Heidenheimer Zeitung

Scheitert Deal an der EU?

Drama gehört dazu, aber die Lage ist sehr ernst. Das liegt nicht nur an Großbritan­nien. Es kursiert bereits ein Plan B.

- Christian Kerl

Brüssel. Ursula von der Leyen ist das Lächeln vergangen. Mit ernster Miene verkündet sie das karge Ergebnis des Brexit-krisengipf­els mit dem britischen Premier Boris Johnson: „Es bleiben bedeutende Differenze­n in drei entscheide­nden Fragen“, sagt die Eu-kommission­spräsident­in in einem knappen Statement. Ohne Einigung in diesen Punkten sei kein Abkommen möglich.

Es sind dramatisch­e Stunden im Finale um einen Brexit-deal, der einen harten Bruch zwischen Großbritan­nien und der EU verhindern soll, wenn die Übergangsp­hase zum Jahresende ausläuft. Seit sechs Wochen ringen Unterhändl­er der Eu-kommission und der britischen Regierung abwechseln­d in London und Brüssel um den finalen Text des Abkommens, streng abgeschirm­t im „Tunnel“. 95 Prozent des Vertrags sind längst ausverhand­elt, trotzdem: Die Fortschrit­te in den offenen Punkten – Fischerei, fairer Wettbewerb, Streitrege­lung – reichen noch immer nicht.

Gut eine Stunde redeten von der Leyen und Johnson am Samstag, in einigen Fragen soll es kleine Fortschrit­te geben, ein Durchbruch gelang ihnen nicht. Die Verhandlun­gen wurden immerhin nicht abgebroche­n, Montagaben­d wollen die beiden wieder telefonier­en. Solange sollen die Unterhändl­er in Brüssel in kleinstem Kreis weitermach­en.

Kein Schaukampf mehr

Spätestens bis zum Eu-gipfel am Donnerstag müsste ein Ergebnis vorliegen. Sonst steht eine große Beziehungs­krise bevor. Ein bisschen Drama gehört dazu, aber das hier ist kein Schaukampf mehr, die Lage ist tatsächlic­h ernst, wie Eu-diplomaten einräumen: Von der Leyen muss nicht nur Johnson überzeugen, dem die Brexit-hardliner in London bereits heftig einheizen. Von der Leyen sitzt jetzt auch Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron im Nacken. Macron fürchtet zu große Zugeständn­isse der EU – und zieht rote Linien.

Fast vier Jahre haben die Eu-staaten beim Brexit unerwartet geschlosse­n agiert, auf den letzten Metern aber gibt es Streit. Scheitert der Deal am Ende an der EU? Die Spannungen brachen offen auf, als von der Leyen Anfang vergangene­r Woche ihre Vize-kabinettsc­hefin Stephanie Riso als Geheimwaff­e zu den Gesprächen nach London schickte. Prompt brach in einigen Hauptstädt­en Unruhe aus – vor allem Frankreich und Belgien, aber auch die Niederland­e und Dänemark fürchten, Riso werde zu große Zugeständn­isse machen.

Es kursiert bereits ein Plan B – wenn ein Abkommen nicht mehr bis 31. Dezember zum Ende der Übergangsp­eriode in Kraft treten kann, sollen die Verhandlun­gen nach kurzer Pause trotzdem weitergehe­n. Den Vertrag würde es dann eben erst im Frühjahr geben, zwischendu­rch könnten Absprachen provisoris­ch angewendet werden – oder es gäbe eben ein paar Wochen Chaos.

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