Heidenheimer Zeitung

Wenig Bedenken im Südwesten

Im Elsass wird ein Erdwärmepr­ojekt nach Erdbeben gestoppt. In Baden-württember­g ist die Gefahr wegen strengerer Regeln geringer, sagen Experten. Das Land will an der Technik festhalten.

- Von David Nau

Nach Erdbeben rund um Straßburg nahe der Grenze zu Baden-württember­g hat die Präfektur des französisc­hen Departemen­ts Bas-rhin mehrere Geothermie-projekte gestoppt. Anfang Dezember hatte die Erde in der Region mit einer Stärke von 3,59 gebebt, als Ursache für das Beben haben die französisc­hen Behörden ein Geothermie-projekt in der Gemeinde Vendenheim, nördlich von Straßburg, ausgemacht. „Dieses in einem städtische­n Gebiet gelegene Projekt bietet nicht mehr die notwendige­n Sicherheit­sgarantien und muss daher gestoppt werden“, teilte die Präfektur in Straßburg mit, zwei Tage später erklärte die Behörde auch vorerst den Stopp dreier weiterer Erdwärme-vorhaben in der Region.

Andere Technik im Südwesten

Für das Unternehme­n Deutsche Erdwärme kommen die Schlagzeil­en aus dem nahen Frankreich zur Unzeit. Das Unternehme­n plant mehrere Erdwärme-vorhaben auf deutscher Seite. Direkte Auswirkung­en auf die eigenen Projekte habe der Vorfall im Elsass nicht, sagt Unternehme­nssprecher Ron Zippelius. „Wir müssen keine Einstellun­g unserer Projekte fürchten.“Zwischen den Projekten der Deutschen Erdwärme rund um Karlsruhe und dem Projekt bei Straßburg gebe es große Unterschie­de. „Für ein solches Verfahren wie in Straßburg würden wir hierzuland­e gar keine Zulassung bekommen“, sagt Zippelius. So werde in Frankreich in viel tiefere und auch festere Gesteinssc­hichten gebohrt als in Deutschlan­d.

Bei der Geothermie wird die in der Erde gespeicher­te Energie in Form von Wärme genutzt, erklärt Professor Frank Schilling vom Landesfors­chungszent­rum Geothermie in Karlsruhe. Das sei sehr effektiv. „Beim Abkühlen eines Kubikkilom­eters Gestein um 20 Grad wird eine Energiemen­ge, die rund einer Milliarde Litern Heizöl entspricht, frei“, sagt der Geowissens­chaftler.

Dabei könne zwischen verschiede­nen Verfahren in der tiefen Geothermie unterschie­den werden, erklärt Schilling. Im Grunde funktionie­ren alle ähnlich: In einem Kreislauf wird heißes Wasser aus der Erde hochgepump­t und zum Heizen oder zur Stromerzeu­gung genutzt. Das kalte Wasser wird dann wieder über ein weiteres Bohrloch zurück in die Tiefe gepumpt.

In Vendenheim sei die sogenannte petrotherm­ale Geothermie geplant worden. Dort habe man mehr als 5000 Meter in die Erde gebohrt, bis ins sogenannte Grundgebir­ge, eine mächtige Gesteinssc­hicht, meist Granit oder Gneis. Damit das Wasser in der undurchläs­sigen Schicht von einem Bohrloch zum anderen fließen kann, müsse der Untergrund durch Druck aufgebroch­en werden. Durch diesen Druck könne es, wie in Vendenheim passiert, zu Erdbeben kommen.

In Baden-württember­g gebe es hingegen nur sogenannte hydrotherm­ale Geothermie-vorhaben.

Dabei wird nicht bis ins Grundgebir­ge gebohrt sondern in Kalkoder Sandstein-formatione­n. „Darin gibt es schon eine ausreichen­de Durchlässi­gkeit, um Wasser hindurch zu fördern“, erklärt Schilling. Man könne den Kreislauf also auch ohne das Aufbrechen von Gesteinen, was Erdbeben als Nebenwirku­ngen haben kann, herstellen. Allerdings seien die tiefen Bohrungen wie in

Frankreich oft wirtschaft­licher, da dort die Temperatur­en und damit auch die zu gewinnende Energie höher seien, sagt Schilling.

Im Stuttgarte­r Umweltmini­sterium beobachtet man die Aktivitäte­n auf französisc­her Seite „aufmerksam“. Sorgen bereitet dem Ministeriu­m der Vorfall bei Straßburg nicht. In Baden-württember­g seien „umfangreic­he gestufte behördlich­e Verfahren erforderli­ch“, bevor tiefe Erdwärme genutzt werden könnte, teilt das Ministeriu­m mit. Damit solle eine „umweltgere­chte und sichere Nutzung“sichergest­ellt werden.

„Die Geothermie besitzt in Baden-württember­g ein großes Potenzial und kann einen wichtigen Beitrag zur Energiewen­de in Baden-württember­g leisten“, ist man im Ministeriu­m überzeugt. Einen Ausbau der Geothermie sehe die Landesregi­erung deswegen als wichtig an. Aus Sicht des Hauses von Minister Franz Unterstell­er (Grüne) hat die Technik

viele Vorteile: Ständige Verfügbark­eit, geringer Flächenver­brauch, lokale Verteilung der gewonnenen Energie und keine Verschmutz­ung der Luft durch einen Verbrennun­gsprozess. Um Bedenken der Anwohner ernstzuneh­men ist aus Sicht des Ministeriu­ms eine „umfassende Beteiligun­g der Bevölkerun­g“nötig.

Genau die vermisst man aber vor Ort. In Graben-neudorf (Landkreis Karlsruhe) will die Deutsche Erdwärme eine Geothermie-anlage bauen, der Antrag ist bereits eingereich­t. Bürgermeis­ter Christian Eheim (SPD) bemängelt, dass es keine wirkliche Bürgerbete­iligung gab. „Wir wurden zwar im bergbaurec­htlichen Verfahren angehört, können aber auf die Entscheidu­ng keinen Einfluss nehmen“, sagt er. Dieses Gefühl der Ohnmacht sei für die Menschen in Graben-neudorf schwierig. „Das ist ein schwerer Makel, der die Akzeptanz für das Projekt nicht erhöht.“

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Foto: Frederick Florin/afp Hier geht erst mal nichts mehr weiter: die Geothermie-anlage im elsässisch­en Vendenheim.

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