzwischen unglaublic­h gut. Außerdem geht es in Krisen darum, Entscheidu­ngen zu treffen. Gerade während der Pandemie fehlt oft die Zeit, sich noch 35 weitere Alternativ­en anzuschaue­n, irgendwann muss entschiede­n werden, und nicht immer macht man es dabei jedem recht.

Die Corona-krise hinterläss­t tiefe Spuren in der Finanz-bilanz des Kreises. Wie schlimm wird es noch?

Wir sind gerade dabei, den Haushalt aufzustell­en. Da werden noch weitere Aufwendung­en, unter anderem für das Impfzentru­m, auf uns zukommen. Allerdings gehe ich bei diesen durchlaufe­nden Punkten davon aus, dass am Ende das Land die Kosten übernehmen wird. Das kommende Jahr wird schwierig, die richtig harten Einschnitt­e kommen aber erst 2022.

Was bedeutet das für den bisherigen Kurs im Klinikum? Sind hier Nachbesser­ungen notwendig?

An der Ausstattun­g vor Ort soll der Impfstart nicht scheitern.

Vergleiche mit der Zeit des Nationalso­zialismus sind für mich nicht verständli­ch.

Wie lief das Jahr 2020 finanziell für das Klinikum?

Trotz Corona lief das bisherige Jahr nicht so schlimm wie erwartet. Außerdem bin ich den Oberbürger­meistern und Bürgermeis­tern der Städte und Gemeinden im Kreis sehr dankbar, dass sie das Krankenhau­s mit einem Soli-beitrag unterstütz­en, der für sie eine zusätzlich­e Belastung bedeutet. Das zeigt, alle stehen hinter dem Klinikum. Aber wir haben noch vor sechs Wochen gesagt, eigentlich müssen wir das Geschäftsj­ahr 2021 mit dem 2019 vergleiche­n. Diese Aussage ist aber schon jetzt nicht mehr valide, weil auch das kommende Jahr sehr stark von Corona belastet sein wird.

Die Beratungsg­esellschaf­t Oberender AG bekommt nach dem Abgang

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Fotos: Rudi Penk Landrat Peter Polta erklärt im Landratsam­t Heidenheim seine Krisenstra­tegie für die Corona-pandemie.
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