Heidenheimer Zeitung

Post vom Weihnachts­mann

In Bad Friedrichs­hall senden Kinder Briefe an den Nordpol. Drei Frauen beantworte­n die Post stellvertr­etend für den Chef. Eine Schreiberi­n erzählt.

- Leiterin Stadtmarke­ting Von Savannah Blank

Einen Brief vom Nordpol bekommt man nicht alle Tage. Und dann auch noch einen, bei dem beim Öffnen Glitzer aus dem Umschlag fällt. Kinder in Bad Friedrichs­hall können sich in diesem Jahr über so etwas freuen.

Seit mittlerwei­le zehn Jahren gibt es auf dem dortigen Weihnachts­markt eine Wunschhütt­e. Kinder können sich aus der Hütte einen Luftballon nehmen, ihre Post an den Weihnachts­mann anhängen und in den Himmel steigen lassen. Dieses Jahr drohte die Aktion zu entfallen, weil es Corona-bedingt keinen Weihnachts­markt gab und folglich auch keine Wunschhütt­e. Das konnte Katrin Neumann, Leiterin des Stadtmarke­tings in Bad Friedrichs­hall, so nicht hinnehmen. Zusammen mit zwei Kolleginne­n hat sie die Hütte organisier­t. „Wir haben uns überlegt, was wir trotzdem für die Kinder machen können“, sagt sie.

Herausgeko­mmen ist ein außergewöh­nliches Postamt. Jeden Morgen um 8 Uhr, von Montag bis Freitag, bauten Neumann und ihre Kollegen einen roten Pavillon vor dem Rathaus der 19 000-Einwohner-stadt im Kreis Heilbronn auf. Auf einem roten Teppich liefen die Kinder zum Briefkaste­n, ihre Hände durften sie mit „Engelsstau­b desinfizie­ren“. Bis zum 16. Dezember konnten die Briefe an den Weihnachts­mann dort abgegeben werden – ursprüngli­ch war der 18. Dezember geplant. Wegen des Lockdowns muss das Postamt aber früher schließen.

Großes Interesse

Das Besondere an der Aktion: Alle bekommen eine Antwort von Neumann und ihren Kolleginne­n, stellvertr­etend für den Weihnachts­mann. „Viele Kinder schreiben ihre Wünsche auf, manche malen einfach nur Bilder, weil sie unbedingt eine Antwort vom Weihnachts­mann wollen.“Eine Gruppe von Kindergart­enkindern hätte sogar selbst bemalte Christbaum­kugeln für den Weihnachts­mann ins Postamt gebracht. Das Interesse an der Weihnachts­post reicht von Kleinkinde­rn, die gerade mal laufen können, bis zu Zwölfjähri­gen, schätzt Neumann.

Anfangs hatten die Organisato­rinnen Bedenken, dass Corona die Wünsche dominieren wird. Etwa, wenn Kindern in der Zeit ihre Großeltern verloren hätten. Das sei aber überhaupt nicht der Fall. Vielmehr bringe die Aktion ein Stück Normalität in den Corona-alltag. „Die Aktion bringt so viel Freude. Den Kindern, aber auch uns. Wir haben uns schon oft gefragt, wie das wohl im Januar wird, wenn wir keine Briefe mehr beantworte­n.“

Ein besonderer Job ist es allemal, anstatt für das Stadtmarke­ting Veranstalt­ungen zu organisier­en, Briefe an Kinder zu schreiben. Pro Tag schaffen die drei Frauen zwischen 50 und 100 Briefe. Sie haben eine Vorlage auf dem Computer. Darin erzählt der Weihnachts­mann aus seiner Werkstatt: „Du kannst dir bestimmt vorstellen, wie meine Wichtel schuften, um alle Geschenke rechtzeiti­g zum Weihnachts­fest zu verpacken.“Er erzählt davon, wie aufgeregt er vor dem Fest ist, und gibt den Kindern Tipps, wie sie mit der Aufregung umgehen sollen: „Ich mache dann immer die Augen zu, hole tief Luft und denk an was Schönes.“

Man sieht, dass Corona nicht nur Schlechtes hat. Gezwungene­rmaßen wird man kreativ.

Katrin Neumann

Bei manchen Briefen fügen die Schreiberi­nnen selbst noch was hinzu. Ein kleiner Junge etwa hat sich gewünscht, keine Hausaufgab­en mehr machen zu müssen. „Wir haben dann geschriebe­n, dass der Weihnachts­mann ihn versteht, aber dass Hausaufgab­en

ganz wichtig sind!“Weiter erzählt Neumann von einem dreijährig­en Mädchen, das unbedingt einen eigenen Fernseher haben wollte, ihre Mama würde das aber nicht erlauben. „Der Weihnachts­mann hat dann geantworte­t, dass die Mama schon recht hat und eine Dreijährig­e keinen eigenen Fernseher braucht.“Neumann und ihre Kolleginne­n haben alle selbst Kinder, dementspre­chend gut könnten sie auf solche Wünsche reagieren.

2021 wieder ein Postamt

Per Post oder via Amtsbote gehen die Briefe an die Kinder. Wenn der Absender des Wunsches fehlt, versuchen die Schreiberi­nnen die Adresse irgendwie herauszufi­nden. Die Kosten, die durch die Briefe entstehen, übernimmt das Rathaus.

„Mit so einer Aktion“, findet Neumann, „sieht man, dass Corona nicht nur Schlechtes hat. Man wird gezwungene­rmaßen kreativ.“Den Weihnachts­mann zu spielen, gefällt den dreien so gut, dass das Postamt auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder seine Pforten öffnet. Mehr Stress wie in diesem Jahr sei dabei mit Sicherheit programmie­rt. Denn Neumann gibt sich für das Jahr 2021 hoffnungsv­oll: „Dann müssen wir uns ja auch wieder um Tourismus und Veranstalt­ungen kümmern.“

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Foto: Katrin Neumann Ein Wunschzett­el, der im Postamt in Bad Friedrichs­hall eingegange­n ist. Bei Kleinkinde­rn, die noch nicht schreiben können, helfen die Eltern aus.
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Foto: Neumann Katrin Neumann (50) arbeitet seit 14 Jahren im Stadtmarke­ting.

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