„Das ist kaum auszuhalten“
Für Christen sind die neuen Missbrauchsund Vertuschungsvorwürfe kaum zu ertragen. Das sagt Gudrun Lux (36), Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken.
Frau Lux, Sie engagieren sich in der katholischen Kirche. Wie bewerten Sie die Vertuschungsvorwürfe gegenüber Kardinal Woelki?
Gudrun Lux:
Ehrlich gesagt, das ist nur einer von vielen Vorfällen, die gerade bekannt werden. Und ich bezweifle, dass Köln da eine herausgehobene Position hat. Doch wenn man intransparent agiert, nachdem man ausführlich erklärt hat, dass man transparent agieren will, wirft das Fragen auf. Mir scheint, dass in Köln mehr juristische Spitzfindigkeiten im Fokus stehen als ein konsequenter Wille zur Aufklärung.
Lassen sich junge Menschen überhaupt noch positiv auf die Kirche ansprechen?
Ich kenne sogar noch junge Leute, die sich in der Kirche engagieren. Doch die fürchterlichen Berichte aus Speyer, wo in einem Kinderheim der Niederbronner Schwestern Nonnen Kinder sexuellen Gewalttätern zugeführt haben sollen, sind grauenvoll. Wir kennen auch aus Oberammergau Berichte über Quälereien genau in dieser Gemeinschaft. Das ist für Christinnen und Christen schwer auszuhalten. Da fragen sich viele, die noch in der Kirche sind: Will ich noch dabei bleiben und mache ich mich möglicherweise mitschuldig?
Haben die neuen Vorfälle Ihr Kirchenbild erschüttert?
Die Berichte aus Speyer haben mich schon erschüttert. Das verlogene Geschwurbel mancher Kirchenverantwortlicher kann ich nicht mehr hören. Ich fürchte, dass nicht nur in der Kirchenhierarchie, sondern auch unter Laien noch viele eine falsche Perspektive haben. Der Schutz der Institution und die Solidarität mit den „Hirten“sind viel stärker verinnerlicht als die Solidarität mit den Opfern. Diese sind anstrengend. Es sind oft gebrochene, schwer traumatisierte Menschen. Sie konfrontieren uns. An Weihnachten ist es leichter, zum Kind in der Krippe zu schauen, als auf Kinder, die gequält wurden. Doch den Blick auf das Schmerzliche müssen wir aushalten.
Ist das System Kirche reformierbar?
Noch bin ich Teil dieser Kirche und das bedeutet, dass ich noch einen Funken Hoffnung habe. Denn ich kenne natürlich auch viele in der Kirche, die Gutes tun. Doch dieses System will ich gar nicht reformieren. Ich will die Kirche und die Botschaft retten und weitertragen. Das gelingt nur, wenn wir das jetzige klerikale System mit seinen Männerbünden zerstören.