Burgfrieden in Wolfsburg
Aufsichtsrat: Vorstandschef Herbert Diess macht weiter, bekommt aber keine vorzeitige Vertragsverlängerung.
Wolfsburg. In der „Festung Wolfsburg“ist die Schlacht geschlagen. Vw-konzernchef Herbert Diess soll weitermachen – im Streit über einen vorzeitigen neuen Vertrag ließ ihn der Aufsichtsrat aber abblitzen. Nach Wochen des Taktierens und der Geheimniskrämerei mussten die Kontrolleure des weltgrößten Autoherstellers kurz vor der Weihnachtspause eine weitere Sondersitzung einlegen, um das Thema zu entschärfen. Die potenzielle Sprengkraft war durchaus groß.
Mit seinem Wunsch, möglichst rasch eigene Kandidaten zur Neubesetzung von Vorstandsressorts durchzubringen, hatte Diess das oberste Gremium vor sich her getrieben. Dazu der Plan, mit dem
„Personaltableau“auch seine persönliche Zukunft bei VW zu verbinden, wie bestimmte Quellen streuten. Auf der anderen Seite, so hieß es, fühle er sich von den Arbeitnehmer-interessen ausgebremst.
Am Ende war es eine riskante Machtprobe. Dabei gibt es jenseits der Stilfragen inhaltlich eigentlich keinen Zweifel daran, dass Diess mit seinem entschlossenen Umsteuern zu E-mobilität und Digitalisierung weiter der passende Vw-chef ist. Nach dem Fast-rauswurf im Sommer – er hatte Aufsichtsratsmitgliedern wegen des Durchsickerns von Interna Straftaten vorgeworfen – stand er jedoch unter einer Art Bewährung.
Die Führung der Vw-kernmarke musste Diess an Ralf Brandstätter abgeben – offiziell, um sich mehr auf den Gesamtkonzern konzentrieren zu können. Der Kompromiss vom Montagabend gibt Diess formal die Rückendeckung, die er so offensiv einforderte. „Es ist für uns von entscheidender Bedeutung, dass Herbert Diess mit seinem neuen Vorstandsteam diese wichtige Phase des Volkswagen-konzerns weiter prägen wird“, ließ der Porsche/piëch-clan als größter Vw-eigentümer erklären. Die drei Kandidaten Arno Antlitz (Finanzen), Murat Aksel (Einkauf) und Thomas Schmall (Technik) sollen in die Konzernführung aufsteigen – erst von Februar/märz an hätte darüber beraten werden sollen. Zu einer frühzeitigen Festlegung auf Diess über April 2023 hinaus, wenn dessen laufender Vertrag endet, verloren die Aufseher indes kein Wort. Hinter den Kulissen heißt es weiterhin, die Frage stelle sich auch gar nicht – und habe sich entgegen Diess Absicht nie gestellt.
Branchenbeobachter halten die getroffene Sprachregelung für sinnvoll. „Ein Bundesliga-verein würde ja auch nicht ohne Not zweieinhalb Jahre vorher mit dem Trainer verlängern“, meint etwa der Autoanalyst Frank Schwope von der Nordlb. „Es ist ein Burgfrieden, bis zum nächsten Konflikt.“