Es steht nur noch der Betrug im Raum
Im großen Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht wurden die Verfahren wegen Urkundenfälschung und Bestechung gegen die übriggebliebenen Angeklagten eingestellt.
Im Prozess gegen die früher Verantwortlichen des Wundtherapiezentrums werden heute die Plädoyers gehalten.
Wieder einmal kam es erst gegen Ende eines sehr langen Verhandlungstags vor der 13. Großen Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts zu einer entscheidenden Wendung. Eigentlich war für diesen Prozesstag vorgesehen, dass zumindest die Staatsanwaltschaft ihren Schlussvortrag hält, denn nach Monaten des Verhandelns scheint die Sachlage nun einigermaßen aufgeklärt zu sein.
Zu Beginn des Prozesses Anfang Juli hatte die Staatsanwaltschaft den insgesamt fünf Angeklagten gewerbs- und bandenmäßigen Betrug sowie Urkundenfälschung und Bestechung im Gesundheitswesen vorgeworfen. Sie sollen durch gefälschte Rezepte Krankenkassen um rund zehn Millionen Euro betrogen haben.
Angeklagt waren der frühere Geschäftsführer des Heidenheimer Wundtherapiezentrums (WTZ) sowie dessen Frau, die auch als Geschäftsführerin und zudem als Gesellschafterin fungierte. Ebenfalls auf der Anklagebank saßen die Tochter des Ehepaares, der Schwiegersohn und dessen Mutter. Im Laufe des langen Prozesses wurde das Verfahren gegen die Mutter des Schwiegersohnes eingestellt und das Verfahren gegen dessen Frau wurde jüngst aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt.
Nur noch drei Angeklagte
So sitzen aktuell nur noch drei Personen auf der Anklagebank. Und auch die Zahl der Vorwürfe hat sich mittlerweile reduziert. Denn auf einen Vorschlag des Gerichts hin hat die Staatsanwaltschaft bei der jüngsten Verhandlung beantragt, die Anklagepunkte der Bestechung und der Urkundenfälschung nicht weiter zu verfolgen. Das Gericht hat diese Verfahren eingestellt. Allerdings nicht deswegen, weil diese Vorwürfe nicht mehr im Raum stehen würden, sondern weil die für diese Straftaten möglicherweise zu verhängenden Strafen im Verhältnis zu möglichen Strafen für Betrug verhältnismäßig gering ausfallen würden. Damit sehen sich die drei Angeklagten nur noch mit dem Vorwurf des Betrugs konfrontiert.
Komplexe Schadensberechnung
Doch ob und in welchem Ausmaß der tatsächlich stattfand, ist noch offen. Allein die Schadensberechnung ist höchst kompliziert. Schon im Laufe des Verfahrens war die Staatsanwaltschaft von einem Gesamtschaden von zehn Millionen Euro abgerückt. Beim jüngsten Verhandlungstag am Dienstag machte der Verteidiger der Ehefrau des Hauptangeklagten sogar eine Rechnung auf, derzufolge die Krankenkassen in manchen Fällen durch das Abrechnungssystem des WTZ sogar Geld gespart haben könnten, indem nicht die Produkte am Patienten verwendet wurden, die das Wundtherapiezentrum abgerechnet hat.
Haben die Kassen gespart?
Dieser Anwalt stellte auch den Antrag, das Verfahren komplett auszusetzen und die Höhe des entstandenen Schadens komplett neu berechnen zu lassen – anhand der während des Prozesses erlangten Erkenntnisse. Aus denen geht unter anderem hervor, dass in vielen Fällen nicht die auf den Rezepten aufgeführten und auch abgerechneten Artikel bei den Patienten verwendet wurden, aber eben Substitutionsprodukte mit den gleichen Wirkstoffen. Diesen
Antrag der Verteidigung lehnte das Gericht jedoch ab.
Dennoch ist die Schadenshöhe auch in dem rechtlichen Hinweis enthalten, den die Kammer gab. Demzufolge geht das Gericht nicht mehr davon aus, dass der Schaden zwischen 2015 und 2018 an die zehn Millionen Euro grenzt. Deshalb schlägt das Gericht eine Schadensschätzung vor, die auf verschiedenen Grundlagen beruht, wie etwa dem Einkaufspreis der Artikel mit Abschlägen und das maximal mögliche Abrechnungsvolumen. Der dabei errechnete Mindestschaden, den der frühere Geschäftsführer und seine Frau verantworten müssten, liegt dem Vorsitzenden Richter Dr. Frank Maurer zufolge bei 4,8 Millionen Euro, dem Schwiegersohn wird ein Schaden in Höhe von 3,8 Millionen Euro zugerechnet. „Mir ist klar, dass das alles ganz unterschiedlich gewürdigt werden kann, wir haben das schon vor Längerem mal gerechnet unter dem Vorbehalt der Einstellung des Verfahrens“, so Maurer.
Plädoyers am Donnerstag
Der von der Kammer verfasste rechtliche Hinweis und die Einstellung der Verfahren wegen Urkundenfälschung und Bestechung sollen dazu beitragen, das Verfahren, das sich seit beinahe einem halben Jahr hinzieht, abzukürzen. Und wie es derzeit aussieht, steht der Prozess auch tatsächlich vor einem Abschluss. Für den nächsten Verhandlungstag am heutigen Donnerstag sind sowohl die Plädoyers der Staatsanwaltschaft als auch die der Verteidiger geplant. Richter Maurer signalisiert außerdem, dass auch noch mit einem Urteil in diesem langwierigen und komplizierten Prozess gerechnet werden kann.