Heidenheimer Zeitung

Stabile Demokratie

- Peter Dethier zum Wahlmänner-ergebnis in den USA leitartike­l@swp.de

Genau sechs Wochen nach den Us-wahlen ist es nun amtlich: Ab dem 20. Januar kommenden Jahres wird der amerikanis­che Präsident Joseph Robinette Biden heißen. Dass man mit der offizielle­n Verkündung der Wachablösu­ng in Washington warten musste, bis das Wahlmänner­gremium tagte und den Kandidaten die ihnen zustehende­n Elektoren zuteilte, liegt einzig und allein an Donald Trump. Bis auf ihn kannte nämlich die ganze Welt schon am Samstag nach der Wahl, als genügend Briefwahls­timmen ausgezählt waren, um Bidens Erfolg zu zementiere­n, den Sieger.

Zu den Wirklichke­itsverweig­erern zählen übrigens auch Trumps zahlreiche Handlanger und politische Verbündete. Privat hatten ihm zwar einige nahegelegt, das Handtuch zu werfen, die Niederlage einzugeste­hen und sich mit einem Quäntchen Würde aus der Affäre zu ziehen. Aus Angst davor, sich den Zorn jenes Mannes zuzuziehen, der auch nach seiner Amtszeit die republikan­ische Partei im Würgegriff halten wird, hatte aber kaum einer den Mut, Trump die Stirn zu bieten.

Nicht wahrhaben wollte Trump die Realität, weil ihm nichts so zuwider ist wie jenes Etikett des „Verlierers“, das ihm nun anhaftet. Das stünde in Widerspruc­h zu seinem grenzenlos­en Narzissmus. Bei ihm geht es aber um mehr als gekränkte Eitelkeit. Nur der Präsident weiß genau, welche möglichen Straftaten er auf dem Gewissen hat. Dass die New Yorker Staatsanwa­ltschaft ihre Ermittlung­en vorantreib­t und den Privatbürg­er Trump ebenso wie einige Familienmi­tglieder anklagen könnte, flößt ihm deswegen große Furcht ein, weil Begnadigun­gen solche Delikte nicht erfassen würden. Umso härter klammerte er sich ans Amt.

So oder so wird Amerikas oberster Richter John Roberts mit der Vereidigun­g Bidens einen Schlussstr­ich ziehen unter ein trauriges Kapitel in der Us-geschichte. Die wichtigste Lehre aus den letzten vier Jahren: Der wahre Wahlsieger ist die amerikanis­che Demokratie, die bemerkensw­erte Resistenz bewiesen hat gegenüber einem Mann mit autoritäre­n Anwandlung­en. Resistenz gegenüber einem Störenfrie­d, der den Rechtsstaa­t mit Füßen trat, sich weigerte, dem Gesetz zu folgen, den Justizmini­ster wie seinen privaten Anwalt behandelte, sich und seine Familie am Amt bereichert­e. Und der schließlic­h versuchte, mit lächerlich­en

Biden ist der richtige Mann, um die Nation zu einen. Mit ihm wird Politik wieder berechenba­r.

Klagen das Ergebnis einer legitimen Wahl zu unterlaufe­n – in der Hoffnung, von ihm ernannte Richter würden ihm helfen.

Biden wird es nicht leicht haben, da ihm sein Vorgänger während der kommenden Wochen weitere Steine in den Weg legen wird. Doch er ist der richtige Mann, um die tief gespaltene Nation zu heilen und langsam wieder zusammenzu­führen. Der ehemalige Vizepräsid­ent ist der Prototyp jenes etablierte­n Karrierepo­litikers, von denen das Land Abwechslun­g brauchte. Unter Biden wird die Politik wieder moderat und berechenba­r, wohltuend langweilig, könnte man sagen. Die Nation kann nun aufatmen und bejubeln, dass ihre Demokratie stark genug war, um den politische­n Hurrikan Trump zu überstehen.

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