Stabile Demokratie
Genau sechs Wochen nach den Us-wahlen ist es nun amtlich: Ab dem 20. Januar kommenden Jahres wird der amerikanische Präsident Joseph Robinette Biden heißen. Dass man mit der offiziellen Verkündung der Wachablösung in Washington warten musste, bis das Wahlmännergremium tagte und den Kandidaten die ihnen zustehenden Elektoren zuteilte, liegt einzig und allein an Donald Trump. Bis auf ihn kannte nämlich die ganze Welt schon am Samstag nach der Wahl, als genügend Briefwahlstimmen ausgezählt waren, um Bidens Erfolg zu zementieren, den Sieger.
Zu den Wirklichkeitsverweigerern zählen übrigens auch Trumps zahlreiche Handlanger und politische Verbündete. Privat hatten ihm zwar einige nahegelegt, das Handtuch zu werfen, die Niederlage einzugestehen und sich mit einem Quäntchen Würde aus der Affäre zu ziehen. Aus Angst davor, sich den Zorn jenes Mannes zuzuziehen, der auch nach seiner Amtszeit die republikanische Partei im Würgegriff halten wird, hatte aber kaum einer den Mut, Trump die Stirn zu bieten.
Nicht wahrhaben wollte Trump die Realität, weil ihm nichts so zuwider ist wie jenes Etikett des „Verlierers“, das ihm nun anhaftet. Das stünde in Widerspruch zu seinem grenzenlosen Narzissmus. Bei ihm geht es aber um mehr als gekränkte Eitelkeit. Nur der Präsident weiß genau, welche möglichen Straftaten er auf dem Gewissen hat. Dass die New Yorker Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen vorantreibt und den Privatbürger Trump ebenso wie einige Familienmitglieder anklagen könnte, flößt ihm deswegen große Furcht ein, weil Begnadigungen solche Delikte nicht erfassen würden. Umso härter klammerte er sich ans Amt.
So oder so wird Amerikas oberster Richter John Roberts mit der Vereidigung Bidens einen Schlussstrich ziehen unter ein trauriges Kapitel in der Us-geschichte. Die wichtigste Lehre aus den letzten vier Jahren: Der wahre Wahlsieger ist die amerikanische Demokratie, die bemerkenswerte Resistenz bewiesen hat gegenüber einem Mann mit autoritären Anwandlungen. Resistenz gegenüber einem Störenfried, der den Rechtsstaat mit Füßen trat, sich weigerte, dem Gesetz zu folgen, den Justizminister wie seinen privaten Anwalt behandelte, sich und seine Familie am Amt bereicherte. Und der schließlich versuchte, mit lächerlichen
Biden ist der richtige Mann, um die Nation zu einen. Mit ihm wird Politik wieder berechenbar.
Klagen das Ergebnis einer legitimen Wahl zu unterlaufen – in der Hoffnung, von ihm ernannte Richter würden ihm helfen.
Biden wird es nicht leicht haben, da ihm sein Vorgänger während der kommenden Wochen weitere Steine in den Weg legen wird. Doch er ist der richtige Mann, um die tief gespaltene Nation zu heilen und langsam wieder zusammenzuführen. Der ehemalige Vizepräsident ist der Prototyp jenes etablierten Karrierepolitikers, von denen das Land Abwechslung brauchte. Unter Biden wird die Politik wieder moderat und berechenbar, wohltuend langweilig, könnte man sagen. Die Nation kann nun aufatmen und bejubeln, dass ihre Demokratie stark genug war, um den politischen Hurrikan Trump zu überstehen.