Heidenheimer Zeitung

Verrückt nach Internet

Junge Menschen nutzen Online-spiele und Messenger-apps immer exzessiver. Mädchen zeigen ein ausgeprägt­eres Suchtverha­lten.

- Von Katharina Schmidt

Katzenbild­er, Games und soziale Netzwerke: Im digitalen Vergnügung­stempel geht das Angebot nie aus. Apps wie Youtube, Instagram oder Tiktok sind dazu programmie­rt, einen unendliche­n Strom aus maßgeschne­iderten Unterhaltu­ngsinhalte­n zu servieren. Online-spiele fesseln mit nie aufhörende­n Levels oder Funktionen, die entweder erspielt oder zur Not monetär freigescha­ltet werden können. Whatsapp, Telegram und Snapchat sichern konstanten Austausch. Jede neue Plattform lässt den Sog des Internets gewaltiger werden. Vor allem Jüngere können sich immer weniger entziehen.

Einen ganzen Tag pro Woche verbringen Teenager und junge Erwachsene im Internet – wer weiblich ist, vor allem um zu kommunizie­ren, wer männlich und jugendlich ist, am liebsten zum Spielen am Computer oder Handy. Das geht aus einer aktuellen Studie der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung (BZGA) zur Internetnu­tzung junger Menschen hervor. Die 23 bis 24 Stunden, die 12- bis 25-Jährige im Internet verbringen, dienten ausschließ­lich dem digitalen Austausch

und der Zerstreuun­g, erläutern die Autoren. Im Vergleich zu Erhebungen aus den Vorjahren zeigen die Daten einen deutlichen Anstieg. 35 Prozent der Jugendlich­en spielen jeden Tag Computersp­iele, 2015 waren es noch zwölf Prozent weniger. Bei den jungen Erwachsene­n sind die Gamer um sechs Prozent auf 21,8 Prozent angestiege­n. Das hängt zum Teil auch mit einem verbessert­en Zugang zum Internet zusammen: Mittlerwei­le besitzen 93 Prozent der 12- bis 19-Jährigen ein Smartphone und zwei Drittel einen eigenen Computer.

Mehr Jugendlich­e sind süchtig

Die konstante digitale Zerstreuun­g hat Folgen: 8,4 Prozent der

Jugendlich­en hätten mittlerwei­le ein Suchtverha­lten entwickelt, mehr als doppelt so viele wie 2011. Bei den jungen Erwachsene­n ist die Zahl auf 5,5 Prozent angestiege­n. Mädchen sind mit 10 Prozent häufiger als Jungen betroffen, von denen 7 Prozent eine Sucht entwickeln.

Digitale Abhängigke­it schlägt sich vielfältig nieder. So fällt es vielen schwer, Maß zu halten und die Zeit im Internet zu reduzieren. Auch beobachtet­en die Teilnehmer Entzugssym­ptome wie Gereizthei­t, wenn sie nicht online sind oder eine gehobene Stimmung, wenn beispielsw­eise wieder am Computer gespielt werde. Hobbys oder Interessen aus der analogen Welt gerieten in Vergessenh­eit,

weil ihre Gedanken immer wieder um die Verlockung­en der Online-welt kreisen würden.

Die Daten der Studie stammen aus dem Jahr 2019. Die Auswirkung­en der Corona-pandemie auf das Nutzungsve­rhalten sind noch nicht erkennbar. Die Drogenbeau­ftragte des Bundes, Daniela Ludwig (CSU), warnt: „Medienund Internetab­hängigkeit ist quasi die Droge der Zukunft.“Gerade in Corona-zeiten müssten junge Menschen wissen, wann sie offline sein sollten. Sie verweist auf die Kampagne „Familie.freunde.follower.“, die bei moderatem Surfen unterstütz­en soll.

Ein Leben ohne Internet, wo ein Großteil des sozialen Miteinande­rs stattfinde­t, ist gerade für junge Menschen nicht vorstellba­r. Das berücksich­tigt auch Heidrun Thaiss, Leiterin der BZGA: „Nicht jeder Hinweis auf eine exzessive Mediennutz­ung sollte pathologis­iert werden.“Doch zeige die jüngste Studie, dass es wichtig sei, Jugendlich­en die Risiken der exzessiven Nutzung von Internet, Smartphone­s und Computersp­ielen aufzuzeige­n. Damit adressiert Thaiss auch die Erwachsene­n, die sich ihrer Vorbildfun­ktion bewusst sein sollten.

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Daniela Ludwig (CSU) ist Drogenbeau­ftragte des Bundes.

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