„Von Energie hatte ich eigentlich keine Ahnung“
Anselma Wörner aus Heidenheim möchte mit ihrem in der Schweiz gegründeten Technologie-start-up die Energiewende vorantreiben.
Für Anselma Wörner geht ein „verrücktes“, weil ereignisreiches Jahr zu Ende. Zu Beginn war die gebürtige Heidenheimerin noch Doktorandin, nun hat die 28-Jährige nicht nur ihren Doktortitel in der Tasche, sondern ist auch Mitgründerin eines vielversprechenden technologischen Start-ups und auf der aktuellen Forbesliste der „30 unter 30“in der Region Deutschland, Österreich und Schweiz gelandet. Mit einer Platzierung auf dieser Liste ehrt das Wirtschaftsmagazin Forbes junge Pioniere in unterschiedlichen Bereichen. Wie kam es zu dieser steilen Karriere?
Lange konnte sich Anselma Wörner nicht entscheiden, was sie nach ihrem Abitur am Hellenstein-gymnasium studieren sollte. Etwas Technisches, BWL oder lieber Sprachen? Sie wusste jedoch früh, dass sie in eine größere Stadt ziehen wollte. „Ich habe dann Wirtschaftsingenieurwesen gewählt, da es ein sehr breit angelegter Studiengang ist“, erklärt Anselma Wörner. Dann blieb da noch die Frage: an welcher Universität? Als sie die Liste auf Mannheim und Karlsruhe eingrenzte, gaben ihr unter anderem das Wetter und der Verkehr eine Entscheidungshilfe. „In Mannheim habe ich zunächst keinen Parkplatz gefunden und dann auch noch einen Strafzettel bekommen. Bei meinem Besuch in Karlsruhe hat die Sonne geschienen und auf dem Uni-campus habe ich direkt alles gefunden“, so Wörner lachend.
Praktika in Software-firmen
Während ihres Studiums in Karlsruhe hat sie Praktika in verschiedenen Software-unternehmen absolviert wie SAP oder IBM, was ihr Interesse für Datenanalysen weckte. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, am Karlsruher Institute of Technology (KIT) auch ihren Doktor zu machen. „Doch ich hatte den Drang, noch mal etwas anderes zu sehen.“
So bewarb sie sich an der Eidgenössischen Technischen Hochschule, kurz ETH, in Zürich. „Da es sich um eine tolle Hochschule handelt, die zudem in einer schönen Stadt liegt, umgeben von Bergen und einem See, habe ich mich sehr gefreut, die Stelle am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik ergattert zu haben.“Durch Zufall wurde sie dem „Bits to Energy Lab“zugeteilt, einem Forschungslabor der ETH, und einem Team, das sich mit der Digitalisierung im Energiemarkt beschäftigt. „Dabei hatte ich von Energie eigentlich gar keine Ahnung.“Doch Wörner war schnell Feuer und
Flamme für das Forschungsthema, bei dem es darum ging, wie man Datenanalysen nutzen kann, um Ressourcen wie Energie oder Wasser zu schonen, und wie man Menschen diese Informationen zugänglich machen kann. „Ein sinnvoller Anwendungsfall, da er zur Nachhaltigkeit in der Gesellschaft beiträgt. Viel sinnvoller als viele andere Anwendungen für Datenanalysen“, so Wörner.
Aus Projekt wurde Start-up
Auf dieser Grundlage haben sie ein großes Forschungsprojekt gemacht und in der Schweiz einen Strommarkt entwickelt, in dem Haushalte ihren eigens produzierten Solarstrom von Dach zu Dach verkaufen können. „Dies hat so gut funktioniert, dass wir darauf basierend im Juli das Start-up Exnaton gegründet haben und schon die ersten Kunden in der Schweiz und in Österreich gewinnen konnten. Wir arbeiten hauptsächlich mit Energieunternehmen und Immobilienfirmen zusammen.“
„Wir“das sind: Liliane Ableitner, Arne Meeuw und Anselma Wörner, die als Letzte ins Forschungsteam gekommen ist. Seit
September arbeitet Wörner wie ihre Kollegen Vollzeit in der Firma, zuvor war sie parallel mit ihrer Doktorarbeit beschäftigt. Die Heidenheimerin kümmert sich darum, neue Kunden an Land zu ziehen und Teile der Software zu programmieren. Das Ziel: Den Kundenstamm auf andere Euländer ausdehnen und somit die Energiewende vorantreiben. „Unsere Vision ist es, eines Tages in einer neuen Energie-welt zu leben, in der Daten mehr dazu genutzt werden, um Energieressourcen effizienter zu nutzen.“
Ziel: technologischer Vorreiter
Bei ihren Wünschen blickt Wörner auch über den Tellerrand hinaus: „Europa, insbesondere Deutschland, war seither führend in traditionellen Wirtschaftssektoren wie der Automobilindustrie und im Maschinenbau. Im Softwarebereich liegen wir jedoch etwas abgeschlagen hinter den USA und teilweise auch Asien. Jetzt sollten wir die Chance ergreifen und technologische Möglichkeiten entwickeln, um bei gesellschaftlich relevanten Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit und Gesundheit Vorreiter zu werden.“
Ein persönlicher, lang gehegter Wunsch der 28-Jährigen ging bereits Anfang des Jahres in Erfüllung. Wörner reiste in den Usbundesstaat Kalifornien, um einen mehrmonatigen Forschungsaufenthalt an der Stanford University wahrzunehmen. „Während der Promotion an eine der Topunis der Welt gehen zu können, hat mich sehr glücklich gemacht.“Die Corona-pandemie zwang sie allerdings, sechs Wochen früher als geplant zurückzukehren. Gerade noch rechtzeitig. Ende März habe sie noch einen der letzten Linien-direktflüge nach Frankfurt bekommen. Bis auf die anderen Passagiere dieses Fluges soll der Flughafen in San Francisco leer gewesen sein. Doch der Coronalockdown hatte für Wörner auch eine positive Seite: „So konnte ich mich schon auf meine Doktorarbeit konzentrieren, ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen.“
Auch wenn Wörner sich in absehbarer Zukunft nicht nach Heidenheim zurückziehen sieht: An Weihnachten stattet sie ihrer Heimat und ihrer Familie einen Besuch ab. „Das genieße ich jedes Mal sehr.“