Heidenheimer Zeitung

Bundeswehr erhält keine Kampfdrohn­en

SPD setzt Entscheidu­ng aus und verärgert Verteidigu­ngsministe­rin.

- Von Hajo Zenker und Ellen Hasenkamp

Berlin. Die Spd-fraktion hat die eigentlich fällige Entscheidu­ng über bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr auf Eis gelegt – und damit Unruhe in der Koalition ausgelöst. Es werde in dieser Legislatur keinen Beschluss mehr geben, teilte Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Carsten Schneider mit. Aus Protest dagegen legte der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der Spd-fraktion,

Fritz Felgentreu, sein Amt nieder. Nach Angaben des Spd-außenpolit­ikers Nils Schmid gab es in der Fraktion „sehr starke, massiv vorgetrage­ne Vorbehalte“gegen den Einsatz bewaffnete­r Drohnen. Die Entwicklun­g hatte sich bereits abgezeichn­et, nachdem SPD-CHEF Norbert Walter-borjans mehr Zeit für eine ausführlic­he Debatte gefordert hatte.

Das Cdu-geführte Verteidigu­ngsministe­rium reagierte scharf: Es verbreitet­e ein Zitat von Ministerin Annegret Kramp-karrenbaue­r (CDU), die zur ausbleiben­den Bewaffnung erklärt hatte: „Damit setzen wir fahrlässig das Leben der Soldatinne­n und Soldaten aufs Spiel und ich möchte das ändern.“Die FDP wittert in der Ablehnung eine Anbiederun­g an die Linksparte­i. „Der Rücktritt von Fritz Felgentreu belegt den scharfen Linksruck in der Verteidigu­ngspolitik der SPD“, erklärte FDPCHEF Christian Lindner. SPD und Union hatten im Koalitions­vertrag eine Entscheidu­ng in der Frage nach einer ausführlic­hen Debatte vereinbart. Der Beschluss war schon 2017 verschoben worden.

Immer mehr Tote, immer vollere Krankenhäu­ser – die aktuellen Zahlen illustrier­en, weshalb das Land seit Mittwoch herunterge­fahren wird.

Wie ist die Lage? Dramatisch. Fast 1000 Corona-tote innerhalb eines Tages gab es noch nie. Auch wenn dieser Negativ-rekord etwas dadurch relativier­t wird, dass es wegen einer Panne zu einer Nachmeldun­g aus Sachsen kam, sind 952 neue Todesfälle extrem viel. Am Dienstag hatte die Zahl bei 500 gelegen und auch ohne die fehlenden sächsische­n Daten den dritthöchs­ten Wert erreicht. Die Gesamtzahl der an oder mit Corona Gestorbene­n stieg laut Robert-koch-institut (RKI) auf 23 427. Zudem wurden 27 728 Neuinfekti­onen verzeichne­t, deutlich mehr als vor einer Woche (20 815), nicht weit weg vom Höchstwert 29 875 vom Freitag.

Was heißt das für die Kliniken? Die werden immer voller. Laut der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (DIVI) liegen 4836 Covid-19-patienten auf Intensivst­ationen, davon müssen 2760 beatmet werden – ein Höchststan­d. Vor einem Monat hatten die Zahlen 3436 (1971) gelautet. Das führt dazu, dass viele Intensivst­ationen kaum noch leere Betten haben. Bundesweit gesehen sind laut Gesundheit­sministeri­um 17 Prozent frei. In Berlin ist die Lage besonders dramatisch. Hier sind laut DIVI nur 9,2 Prozent nicht belegt. Das mit viel Tamtam errichtete Behandlung­szentrum mit 488 Betten auf dem

Messegelän­de kann da wenig helfen. Das ist nur für die Behandlung von Patienten mit leichten Covid-verläufen konzipiert und öffnet erst, wenn alle Kliniken komplett belegt sind. Nicht viel besser als in Berlin sieht es in Bremen (9,8 Prozent), Sachsen (10,7) und Hessen (11,8) aus.

Kann noch jeder Covid-patient bestmöglic­h behandelt werden?

Daran mehren sich die Zweifel. Eine Klinik in Zittau räumte jetzt ein, wegen fehlender Beatmungsg­eräte mehrmals entschiede­n zu haben, welcher Patient die eigentlich nötige Beatmung tatsächlic­h erhält und welcher nicht. Das Verfahren nennt sich Triage. Das Wort stammt aus dem Französisc­hen und bedeutet „sortieren“. Entwickelt wurde die Triage für das Militär – wenn im Krieg schwerste Verwundung­en zu behandeln sind, muss man angesichts beschränkt­er Ressourcen brutal entscheide­n: Bei wem macht die Behandlung den meisten Sinn? In Zittau hieß es, man versuche stets, den Patienten, für den es keine Versorgung gibt, in eine andere Klinik zu verlegen. Das gelinge aber nicht immer. Dagegen sagte Georg Baum, Hauptgesch­äftsführer der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft (DKG), dieser Zeitung, im stark von Corona betroffene­n Sachsen seien Verlegunge­n schon seit zwei Wochen üblich und funktionie­rten „bislang problemlos“auf regionaler Ebene. Zudem gebe es vereinzelt Verlegunge­n über Ländergren­zen hinweg, so aus Sachsen nach Sachsen-anhalt. Für Saarlands Ministerpr­äsidenten Tobias Hans (CDU) steht das Gesundheit­ssystem trotzdem „ernsthaft kurz vor der Überlastun­g“.

Kann denn die Bundeswehr nicht stärker helfen?

Das von der Bundeswehr eingericht­ete zentrale Lager für die Aufbewahru­ng und Verteilung des Impfstoffs ist nach Angaben des zuständige­n Generalleu­tnants Martin Schelleis betriebsbe­reit. Man sei darüber hinaus darauf vorbereite­t, 26 stationäre Impfzentre­n mit eigenen Ärzten und Sanitätern zu betreiben, die zusammen 18 000 Impfungen täglich leisten könnten. Zusätzlich gäbe es im Bedarfsfal­l 13 mobile Impfteams für den Einsatz in Heimen. Rund 100 Soldaten seien als „helfende Hände“für die Vorbereitu­ng der Impfkampag­ne im Einsatz. 7100 Männer und Frauen sind in Sachen Corona aktiv; zumeist in Gesundheit­sämtern. Zusätzlich­e Ärzte und Sanitäter über diese Angebote hinaus hat aber auch die Bundeswehr nicht mehr zu vergeben.

In Sachsen musste erstmals entschiede­n werden, welcher Patient beatmet wird.

Wann wird es besser? Nicht so schnell. Schließlic­h ist laut Rki-präsident Lothar Wieler die Lage „so ernst wie noch nie“. Auch Dkg-hauptgesch­äftsführer Georg Baum rechnet selbst „bei einem erfolgreic­hen Lockdown noch mit steigenden Fallzahlen in den Krankenhäu­sern bis weit in den Januar hinein“.

Wie lange dauert das Impfen? An oder kurz nach Weihnachte­n könnte es losgehen – nach Vorstellun­g von Eu-kommission­schefin Ursula von der Leyen mit einem gemeinsame­n Start in der gesamten EU. Die Zulassung der Arzneimitt­elbehörde für den Impfstoff von Biontech wird am 21. Dezember erwartet. Bis das breit wirkt, wird es laut Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) dauern. Im ersten Schritt könnten um die 200 000 Menschen in Deutschlan­d geimpft werden. Erst ab dem Sommer werde es genug Impfstoff geben. Dann müssten sich aber auch 55 bis 65 Prozent der Bevölkerun­g impfen lassen, um das Virus zu stoppen. Angesichts vieler Impfskepti­ker muss man das aber auch erst einmal wirklich erreichen.

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Foto: Fabian Strauch/dpa Die Intensivst­ationen füllen sich mit Corona-patienten.

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