Sammlerstücke
Im zweiten Teil unserer Serie erzählen wir, wie Heidenheim eine der Drehscheiben des weltweiten Handels mit Vintage-gitarren wurde und bei Siggi Schwarz Instrumente auftauchten, die vorher Mark Knopfler oder Eddie van Halen gehört hatten.
Als bei Siggi Schwarz in Heidenheim die teuersten Gitarren über den Ladentisch gingen
Was E-bay ist, weiß heute jedes Kind. Aber die Zeiten waren schon mal andere. An dem Tag, als Siggi Schwarz E-bay kennenlernte, war er um 75 000 Mark ärmer, aber dafür der Besitzer seiner Traumgitarre. Und das will etwas heißen. Denn am vergangenen Samstag haben wir gelernt, dass der Heidenheimer Gitarrist hier einst den Gitarrenladen mit dem weltweit exklusivsten Angebot führte. Im zweiten Teil unserer kleinen Serie soll es heute um edle, teure und berühmte Schätze aus diesem Angebot gehen.
Als teuerste E-gitarre der Welt, dies vorab, gilt seit dem Jahr 2019 die vom Pink-floyd-gitarristen David Gilmour für einen guten Zweck verkaufte sogenannte „Black Strat“, die bei Christie’s in New York für damals umgerechnet 3,6 Millionen Euro unter den Hammer kam. Die schwarze Stratocaster der Firma Fender ist Baujahr 1969. Ursprünglich gekauft worden war sie 1970 bei „Many’s Music“in New York, wo sich 1973, und damit sind wir wieder zurück in Heidenheim, der damals 15-jährige Gitarrist und angehende Gitarrenhändler Siggi Schwarz seine erste Ladung Gibson-gitarren besorgt hatte.
Eine kleine Welt für sich
Wertvoll macht eine E-gitarre entweder der Umstand, dass sie mal von einem Star gespielt wurde oder aber, wenn sie als Original einer berühmten Baureihe daherkommt. Noch wertvoller wird die Sache unter Umständen, wenn beide Komponenten zusammentreffen. Und trotzdem: Bei Weitem nicht so viel wert wären diese Gitarren ohne die Menschen, die sie besitzen wollen. Den Preis bestimmt letztendlich der Sammler. „Das ist eine kleine Szene“, sagt Siggi Schwarz. „Eine kleine Welt für sich.“
Dass die sich mal, als weder das Internet noch sonst eines der modernen und sekundenschnellen Massenkommunikationsmittel zur Verfügung standen, die Klinke von Siggi Schwarz‘ Gitarrenladen in die Hand gab, dafür hat der eine einfache Erklärung: „Was ich gekauft habe, habe ich geliebt. Was ich verkauft habe, habe ich geliebt. Und ich habe den Menschen mit meiner Begeisterung für die Sache diese Liebe vermittelt. Man konnte bei mir im Laden Feuer fangen. Und jeder Kunde durfte wirklich jede Gitarre anspielen.“
Die Goldgräberzeit
Und man musste nicht unbedingt den ganz großen Geldbeutel mitbringen. Mit 500 Mark konnte man als junger Nachwuchsgitarrist schon seinen ersten Traum träumen. Aber auch für 35 000 Mark hatte das vor allem mit Custom-made-gitarren, also maßangefertigten Kleinserien verschiedener Hersteller bestückte normale Sortiment Instrumente für in vielerlei Hinsicht ambitionierte Spieler zu bieten. Später war das selbstverständlich alles in Euro zu haben. Die wichtigere Währung der 1990er-jahre, der Zeit der Renaissance und gleichzeitig der Goldgräberzeit in Sachen E-gitarre, war allerdings der Us-dollar.
Denn auf einmal war der Begriff Vintage Guitars in aller Munde. Das waren Gitarren älteren Baujahrs, die plötzlich begehrt waren. Das Thema füllt Bücher. Ein kleiner Exkurs wenigstens an dessen Rand aber ist an dieser Stelle der Geschichte vielleicht doch nicht ganz verkehrt. Als zum Beispiel Eric Clapton im Jahre 1965 mit einer „Les Paul Standard“der Firma Gibson des Baujahrs 1959 auf die Bühne trat, wollten plötzlich nicht nur Kollegen, sondern Gitarristen überall so eine haben. Es waren aber insgesamt nur 1800 Stück gebaut worden. Denn Gibson hatte die 1958 begonnene Produktion dieser durchgehend in „Sunburst“lackierten Gitarren mit einem Korpus aus Honduras-mahagoni bereits 1960 wieder eingestellt und dafür die wesentlich leichtere „SG“auf den Markt gebracht, die man heute insbesondere mit Angus Young von „AC/DC“in Verbindung bringt.
Das Honduras-mahagoni
Gibson reagierte allerdings auf die Nachfrage und baute ab 1968 wieder „Standard-les-pauls“. Nun allerdings ohne das heute längst einen Schutzstatus genießende Honduras-mahagoni. Dies bedeutete, dass die Instrumente der Jahre 1958, 1959 und 1960 in ihrer Art einmalig bleiben würden, nicht zuletzt auch wegen ihres durch das Mahagoni tragfähigeren Tons. Damit war der Vintage-markt für Sammler eröffnet. Und Gitarren, die 1959 neu noch 350 Dollar gekostet hatten, kosteten, je nach Maserung des Holzes, 1994 bis zu 25 000 und 2003 schon bis zu 200 000 Dollar. Heute bezahlt man in manchen Fällen bis zu 350 000 Euro. Rund 50 Gitarren solcher Kragenweite hat Siggi Schwarz im Laufe seiner Karriere als Händler verkauft. Was er heute selber noch als „sehr beachtlich“einstuft.
Womit wir nun bei den „berühmten“Gitarren angelangt wären. Auch von denen sind einige über Heidenheim und durch die Hände von Siggi Schwarz in die
Heidenheim, 1994: Siggi Schwarz sitzt vor seinem Gitarrenladen auf einem Dumble-overdrive-verstärker, der zuvor Pink-floyd-gitarrist David Gilmour gehört hatte und heute 250 000 Euro wert ist. Er hält eine „Dragon“von PRS und ist (von links) umgeben von einer „Pensa Suhr“, die Mark Knopfler gehörte, einer Gibson „ES 335“von 1958, einer „Harley-davidson“-stratocaster (von denen nur zwei nach Deutschland gelangten, eine für Peter Maffey) sowie einer „Playboy“-fender mit Marylin Monroe auf dem Schlagbrett. Die Gitarren kosteten damals zwischen 15 000 und 30 000 Mark.
Sammlerwelt gelangt. Eine von Eddie van Halen gespielte beispielsweise. Eine von Mark Knopfler, dem Kopf der „Dire Straits“. Oder eine von Paul Kossoff, dem Gitarristen von „Free“. Oder unter anderem eine, die mal Joe Walsh von den „Eagles“gehört hatte.
Schwarz gegen Slash
Mit drei anderen ganz besonderen Gitarren aber verbindet Siggi Schwarz auch ganz besondere
Momente und Erinnerungen. Da wäre zunächst die „Les Paul“Baujahr 1958, die einmal Schwarz‘ Idol Dickey Betts, dem Gitarristen der „Allman Brothers“, gehört und die dieser später seinem Band-kollegen Dan Toler geschenkt hatte. Und die war plötzlich auf dem Markt. „Siggi, Deine Traumgitarre ist bei E-bay zu haben“, schrie eines Septembertages im Jahr 1999 von Baton Rouge aus Holger Nötzel ins Telefon. Der Tübinger, der früher ab und zu bei Schwarz im Laden geholfen hatte, war inzwischen nach Louisiana ausgewandert und dort in ein Gitarrengeschäft eingestiegen.
„Meine erste Reaktion“, erinnert sich Siggi Schwarz, war: „Was ist E-bay?“Am Ende hatte er das Wesentliche verstanden: „Man muss ein Angebot abgeben.“Und seines lag bei 75 000 Mark. Wobei man wissen muss, dass der Name des Vorbesitzers diese Gitarre fast wertvoller machte als ihr Herstellungsjahr, da sie 1974, nach einem Halsbruch, nicht nur schon einmal repariert, sondern auch umlackiert worden war. Trotzdem: Eine Menge Geld. Und Siggi Schwarz hatte nur einen Tag Zeit, das Geld zu überweisen. Länger wollte der Verkäufer in Georgia nicht zu seiner mündlichen Zusage stehen, weil plötzlich mit Slash, dem Gitarristen von „Guns ‚n‘ Roses“, noch ein prominenter Mitbewerber auf den Plan getreten war, der, wie dem Vermittler in Louisiana zu wissen kundgetan wurde, darüber hinaus „10 000 mehr“bot „als der Deutsche“.
Die Blitzüberweisung
Schwarz‘ Hausbank machte die Blitzüberweisung möglich. Und die Gitarre kam nach Heidenheim. Die internationalen Fachblätter standen Schlange, um von der Transaktion zu berichten. Und Siggi Schwarz spielte die Gitarre, für jeden Auftritt extra versichert, bei zahlreichen Konzerten und auf einigen CDS. 2008, als er dann sein Gitarrengeschäft aufgab, verkaufte er die „Betts-lespaul“„eigentlich zu billig“für 75 000 Euro „an einen guten Kunden in Duisburg“. Von dort wanderte sie eines Tages zu einem Gitarrenhändler nach Paris, der sie, obwohl er sie für 300 000 Euro in seinem Online-schaufenster führt, bislang nicht verkaufen wollte. Auch nicht an Joe Bonamassa, der sie gern gehabt hätte, nachdem er sie für ein Konzert geliehen hatte.
Auch eine interessante Geschichte: 1979 hatte Schwarz für 2000 beziehungsweise 2500 Mark von Rudolf Schenker von den „Scorpions“zwei „Flying V“von Gibson gekauft, die zuvor dessen Bruder, der Superstar Michael Schenker, gespielt hatte. Eine davon drückte Schwarz Michael Schenker zu dessen grenzenloser Überraschung im Jahr 2004 im Tonstudio in die Hand, als die beiden sich bei den Aufnahmen zu einer Schwarz-cd trafen. Beide Gitarren, eine nun mit Schenkers Autogramm versehen, hat Schwarz später verkauft. Die schwarze „Flying V“, mit der man ihn bei seltenen Gelegenheiten heute noch auf der Bühne antreffen kann, ist wiederum ein Geschenk von Michael Schenker.
Million-dollar-baby
Last but längst nicht least: Die „59er Les Paul“von Gary Moore, die man zum Beispiel vom Hit „Still got the Blues“und vom Cover der nämlichen LP kennt. Dieses Instrument hatte Moore 1972 für 70 britische Pfund, damals knapp 600 Mark, Peter Green abgekauft, dem Komponisten von Hits wie „Black Magic Woman“und weithin stilprägenden Gitarristen von John Mayalls Bluesbreakers und „Fleetwood Mac“. Im Jahr 2006 verkaufte Gary Moore die Gitarre an einen in Florida beheimateten englischen Gitarrenhändler für, wie damals vermutet wurde, 500 000 Dollar. Und der wiederum rief ein Jahr später bei Siggi Schwarz an, um ihm die Gitarre zum Preis von einer Million Dollar zum Kauf anzubieten. „Er wäre auf 900 000 heruntergegangen“, erinnert sich Schwarz und lacht: „Das Angebot war zwar eine Ehre für mich, aber auch eine Nummer zu groß.“Heute gehört das Instrument Kirk Hammett, dem Gitarristen von „Metallica“. Der hat es sich zwei Millionen kosten lassen.