Wenig Bedenken im Südwesten
Im Elsass wird ein Erdwärmeprojekt nach Erdbeben gestoppt. In Baden-württemberg ist die Gefahr wegen strengerer Regeln geringer, sagen Experten. Das Land will an der Technik festhalten.
Nach Erdbeben rund um Straßburg nahe der Grenze zu Baden-württemberg hat die Präfektur des französischen Departements Bas-rhin mehrere Geothermie-projekte gestoppt. Anfang Dezember hatte die Erde in der Region mit einer Stärke von 3,59 gebebt, als Ursache für das Beben haben die französischen Behörden ein Geothermie-projekt in der Gemeinde Vendenheim, nördlich von Straßburg, ausgemacht. „Dieses in einem städtischen Gebiet gelegene Projekt bietet nicht mehr die notwendigen Sicherheitsgarantien und muss daher gestoppt werden“, teilte die Präfektur in Straßburg mit, zwei Tage später erklärte die Behörde auch vorerst den Stopp dreier weiterer Erdwärme-vorhaben in der Region.
Andere Technik im Südwesten
Für das Unternehmen Deutsche Erdwärme kommen die Schlagzeilen aus dem nahen Frankreich zur Unzeit. Das Unternehmen plant mehrere Erdwärme-vorhaben auf deutscher Seite. Direkte Auswirkungen auf die eigenen Projekte habe der Vorfall im Elsass nicht, sagt Unternehmenssprecher Ron Zippelius. „Wir müssen keine Einstellung unserer Projekte fürchten.“Zwischen den Projekten der Deutschen Erdwärme rund um Karlsruhe und dem Projekt bei Straßburg gebe es große Unterschiede. „Für ein solches Verfahren wie in Straßburg würden wir hierzulande gar keine Zulassung bekommen“, sagt Zippelius. So werde in Frankreich in viel tiefere und auch festere Gesteinsschichten gebohrt als in Deutschland.
Bei der Geothermie wird die in der Erde gespeicherte Energie in Form von Wärme genutzt, erklärt Professor Frank Schilling vom Landesforschungszentrum Geothermie in Karlsruhe. Das sei sehr effektiv. „Beim Abkühlen eines Kubikkilometers Gestein um 20 Grad wird eine Energiemenge, die rund einer Milliarde Litern Heizöl entspricht, frei“, sagt der Geowissenschaftler.
Dabei könne zwischen verschiedenen Verfahren in der tiefen Geothermie unterschieden werden, erklärt Schilling. Im Grunde funktionieren alle ähnlich: In einem Kreislauf wird heißes Wasser aus der Erde hochgepumpt und zum Heizen oder zur Stromerzeugung genutzt. Das kalte Wasser wird dann wieder über ein weiteres Bohrloch zurück in die Tiefe gepumpt.
In Vendenheim sei die sogenannte petrothermale Geothermie geplant worden. Dort habe man mehr als 5000 Meter in die Erde gebohrt, bis ins sogenannte Grundgebirge, eine mächtige Gesteinsschicht, meist Granit oder Gneis. Damit das Wasser in der undurchlässigen Schicht von einem Bohrloch zum anderen fließen kann, müsse der Untergrund durch Druck aufgebrochen werden. Durch diesen Druck könne es, wie in Vendenheim passiert, zu Erdbeben kommen.
In Baden-württemberg gebe es hingegen nur sogenannte hydrothermale Geothermie-vorhaben.
Dabei wird nicht bis ins Grundgebirge gebohrt sondern in Kalkoder Sandstein-formationen. „Darin gibt es schon eine ausreichende Durchlässigkeit, um Wasser hindurch zu fördern“, erklärt Schilling. Man könne den Kreislauf also auch ohne das Aufbrechen von Gesteinen, was Erdbeben als Nebenwirkungen haben kann, herstellen. Allerdings seien die tiefen Bohrungen wie in
Frankreich oft wirtschaftlicher, da dort die Temperaturen und damit auch die zu gewinnende Energie höher seien, sagt Schilling.
Im Stuttgarter Umweltministerium beobachtet man die Aktivitäten auf französischer Seite „aufmerksam“. Sorgen bereitet dem Ministerium der Vorfall bei Straßburg nicht. In Baden-württemberg seien „umfangreiche gestufte behördliche Verfahren erforderlich“, bevor tiefe Erdwärme genutzt werden könnte, teilt das Ministerium mit. Damit solle eine „umweltgerechte und sichere Nutzung“sichergestellt werden.
„Die Geothermie besitzt in Baden-württemberg ein großes Potenzial und kann einen wichtigen Beitrag zur Energiewende in Baden-württemberg leisten“, ist man im Ministerium überzeugt. Einen Ausbau der Geothermie sehe die Landesregierung deswegen als wichtig an. Aus Sicht des Hauses von Minister Franz Untersteller (Grüne) hat die Technik
viele Vorteile: Ständige Verfügbarkeit, geringer Flächenverbrauch, lokale Verteilung der gewonnenen Energie und keine Verschmutzung der Luft durch einen Verbrennungsprozess. Um Bedenken der Anwohner ernstzunehmen ist aus Sicht des Ministeriums eine „umfassende Beteiligung der Bevölkerung“nötig.
Genau die vermisst man aber vor Ort. In Graben-neudorf (Landkreis Karlsruhe) will die Deutsche Erdwärme eine Geothermie-anlage bauen, der Antrag ist bereits eingereicht. Bürgermeister Christian Eheim (SPD) bemängelt, dass es keine wirkliche Bürgerbeteiligung gab. „Wir wurden zwar im bergbaurechtlichen Verfahren angehört, können aber auf die Entscheidung keinen Einfluss nehmen“, sagt er. Dieses Gefühl der Ohnmacht sei für die Menschen in Graben-neudorf schwierig. „Das ist ein schwerer Makel, der die Akzeptanz für das Projekt nicht erhöht.“