Verrückt nach Internet
Junge Menschen nutzen Online-spiele und Messenger-apps immer exzessiver. Mädchen zeigen ein ausgeprägteres Suchtverhalten.
Katzenbilder, Games und soziale Netzwerke: Im digitalen Vergnügungstempel geht das Angebot nie aus. Apps wie Youtube, Instagram oder Tiktok sind dazu programmiert, einen unendlichen Strom aus maßgeschneiderten Unterhaltungsinhalten zu servieren. Online-spiele fesseln mit nie aufhörenden Levels oder Funktionen, die entweder erspielt oder zur Not monetär freigeschaltet werden können. Whatsapp, Telegram und Snapchat sichern konstanten Austausch. Jede neue Plattform lässt den Sog des Internets gewaltiger werden. Vor allem Jüngere können sich immer weniger entziehen.
Einen ganzen Tag pro Woche verbringen Teenager und junge Erwachsene im Internet – wer weiblich ist, vor allem um zu kommunizieren, wer männlich und jugendlich ist, am liebsten zum Spielen am Computer oder Handy. Das geht aus einer aktuellen Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) zur Internetnutzung junger Menschen hervor. Die 23 bis 24 Stunden, die 12- bis 25-Jährige im Internet verbringen, dienten ausschließlich dem digitalen Austausch
und der Zerstreuung, erläutern die Autoren. Im Vergleich zu Erhebungen aus den Vorjahren zeigen die Daten einen deutlichen Anstieg. 35 Prozent der Jugendlichen spielen jeden Tag Computerspiele, 2015 waren es noch zwölf Prozent weniger. Bei den jungen Erwachsenen sind die Gamer um sechs Prozent auf 21,8 Prozent angestiegen. Das hängt zum Teil auch mit einem verbesserten Zugang zum Internet zusammen: Mittlerweile besitzen 93 Prozent der 12- bis 19-Jährigen ein Smartphone und zwei Drittel einen eigenen Computer.
Mehr Jugendliche sind süchtig
Die konstante digitale Zerstreuung hat Folgen: 8,4 Prozent der
Jugendlichen hätten mittlerweile ein Suchtverhalten entwickelt, mehr als doppelt so viele wie 2011. Bei den jungen Erwachsenen ist die Zahl auf 5,5 Prozent angestiegen. Mädchen sind mit 10 Prozent häufiger als Jungen betroffen, von denen 7 Prozent eine Sucht entwickeln.
Digitale Abhängigkeit schlägt sich vielfältig nieder. So fällt es vielen schwer, Maß zu halten und die Zeit im Internet zu reduzieren. Auch beobachteten die Teilnehmer Entzugssymptome wie Gereiztheit, wenn sie nicht online sind oder eine gehobene Stimmung, wenn beispielsweise wieder am Computer gespielt werde. Hobbys oder Interessen aus der analogen Welt gerieten in Vergessenheit,
weil ihre Gedanken immer wieder um die Verlockungen der Online-welt kreisen würden.
Die Daten der Studie stammen aus dem Jahr 2019. Die Auswirkungen der Corona-pandemie auf das Nutzungsverhalten sind noch nicht erkennbar. Die Drogenbeauftragte des Bundes, Daniela Ludwig (CSU), warnt: „Medienund Internetabhängigkeit ist quasi die Droge der Zukunft.“Gerade in Corona-zeiten müssten junge Menschen wissen, wann sie offline sein sollten. Sie verweist auf die Kampagne „Familie.freunde.follower.“, die bei moderatem Surfen unterstützen soll.
Ein Leben ohne Internet, wo ein Großteil des sozialen Miteinanders stattfindet, ist gerade für junge Menschen nicht vorstellbar. Das berücksichtigt auch Heidrun Thaiss, Leiterin der BZGA: „Nicht jeder Hinweis auf eine exzessive Mediennutzung sollte pathologisiert werden.“Doch zeige die jüngste Studie, dass es wichtig sei, Jugendlichen die Risiken der exzessiven Nutzung von Internet, Smartphones und Computerspielen aufzuzeigen. Damit adressiert Thaiss auch die Erwachsenen, die sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein sollten.