„Olympia ist die größere Plattform“
Weitspringer Markus Rehm ist zum Para-sportler des Jahrzehnts in Deutschland gewählt worden. Jetzt visiert der 32-Jährige aus Reichenbach unterm Rechberg einen Doppelstart 2021 in Tokio an.
Markus Rehm ist der Para-sportler des Jahrzehnts, ermittelt mit Stimmen eines Expertengremiums und nach einer öffentlichen Wahl. Der in Göppingen geborene dreifache Paralympics-champion und Weitsprungweltrekordhalter mit 8,48 Metern hat wie so viele Sportlerinnen und Sportler eine extrem schwierige Saison hinter sich und konzentriert sich nun auf das Olympia-jahr 2021. In Tokio will der 32-jährige Schwabe an den Olympischen Spielen und den Paralympics teilnehmen und damit Sportgeschichte schreiben.
Welche Bedeutung hat die Auszeichnung „Para-sportler des Jahrzehnts“für Markus Rehm?
Markus Rehm:
Es ist eine Ehrung von hoher Bedeutung, denn die Entscheidung fiel durch eine Jury und das Publikum. Damit ist der Sieg ein anderer als sportliche Erfolge, für die man ganz allein verantwortlich ist.
Es ist ein Preis für zehn Jahre Sport auf höchstem Niveau, was geht Ihnen dabei durch den Kopf?
Unweigerlich lässt es die zehn Jahre Revue passieren. Es war sportlich mein Jahrzehnt, es gab viele, viele Erfolge zu feiern und ich blieb stets verletzungsfrei und war bei jedem Höhepunkt topfit. Das spricht auch für mein Team bei Bayer Leverkusen, das dahintersteht. In der Summe ist unglaublich viel passiert.
Mit Kugelstoß-weltrekordler Niko Kappel landete ein weiterer Schwabe bei der Wahl auf Rang drei. Kennen Sie ihn?
Klar, Niko kenne ich sehr gut, er hat mich gleich angerufen und gratuliert, uns eint ein echter Zusammenhalt. Er ist mit seiner Art und was er für unseren Sport tut, auch Gold wert, und ich habe ihm gesagt, er kann sich ja dann das nächste Jahrzehnt sichern.
Diese Wahl überdeckt nun ein Stück weit die vergangene, von Corona bestimmte Saison. Wie verlief das Sportjahr 2020 für Sie?
Natürlich bescheiden, es gab gerade mal zwei Wettkämpfe. Auslands-einladungen, wie etwa ein Start in Thailand, mussten gut überlegt werden und ich habe praktisch alles abgesagt.
Dabei bereiteten Sie sich eigentlich auf die Olympischen Spiele in Tokio vor. War die Verschiebung um ein Jahr ein Schock?
Ich war seit November 2019 in der Vorbereitung, aus einem Trainingslager mit sagenhaften Weiten in Südafrika wurden wir wegen des Lockdowns kurzfristig zurückgeholt. Ich war super drauf und dann stellte ein vierwöchiges Trainingsverbot alles in Frage.
Dann kam die Tokio-absage, im ersten Moment eine Riesenenttäuschung.
Wie haben Sie diese Phase denn überbrückt?
Ich musste mich in der Natur fithalten, was mit Prothese schwierig ist. Ich bin auf glatte Oberflächen angewiesen, meine Prothese reagiert auf jedes Steinchen und erfordert eine gewisse Kniebeugung, das macht mich technisch fast kaputt. Waldläufe machen letztlich keinen Sinn.
War es auch mental belastend?
Durchaus, du bist auf Kurs, hast deinen bis Ende 2019 halbtags ausgeübten Beruf nochmals deutlich reduziert, viel Zeit und Intensität ins Training investiert und kannst dann keine Resultate erzielen.
Gab es auf anderen Feldern einen akzeptablen Ausgleich?
Ich hatte auf einmal mehr freie Zeit als früher. Ich habe das Wandern mit Freunden in den Bergen genossen und öfter als sonst meine Familie in Reichenbach unterm Rechberg besucht.
Bleibt dann auch mehr Zeit, um an Ihrer Unterschenkel-prothese zu tüfteln?
Ich bin nicht derjenige, der viel an der Prothese bastelt, sondern nur ab und zu die Technik hinterfragt. Ein bewährtes Modell ist man gewohnt, auch die Erfahrung im Umgang mit der Prothese zählt. Ich bin allerdings aktuell dabei, eine Kleinigkeit zu verändern, werde dies aber Ende Januar aber zu schaffen sein müsste. Zudem muss ich mich mit den nationalen und internationalen Verbänden unterhalten und wohl bürokratische Wege bestreiten. Am Ende wäre es ein Traum, bei Olympia und den Paralympics am Start zu stehen.
Es war sportlich mein Jahrzehnt, es gab viele Erfolge zu feiern und ich blieb stets verletzungsfrei.
Wird es die Spiele im Jahr 2021 in Tokio überhaupt geben?
Davon gehe ich fest aus, das Ziel Tokio ist fest bei mir verankert, sonst hätte ich ein Motivationsproblem. Die Spiele werden irgendwie stattfinden, auch ohne Zuschauer, was bitter wäre. Für viele Athleten hängt viel zu viel an diesem Ereignis, aus meiner Sicht ist die Ausrichtung auch als Tv-event ein Muss.
Werden Sie denn aktuell regelmäßig auf Covid-19 getestet und werden Sie sich impfen lassen?
Im Moment werde ich nicht regelmäßig getestet, habe aber Tests hinter mir, weil es Fälle in der Trainingshalle gab. Ich war stets negativ, handle aber auch konsequent und streng. Beim Impfen gehe ich davon aus, dass wir Athleten uns impfen lassen müssen, wenn wir starten wollen – spätestens mit Blick auf Tokio. Die Frage muss dann jeder individuell beantworten, ich habe da großes Vertrauen in Wissenschaft und Medizin.
Wenn alles zusammenkommt, dann geht beim Weltrekord noch was, es müsste machbar sein.