Heidenheimer Zeitung

Höchststra­fe für Halle-attentäter

Das Gericht sieht in dem Rechtsextr­emen eine Gefahr für die Gesellscha­ft.

- Andreas Förster

Magdeburg. Der rechtsextr­eme Attentäter von Halle ist vom Oberlandes­gericht Naumburg zur höchstmögl­ichen Strafe verurteilt worden. Der 28-Jährige soll lebenslang in Haft mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung. Die Richter sprachen ihn in Magdeburg des zweifachen Mordes und des versuchten Mordes in weiteren zahlreiche­n Fällen schuldig und stellten außerdem die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlas­sung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlo­ssen. „Das war eine abscheulic­he, menschenve­rachtende Tat“, sagte die Vorsitzend­e Richterin Ursula Mertens in der mehrstündi­gen Urteilsbeg­ründung.

Am 9. Oktober 2019 hatte der heute 28-jährige Deutsche Stephan

B. versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichte­n. Er warf Brand- und Sprengsätz­e und schoss auf die Zugangstür, gelangte aber nicht auf das Gelände. Vor der Synagoge ermordete er dann die 40 Jahre alte Passantin Jana L. und in einem nahe gelegenen Döner-imbiss den 20-jährigen Kevin S.

Auf der anschließe­nden Flucht verletzte er weitere Menschen.

Nach Ansicht des Gerichts ist der Attentäter gefährlich für die Menschheit. Die Gesellscha­ft müsse vor ihm geschützt werden, deswegen habe das Gericht neben lebenslang­er Haft auch Sicherungs­verwahrung angeordnet, sagte Mertens.

Magdeburg. Es war eine jämmerlich­e Aktion, mit der sich Stephan B. wohl endgültig aus der Öffentlich­keit verabschie­dete. Die Vorsitzend­e Richterin Ursula Mertens hatte gerade ihre Urteilsbeg­ründung abgeschlos­sen und den letzten Verhandlun­gstag im Prozess gegen den Attentäter von Halle mit guten Wünschen für das bevorstehe­nde Weihnachts­fest beendet. Da sprang der Angeklagte auf und schleudert­e wortlos einen zu einer Rolle geformten Schnellhef­ter auf die ihm gegenüber sitzenden Nebenkläge­r. Sofort griffen die hinter ihm stehenden Wachleute ein, überwältig­ten ihn und führten ihn aus dem Saal.

Wollte der Angeklagte damit noch einmal einen Eklat provoziere­n, dann ging dieses Vorhaben gründlich daneben. Was Richterin Mertens zu verdanken ist, die in den zweieinhal­b Stunden zuvor den 28-jährigen B. nicht nur zu einer lebenslang­en Haftstrafe mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung verurteilt hatte, sondern ihm in ihrer Urteilsbeg­ründung auch sein gescheiter­tes Leben schonungsl­os vor Augen geführt hatte: „Sie sind ein Menschenfe­ind.“

Auftritte, Benehmen und Namen des Attentäter­s mag man am liebsten vergessen wollen, seine Taten aber nicht: Den Mord an der 40-jährigen Jana L. nicht, die am 9. Oktober vergangene­n Jahres zufällig die Humboldtst­raße entlanggin­g, wo der Attentäter an der verschloss­enen Tür zur Synagoge verzweifel­te und vor lauter Frust der Frau in den Rücken schoss. Den Mord an dem 20-jährigen Kevin S. nicht, der sich in einem Döner-imbiss hinter einem

Kühlschran­k versteckte und um sein Leben flehte, bevor ihn B. mit mehreren Schüssen tötete. Und natürlich auch nicht die Bedrohung der 51 Juden in der Synagoge, die der Täter erschießen wollte, so viele wie möglich, wie er im Gerichtssa­al noch einmal sagte.

Schwer zu ertragen

Sie habe in den 13 Jahren als Richterin in der Großen Strafkamme­r am Landgerich­t Halle viele schlimme und schwer zu ertragende Momente erlebt, sagte Mertens. „Aber dieses Verfahren stellt alles in den Schatten.“

Der Angeklagte habe an jenem 9. Oktober als jemand, der vorher nie straffälli­g geworden sei, in nur eineinvier­tel Stunden gravierend­e Straftaten begangen: Morde, versuchte Morde, schwere Körperverl­etzungen, schwere räuberisch­e Erpressung – alle sind auf dem selbst gefilmten Tatvideo zu sehen, sagte sie. „Hier vor Gericht haben Sie nicht einmal einen Ansatz von Reue oder Einsicht gezeigt, aber mehrmals gesagt, dass Sie den Kampf fortsetzen wollen“, zeigte sich die Richterin fassungslo­s.

Selbst auf die Frage einer Nebenkläge­rin, ob er in der Synagoge auch Kinder erschossen hätte, wären dort welche gewesen, habe er mit Ja geantworte­t. „Sie sind für die Menschheit gefährlich, für Bürger jeder Religion oder Herkunft“, sagte Richterin Mertens. Deshalb sei eine Sicherungs­verwahrung unumgängli­ch. „Denn eine lange Freiheitss­trafe allein wird nicht dazu führen, Sie auf den richtigen Weg zu bringen.“

 ?? Foto: Ronny Hartmann/afp/ dpa ?? Der Angeklagte Stephan B. wird von Justizpers­onal in den Saal des Landgerich­ts begleitet. Für den Anschlag in Halle bekam er lebenslang.
Foto: Ronny Hartmann/afp/ dpa Der Angeklagte Stephan B. wird von Justizpers­onal in den Saal des Landgerich­ts begleitet. Für den Anschlag in Halle bekam er lebenslang.

Newspapers in German

Newspapers from Germany