Scheitert Deal an der EU?
Drama gehört dazu, aber die Lage ist sehr ernst. Das liegt nicht nur an Großbritannien. Es kursiert bereits ein Plan B.
Brüssel. Ursula von der Leyen ist das Lächeln vergangen. Mit ernster Miene verkündet sie das karge Ergebnis des Brexit-krisengipfels mit dem britischen Premier Boris Johnson: „Es bleiben bedeutende Differenzen in drei entscheidenden Fragen“, sagt die Eu-kommissionspräsidentin in einem knappen Statement. Ohne Einigung in diesen Punkten sei kein Abkommen möglich.
Es sind dramatische Stunden im Finale um einen Brexit-deal, der einen harten Bruch zwischen Großbritannien und der EU verhindern soll, wenn die Übergangsphase zum Jahresende ausläuft. Seit sechs Wochen ringen Unterhändler der Eu-kommission und der britischen Regierung abwechselnd in London und Brüssel um den finalen Text des Abkommens, streng abgeschirmt im „Tunnel“. 95 Prozent des Vertrags sind längst ausverhandelt, trotzdem: Die Fortschritte in den offenen Punkten – Fischerei, fairer Wettbewerb, Streitregelung – reichen noch immer nicht.
Gut eine Stunde redeten von der Leyen und Johnson am Samstag, in einigen Fragen soll es kleine Fortschritte geben, ein Durchbruch gelang ihnen nicht. Die Verhandlungen wurden immerhin nicht abgebrochen, Montagabend wollen die beiden wieder telefonieren. Solange sollen die Unterhändler in Brüssel in kleinstem Kreis weitermachen.
Kein Schaukampf mehr
Spätestens bis zum Eu-gipfel am Donnerstag müsste ein Ergebnis vorliegen. Sonst steht eine große Beziehungskrise bevor. Ein bisschen Drama gehört dazu, aber das hier ist kein Schaukampf mehr, die Lage ist tatsächlich ernst, wie Eu-diplomaten einräumen: Von der Leyen muss nicht nur Johnson überzeugen, dem die Brexit-hardliner in London bereits heftig einheizen. Von der Leyen sitzt jetzt auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Nacken. Macron fürchtet zu große Zugeständnisse der EU – und zieht rote Linien.
Fast vier Jahre haben die Eu-staaten beim Brexit unerwartet geschlossen agiert, auf den letzten Metern aber gibt es Streit. Scheitert der Deal am Ende an der EU? Die Spannungen brachen offen auf, als von der Leyen Anfang vergangener Woche ihre Vize-kabinettschefin Stephanie Riso als Geheimwaffe zu den Gesprächen nach London schickte. Prompt brach in einigen Hauptstädten Unruhe aus – vor allem Frankreich und Belgien, aber auch die Niederlande und Dänemark fürchten, Riso werde zu große Zugeständnisse machen.
Es kursiert bereits ein Plan B – wenn ein Abkommen nicht mehr bis 31. Dezember zum Ende der Übergangsperiode in Kraft treten kann, sollen die Verhandlungen nach kurzer Pause trotzdem weitergehen. Den Vertrag würde es dann eben erst im Frühjahr geben, zwischendurch könnten Absprachen provisorisch angewendet werden – oder es gäbe eben ein paar Wochen Chaos.