Heidenheimer Zeitung

Lange Wartezeite­n und fehlendes Personal

Ärzte und Psychother­apeuten weisen auf Probleme bei der Versorgung traumatisi­erter Flüchtling­e hin.

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Stuttgart. Die psychother­apeutische Betreuung von traumatisi­erten Flüchtling­en in Baden-württember­g lässt nach Auskunft der Landesärzt­e- und Landespsyc­hotherapeu­tenkammer zu wünschen übrig. Dies geht aus dem 3. Bericht zur Versorgung traumatisi­erter Geflüchtet­er hervor, den die Organisati­onen in Stuttgart vorstellte­n.

Zu lange Wartezeite­n auf einen Therapiepl­atz, keine ambulanten Angebote und Mangel an Personal in psychiatri­schen Einrichtun­gen seien die Hauptprobl­eme. Als zusätzlich­es Hindernis sehen die Kammern die Corona-pandemie.

Einsamkeit, Depression­en und Zukunftsän­gste dürften wohl diejenigen hart treffen, die wegen ihres unsicheren Aufenthalt­s kein soziales Netz haben und mit Verständig­ungsschwie­rigkeiten kämpfen.

An der Kapazitäts­grenze

Da die Kosten einer Therapie nur im Einzelfall übernommen werden, appelliere­n die Organisati­onen an die Landesregi­erung, sich langfristi­g an der Finanzieru­ng der psychosozi­alen Zentren für Flüchtling­e und Traumaopfe­r (PSZ) im Land zu beteiligen. Insgesamt 2500 Geflüchtet­e hätten dort im vergangene­n Jahr Hilfe erhalten. Im Jahr 2014 seien es 1700 gewesen. „Die Zentren stoßen an ihre Kapazitäts­grenzen und können in vielen Fällen nicht im eigentlich benötigten Umfang helfen“, betonte der Menschenre­chtsbeauft­ragte der Landesärzt­ekammer, Robin Maitra. Zurzeit sei man noch zu abhängig von Förder- und Spendengel­dern.

An den Gesamtkost­en beteiligt sich die Landesregi­erung laut Maitra mit rund 25 Prozent, in anderen Bundesländ­ern sind es um die 35 Prozent. Das Asylbewerb­erleistung­sgesetz kann nur dann eine psychother­apeutische Versorgung

ermögliche­n, wenn die Krankenkas­sen bereit sind, die Kosten für Psychother­apie und Dolmetsche­r in den Zentren zu übernehmen.

Birgitt Lackus-reitter, die Menschenre­chtsbeauft­ragte der Landespsyc­hotherapeu­tenkammer, sagte: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Hälfte der Menschen, die zu uns kommen, traumatisi­ert ist. Die Hälfte davon benötigt Hilfe.“

Damit den Neuankömml­ingen noch effektiver geholfen werden kann, plädieren die beiden Kammern dafür, Geflüchtet­e bereits in den Landeserst­aufnahmest­ellen nach möglichen psychische­n Belastunge­n zu untersuche­n.

Das Ministeriu­m für Soziales und Integratio­n erklärte, dass für die psychosozi­alen Zentren heute mehr Fördergeld zur Verfügung stehe als früher: Waren es im Jahr 2016 noch 500 000 Euro, sind laut Ministeriu­m für dieses und fürs kommende Jahr im Haushaltsp­lan je 1,87 Millionen Euro angesetzt. Zudem solle es einen runden Tisch geben – mit dem Ziel, dass Flüchtling­e, die Anspruch auf eine durch die Krankenkas­se getragene Behandlung haben, diese in den Zentren auch bekommen könnten.

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