Höchststrafe für Halle-attentäter
Das Gericht sieht in dem Rechtsextremen eine Gefahr für die Gesellschaft.
Magdeburg. Der rechtsextreme Attentäter von Halle ist vom Oberlandesgericht Naumburg zur höchstmöglichen Strafe verurteilt worden. Der 28-Jährige soll lebenslang in Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Die Richter sprachen ihn in Magdeburg des zweifachen Mordes und des versuchten Mordes in weiteren zahlreichen Fällen schuldig und stellten außerdem die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen. „Das war eine abscheuliche, menschenverachtende Tat“, sagte die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens in der mehrstündigen Urteilsbegründung.
Am 9. Oktober 2019 hatte der heute 28-jährige Deutsche Stephan
B. versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Er warf Brand- und Sprengsätze und schoss auf die Zugangstür, gelangte aber nicht auf das Gelände. Vor der Synagoge ermordete er dann die 40 Jahre alte Passantin Jana L. und in einem nahe gelegenen Döner-imbiss den 20-jährigen Kevin S.
Auf der anschließenden Flucht verletzte er weitere Menschen.
Nach Ansicht des Gerichts ist der Attentäter gefährlich für die Menschheit. Die Gesellschaft müsse vor ihm geschützt werden, deswegen habe das Gericht neben lebenslanger Haft auch Sicherungsverwahrung angeordnet, sagte Mertens.
Magdeburg. Es war eine jämmerliche Aktion, mit der sich Stephan B. wohl endgültig aus der Öffentlichkeit verabschiedete. Die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens hatte gerade ihre Urteilsbegründung abgeschlossen und den letzten Verhandlungstag im Prozess gegen den Attentäter von Halle mit guten Wünschen für das bevorstehende Weihnachtsfest beendet. Da sprang der Angeklagte auf und schleuderte wortlos einen zu einer Rolle geformten Schnellhefter auf die ihm gegenüber sitzenden Nebenkläger. Sofort griffen die hinter ihm stehenden Wachleute ein, überwältigten ihn und führten ihn aus dem Saal.
Wollte der Angeklagte damit noch einmal einen Eklat provozieren, dann ging dieses Vorhaben gründlich daneben. Was Richterin Mertens zu verdanken ist, die in den zweieinhalb Stunden zuvor den 28-jährigen B. nicht nur zu einer lebenslangen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt hatte, sondern ihm in ihrer Urteilsbegründung auch sein gescheitertes Leben schonungslos vor Augen geführt hatte: „Sie sind ein Menschenfeind.“
Auftritte, Benehmen und Namen des Attentäters mag man am liebsten vergessen wollen, seine Taten aber nicht: Den Mord an der 40-jährigen Jana L. nicht, die am 9. Oktober vergangenen Jahres zufällig die Humboldtstraße entlangging, wo der Attentäter an der verschlossenen Tür zur Synagoge verzweifelte und vor lauter Frust der Frau in den Rücken schoss. Den Mord an dem 20-jährigen Kevin S. nicht, der sich in einem Döner-imbiss hinter einem
Kühlschrank versteckte und um sein Leben flehte, bevor ihn B. mit mehreren Schüssen tötete. Und natürlich auch nicht die Bedrohung der 51 Juden in der Synagoge, die der Täter erschießen wollte, so viele wie möglich, wie er im Gerichtssaal noch einmal sagte.
Schwer zu ertragen
Sie habe in den 13 Jahren als Richterin in der Großen Strafkammer am Landgericht Halle viele schlimme und schwer zu ertragende Momente erlebt, sagte Mertens. „Aber dieses Verfahren stellt alles in den Schatten.“
Der Angeklagte habe an jenem 9. Oktober als jemand, der vorher nie straffällig geworden sei, in nur eineinviertel Stunden gravierende Straftaten begangen: Morde, versuchte Morde, schwere Körperverletzungen, schwere räuberische Erpressung – alle sind auf dem selbst gefilmten Tatvideo zu sehen, sagte sie. „Hier vor Gericht haben Sie nicht einmal einen Ansatz von Reue oder Einsicht gezeigt, aber mehrmals gesagt, dass Sie den Kampf fortsetzen wollen“, zeigte sich die Richterin fassungslos.
Selbst auf die Frage einer Nebenklägerin, ob er in der Synagoge auch Kinder erschossen hätte, wären dort welche gewesen, habe er mit Ja geantwortet. „Sie sind für die Menschheit gefährlich, für Bürger jeder Religion oder Herkunft“, sagte Richterin Mertens. Deshalb sei eine Sicherungsverwahrung unumgänglich. „Denn eine lange Freiheitsstrafe allein wird nicht dazu führen, Sie auf den richtigen Weg zu bringen.“