Wirtschaft denkt um
Daimler spricht sich als erster Dax-konzern für ein Lieferkettengesetz aus. Vor einem Jahr war der Ton noch rauer.
Am heutigen Mittwoch soll im Bundeskabinett erneut über das Lieferkettengesetz gesprochen werden, mit dem deutsche Unternehmen dafür sorgen müssten, dass ihre Produkte nicht unter Verletzung von Menschenrechten im Ausland hergestellt werden. Der Riss geht mitten durchs Kabinett – und sogar durch CDU und CSU. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatten bereits vor Monaten Eckpunkte für ein Gesetz vorgelegt, das für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gelten soll. Zuvor hatte eine Befragung ergeben, dass nur 22 Prozent der Firmen sich freiwillig an Standards halten. Auf der anderen Seite steht Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der die ablehnenden Positionen der Wirtschaftsverbände BDA und BDI vertritt.
Jetzt hat sich mit Daimler der erste Dax-konzern aus der Deckung gewagt. Pünktlich zum Internationalen Tag der Menschenrechte begrüßten Daimler-vorstandsmitglied Renata Jungo Brüngger und Gesamtbetriebsratsvorsitzender Michael Brecht das Vorhaben der Bundesregierung. Die Regeln müssten jedoch für die Unternehmen umsetzbar sein und dürften nicht zu Nachteilen im internationalen Wettbewerb führen. „Wir übernehmen
Verantwortung für menschenrechtliche Sorgfalt auch in der tieferen Lieferkette, also über unsere direkten Lieferanten hinaus“, sagte eine Daimler-sprecherin.
Die weltweiten Lieferketten des Konzerns sind komplex – sie umfassen rund 60 000 direkte Lieferanten, die wiederum Unterlieferanten haben. Doch internetbasierte „Blockchain“-systeme helfen zunehmend dabei, den Überblick über die gesamte Lieferkette zu behalten – auch beim Thema Menschenrechte und Um
Ig-metall-vorstand
welt. Vor dem Autokonzern Daimler hatten bereits 73 deutsche Unternehmen mit zusammen insgesamt 184 Milliarden Euro Jahresumsatz dafür plädiert, dass mit einem Sorgfaltspflichten-gesetz in Deutschland der Weg für eine europäische Regelung bereitet wird. Darunter sind bekannte Fair-firmen wie Gepa und Armed Angels, aber auch Branchengrößen wie Rewe und Nestlé, Hapag-lloyd und Tchibo, Kik und Ritter Sport.
Vor einem Jahr war der Ton noch rauer. Mit so einem Gesetz stehe er „ja schon mit beiden Beinen im Gefängnis“, hatte der damalige Bda-präsident Ingo Kramer gesagt. Aktuell drängen die Wirtschaftsverbände auf gravierende Änderungen bei den ministeriellen Eckpunkten. So soll das Gesetz erst ab 5000 Mitarbeitern gelten – das wären laut DGB nur 280 Unternehmen. Auch eine zivilrechtliche Haftung lehnen BDI, BDA und DIHK ab.
Derweil verstärkt die größte deutsche Gewerkschaft, die IG Metall, ihren Druck auf die Bundesregierung: „Ein deutsches Lieferkettengesetz soll einer anspruchsvollen Eu-regelung den Weg ebnen. Das würde helfen, die Arbeitsbedingungen weltweit zu verbessern – nicht zuletzt die Rechte von Gewerkschaftern“, sagt Wolfgang Lemb vom IG Metall-vorstand. Bereits im September hatten die Betriebsratsvorsitzenden
von 56 großen Industrieunternehmen – von Airbus und Conti über BMW und VW bis Siemens und ZF – sich gemeinsam mit der IG Metall für gesetzliche Regelungen stark gemacht.
Mit Blick auf die Kabinettssitzung sagt Lemb: „Wenn Minister Altmaier seine Blockade nicht endlich beendet, müssen wir in Deutschland und entlang der Lieferketten den Druck verstärken.“Der Hinweis auf Belastungen durch die Corona-pandemie dürfe nicht als Vorwand missbraucht werden. „Die Möglichkeit, freiwillige Regelungen umzusetzen, gab es, diese wurden aber nicht genutzt. Jetzt ist es an der Zeit, die Verabredungen des Koalitionsvertrages umzusetzen.“
Wenn Minister Altmaier seine Blockade nicht beendet, müssen wir den Druck erhöhen. Wolfgang Lemb