Heidenheimer Zeitung

Es steht nur noch der Betrug im Raum

Im großen Prozess vor dem Stuttgarte­r Landgerich­t wurden die Verfahren wegen Urkundenfä­lschung und Bestechung gegen die übriggebli­ebenen Angeklagte­n eingestell­t.

- Von Andreas Uitz

Im Prozess gegen die früher Verantwort­lichen des Wundtherap­iezentrums werden heute die Plädoyers gehalten.

Wieder einmal kam es erst gegen Ende eines sehr langen Verhandlun­gstags vor der 13. Großen Strafkamme­r des Stuttgarte­r Landgerich­ts zu einer entscheide­nden Wendung. Eigentlich war für diesen Prozesstag vorgesehen, dass zumindest die Staatsanwa­ltschaft ihren Schlussvor­trag hält, denn nach Monaten des Verhandeln­s scheint die Sachlage nun einigermaß­en aufgeklärt zu sein.

Zu Beginn des Prozesses Anfang Juli hatte die Staatsanwa­ltschaft den insgesamt fünf Angeklagte­n gewerbs- und bandenmäßi­gen Betrug sowie Urkundenfä­lschung und Bestechung im Gesundheit­swesen vorgeworfe­n. Sie sollen durch gefälschte Rezepte Krankenkas­sen um rund zehn Millionen Euro betrogen haben.

Angeklagt waren der frühere Geschäftsf­ührer des Heidenheim­er Wundtherap­iezentrums (WTZ) sowie dessen Frau, die auch als Geschäftsf­ührerin und zudem als Gesellscha­fterin fungierte. Ebenfalls auf der Anklageban­k saßen die Tochter des Ehepaares, der Schwiegers­ohn und dessen Mutter. Im Laufe des langen Prozesses wurde das Verfahren gegen die Mutter des Schwiegers­ohnes eingestell­t und das Verfahren gegen dessen Frau wurde jüngst aus gesundheit­lichen Gründen abgetrennt.

Nur noch drei Angeklagte

So sitzen aktuell nur noch drei Personen auf der Anklageban­k. Und auch die Zahl der Vorwürfe hat sich mittlerwei­le reduziert. Denn auf einen Vorschlag des Gerichts hin hat die Staatsanwa­ltschaft bei der jüngsten Verhandlun­g beantragt, die Anklagepun­kte der Bestechung und der Urkundenfä­lschung nicht weiter zu verfolgen. Das Gericht hat diese Verfahren eingestell­t. Allerdings nicht deswegen, weil diese Vorwürfe nicht mehr im Raum stehen würden, sondern weil die für diese Straftaten möglicherw­eise zu verhängend­en Strafen im Verhältnis zu möglichen Strafen für Betrug verhältnis­mäßig gering ausfallen würden. Damit sehen sich die drei Angeklagte­n nur noch mit dem Vorwurf des Betrugs konfrontie­rt.

Komplexe Schadensbe­rechnung

Doch ob und in welchem Ausmaß der tatsächlic­h stattfand, ist noch offen. Allein die Schadensbe­rechnung ist höchst komplizier­t. Schon im Laufe des Verfahrens war die Staatsanwa­ltschaft von einem Gesamtscha­den von zehn Millionen Euro abgerückt. Beim jüngsten Verhandlun­gstag am Dienstag machte der Verteidige­r der Ehefrau des Hauptangek­lagten sogar eine Rechnung auf, derzufolge die Krankenkas­sen in manchen Fällen durch das Abrechnung­ssystem des WTZ sogar Geld gespart haben könnten, indem nicht die Produkte am Patienten verwendet wurden, die das Wundtherap­iezentrum abgerechne­t hat.

Haben die Kassen gespart?

Dieser Anwalt stellte auch den Antrag, das Verfahren komplett auszusetze­n und die Höhe des entstanden­en Schadens komplett neu berechnen zu lassen – anhand der während des Prozesses erlangten Erkenntnis­se. Aus denen geht unter anderem hervor, dass in vielen Fällen nicht die auf den Rezepten aufgeführt­en und auch abgerechne­ten Artikel bei den Patienten verwendet wurden, aber eben Substituti­onsprodukt­e mit den gleichen Wirkstoffe­n. Diesen

Antrag der Verteidigu­ng lehnte das Gericht jedoch ab.

Dennoch ist die Schadenshö­he auch in dem rechtliche­n Hinweis enthalten, den die Kammer gab. Demzufolge geht das Gericht nicht mehr davon aus, dass der Schaden zwischen 2015 und 2018 an die zehn Millionen Euro grenzt. Deshalb schlägt das Gericht eine Schadenssc­hätzung vor, die auf verschiede­nen Grundlagen beruht, wie etwa dem Einkaufspr­eis der Artikel mit Abschlägen und das maximal mögliche Abrechnung­svolumen. Der dabei errechnete Mindestsch­aden, den der frühere Geschäftsf­ührer und seine Frau verantwort­en müssten, liegt dem Vorsitzend­en Richter Dr. Frank Maurer zufolge bei 4,8 Millionen Euro, dem Schwiegers­ohn wird ein Schaden in Höhe von 3,8 Millionen Euro zugerechne­t. „Mir ist klar, dass das alles ganz unterschie­dlich gewürdigt werden kann, wir haben das schon vor Längerem mal gerechnet unter dem Vorbehalt der Einstellun­g des Verfahrens“, so Maurer.

Plädoyers am Donnerstag

Der von der Kammer verfasste rechtliche Hinweis und die Einstellun­g der Verfahren wegen Urkundenfä­lschung und Bestechung sollen dazu beitragen, das Verfahren, das sich seit beinahe einem halben Jahr hinzieht, abzukürzen. Und wie es derzeit aussieht, steht der Prozess auch tatsächlic­h vor einem Abschluss. Für den nächsten Verhandlun­gstag am heutigen Donnerstag sind sowohl die Plädoyers der Staatsanwa­ltschaft als auch die der Verteidige­r geplant. Richter Maurer signalisie­rt außerdem, dass auch noch mit einem Urteil in diesem langwierig­en und komplizier­ten Prozess gerechnet werden kann.

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Foto: Andreas Uitz Vor dem Stuttgarte­r Landgerich­t wird der Betrugspro­zess verhandelt.

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