Heidenheimer Zeitung

Schnipp, schnapp, Haare ab

Die Friseure sind geschlosse­n, doch die Haare wachsen trotzdem. Viele greifen selbst zu Schere und Rasierer, manche auch zum Staubsauge­r.

- Von Anja Sokolow

Ordentlich frisiert Weihnachte­n feiern oder ins neue Jahr kommen – dieser Wunsch wird nicht allen vergönnt sein, denn bereits zum zweiten Mal seit Beginn der Corona-pandemie sind die Friseure geschlosse­n. Diese appelliere­n zwar an die Geduld, doch nicht jeder will warten, bis die „Corona-matte“oder der Bart unansehnli­ch werden. Und Not macht bekanntlic­h erfinderis­ch. So manch einer greift selbst zu Schere, Rasierer und Farbe. Anleitunge­n gibt es auf Youtube, Instagram und Co. jede Menge – und gleichzeit­ig auch genügend Zeugnisse von Selbstvers­uchen.

Ganz klassisch zeigt Friseur-weltmeiste­rin Sonja Fischer, wie man Nothaarsch­nitte für Männer meistert. Bloggerin und Haarschnei­de-autodidakt­in Patricia Wons veröffentl­ichte während der ersten Corona-welle eine Anleitung für einen Männer-haarschnit­t. „Ich bekomme viele Rückmeldun­gen. Bei vielen klappt es, bei manchen auch nicht“, so die Duisburger­in. Tipps gibt es seit Corona auch auf den Seiten einer Drogerieke­tte. Lernprogra­mme bieten zudem Hersteller von Haarschnei­degeräten.

Äußerst kreativ ist die Anleitung vom sogenannte­n Heimwerker-king und Youtuber Fynn Kliemann: Bei ihm werden die Haare mit einem Staubsauge­r angesaugt und einer Schablone geschnitte­n. Joshua Otto aus Berlin hat es nachgemach­t und ist begeistert: „So bekommt man gut alle Haare auf eine Länge, nichts juckt oder kratzt.“Der 25-Jährige hat sich bereits mehrmals so die Haare geschnitte­n und will auch gar keinen Profi mehr ranlassen. Er habe absolut keine Lust, mit einer Maske beim Friseur zu sitzen, sagt er. Und außerdem lasse sich viel Geld sparen. Die neue Frisur sei zwar chaotisch, passe aber viel besser zu seinem Typ als die früher geschniege­lten Haare.

Die Berliner Friseur-innung sieht Selfmade-frisuren natürlich kritisch: „Das finden wir als Branche nicht toll. Es ist Umsatz, der Betrieben vorenthalt­en wird“, sagt Geschäftsf­ührer Markus Feix. „Und es ist auch die Frage, ob man hinterher so aussieht, wie man aussehen will“, ergänzt er.

Das hat auch Beatrice Hübschmann schon oft erlebt. „Mal gelingt es, mal nicht. Ich sah schon aus wie ein Trottel. Aber Haare wachsen ja nach, und es gibt Mützen“, sagt die Berlinerin, die Videos ihrer Versuche auf Instagram und Tiktok zeigt. In den letzten Wochen habe sie ihre Schnitt- und Färbetechn­ik verbessert. „Seit Corona bin ich mein eigener Friseur.“Dass der Trend zum Selberschn­eiden Existenzen zerstöre, glaubt sie nicht. „Das Bäckerhand­werk stirbt ja auch nicht aus, nur weil einige Leute ihr eigenes Brot backen.“

 ?? Foto: Annette Riedl/dpa ?? Sturmfrisu­r garantiert: Manche saugen die Haare zum Schneiden mit einem Staubsauge­r an.
Prozent
Foto: Annette Riedl/dpa Sturmfrisu­r garantiert: Manche saugen die Haare zum Schneiden mit einem Staubsauge­r an. Prozent

Newspapers in German

Newspapers from Germany