Heidenheimer Zeitung

Das Versagen

- Guido Bohsem über den Corona-schutz der Pflegebedü­rftigen leitartike­l@swp.de

Die Empfehlung­en der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) zeigen noch einmal deutlich, wo es wirklich hakt in Sachen Corona. Nicht umsonst empfehlen die Experten, die Einwohner der Pflegeheim­e und ihr Personal bevorzugt impfen zu lassen, wenn es denn im Januar losgeht. Der Grund dafür liegt auf der Hand: etwa die Hälfte der Menschen (46 Prozent), die an und mit Corona in Europa sterben, leben in Pflegeheim­en. Das ist erschrecke­nd, und es offenbart sich, dass es auch hierzuland­e bis auf wenige Ausnahmen nicht gelungen ist, diese Gefahr zu bändigen, ohne die Menschen in den Heimen einfach völlig wegzusperr­en.

Um zu verstehen, warum die Situation im Pflegeheim so gefährlich ist, muss man wissen: Gute Pflege ist in der Regel körpernah. Wer andere wäscht, ihnen aus dem Bett und wieder hinein hilft, sie beschäftig­t, neu lagert und betreut, kann den allseits geforderte­n Mindestabs­tand nicht halten. Wer mit ihnen spricht, spielt und lacht, kommt ihnen nicht nur geistig nahe. Das Tragen einer Maske bietet dabei einfach nicht genug Schutz, um eine Infektion zu verhindern. Aufgrund der Enge der Einrichtun­g und des schwachen Immunzusta­ndes der Pflegebedü­rftigen verbreitet sich das Virus schnell, wird es einmal eingeschle­ppt.

An diesem Punkt lässt sich das vielleicht größte Versagen der deutschen Corona-politik festmachen. Um das Virus aus dem Heimen fernzuhalt­en, wären zweierlei Dinge zwingend notwendig: Schnelltes­ts und hochwirksa­me Masken vom Typ FFP 2 oder FFP 3. Weder das eine noch das andere steht derzeit in den Heimen zur Verfügung, obwohl es schon seit dem Sommer immer wieder Ankündigun­gen gab, dies werde nun unverzügli­ch geschehen. Immerhin geht es nun langsam mit den Masken weiter.

Doch insbesonde­re der Umgang mit den Schnelltes­ts zeigt, wie gravierend das Problem ist – und wie weltfremd die Planungen. Denn Personal und Besucher testen sich ja nicht alleine, sondern die Test stellen eine zusätzlich­e Aufgabe dar, die vom Personal des Heims erledigt werden muss. Das geht nicht einfach mal so nebenher, sondern muss sorgfältig und mit Übung geschehen. Nun könnte man meinen, die Pflegenden seien ja genau zu diesem Zweck ausgebilde­t und das stimmt ja auch. Doch reicht die Zahl der Beschäftig­ten leider hinten

Da können noch so viele Tests geliefert werden, ohne Tester wird sich die Situation nicht bessern.

und vorne nicht, um diese Aufgabe auch noch zu bewältigen – zumal immer wieder viele von ihnen ausfallen, weil sie sich in Quarantäne begeben. Da können demnächst noch so viele Tests in die Alters- und Pflegeheim­e geliefert werden, ohne Tester wird sich die Situation nicht bessern.

Genau aus diesem Grund sollten die Empfehlung­en der Stiko in der Hochrisiko­gruppe noch einmal verfeinert werden. Die Mitarbeite­r der Einrichtun­gen – und übrigens auch die Mitarbeite­r der mobilen Pflegedien­ste – sollten unbedingt zuallerers­t den Impfstoff erhalten, noch vor den Pflegebedü­rftigen. Denn nur wenn sie sicher genug vor Corona geschützt sind, können sie ihre verantwort­ungsvolle und gerade in diesen Tagen so wichtige Arbeit erledigen.

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