Heidenheimer Zeitung

„So, die 20 Minuten sind rum“

Stoßlüften, Videokonfe­renen, Aha-regel und Lockdown: 2020 gibt es fast nur ein Thema. Wie Corona unser Reden verändert hat

- Von Gregor Tholl und Marco Krefting

Das Coronaviru­s ist 2020 das Gesprächst­hema schlechthi­n gewesen. Corona war das neue Wetter. Das heißt: Nein, natürlich nicht. Denn das Thema „Wetter“ist ja für seine Unverfängl­ichkeit bekannt – und Corona ist das keineswegs. Neben einzelnen Wörtern sind Millionen Menschen den immer wieder selben Sätzen ausgesetzt gewesen. Beispiele:

„Verantwort­ung tragen“Wortspiele wie dieses ermahnten im Kampf gegen die Pandemie und erinnerten etwa an die Maskenpfli­cht im Bus. „Clubs waren die ersten, die zugemacht haben, und werden wohl die letzten sein, die wieder aufmachen können.“So lautete die Ansage von vielen Clubbetrei­bern – und sie haben wohl Recht.

„Wie sind die aktuellen Zahlen?“

Das tägliche (mehrfache) Checken von Daten des Robert Koch-instituts oder der Johnshopki­ns-universitä­t gehörte für viele zum Alltag. „Dein Mikro ist aus!“, „Könnt ihr mich hören?“, „Du musst das Mikrofon

anmachen!“, „Du bist eingefrore­n“Typische Sätze aus Videokonfe­renzen mit Menschen im Homeoffice.

„Wir haben schon Schlimmere­s überstande­n.“Die ältere Generation hat noch den Weltkrieg im Nacken und verweigert­e sich dem Jammern. „Leon, setzt du bitte die Maske richtig auf?!“, „Doch! Auch über die Nase!“So ermahnten Lehrer ihre Schüler, wobei Leon natürlich auch Sophie, Marie, Charlotte, Max, Paul, Vivien oder Mohamed heißen kann.

„So, 20 Minuten sind wieder rum. Jacken anziehen, wir lüften.“Auch so ein Satz, mit dem Lehrer in Corona-zeiten ihre Schüler in Klassenräu­men quälen mussten.

„Homeschool­ing nervt.“Nicht nur Schüler, sondern auch viele Eltern fluchten über den Unterricht daheim.

„Hast du deine Maske dabei?“Während sich um Portemonna­ie und Schlüsselb­und niemand anderes schert, avancierte diese Frage zum Standard beim Verlassen der eigenen vier Wände.

„Sind Sie das Ende der Schlange?“

Fast wie beim britischen Klischee übten sich Menschen im Anstehen. Bei deutlich größerem Abstand war aber manchmal unklar, wer vielleicht nur wartet. „Wir sind so froh, dass wir den Garten haben!“Ein Ausruf, der gerade im ersten Lockdown im Frühjahr öfter zu hören war. Statt in den Osterferie­n zu verreisen renovierte­n manche die Terrasse. „Hier in Deutschlan­d ist es ja auch ganz schön.“Überhaupt mussten Urlaubsplä­ne in diesem Jahr geändert

werden. Statt nach Mallorca und zur Türkei zog es viele an die Ostsee oder in die Alpen.

„Aber Urlaub muss sein.“Ganz aufs Verreisen zum Schutz vor einer Ansteckung wollten viele aber nicht verzichten. „Ich habe am meisten das Essengehen vermisst.“Auch so ein Satz, der mit den Lockerunge­n im Mai die Runde machte, als Restaurant­s wieder vor Ort Gäste bewirten durften. „Draußen ist es mit Corona ja nicht so ein Problem.“So brachten die Leute vor allem im Sommer ihre Erleichter­ung zum Ausdruck. „Ich kann ,Corona’ nicht mehr hören.“Mit der Zeit setzte bei manchen Überdruss ein. „Bleiben Sie gesund!“, „Bleiben Sie zuversicht­lich!“Solche Wünsche wurden zum neuen Standard für Grußformel­n.

„Wenn das alles vorbei ist . . .“Frei nach dem Motto „Die Hoffnung stirbt zuletzt“fingen mit der Zeit die ersten an, Pläne für 2021 zu machen.

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