Schlecht aufgestellt
Stell dir vor, die Grundrente kommt, und keiner merkt’s. Am 1. Januar 2021 startet diese angebliche sozialpolitische Großtat der Großen Koalition. Aber frühestens zur Jahresmitte erhalten die ersten Senioren Geld, und bis die neue Leistung bei allen 1,3 Millionen Rentnern ankommt, die etwas davon haben dürften, dauert es bis Ende 2022. Zwar wird sie rückwirkend gezahlt. Aber schon der Zeitverzug zeigt, dass da ein unglaublich kompliziertes, ja undurchschaubares System gestrickt wurde, das genauso unbefriedigend ist wie die gesamte Rentenpolitik in dieser Legislaturperiode.
Schon der Name führt in die Irre: Die Grundrente ist keine Mindestrente für alle. Vielmehr werden kleine Renten aufgestockt, vorgeblich um die Lebensleistung besser anzuerkennen. Unseligerweise wurde das auch noch mit dem Problem der Altersarmut verknüpft, obwohl bei der das Hauptproblem ist, dass viele nie oder kaum in die gesetzliche Rente einbezahlt haben. Heraus kommen im Schnitt eher bescheidene Beträge, nämlich 75 Euro im Monat. Dafür werden sich viele benachteiligt fühlen, die nicht in den Genuss kommen, etwa weil ihr Verdienst zu hoch war.
Ein Punkt immerhin ist positiv: Die Milliarden-kosten übernimmt der Staat, auch wenn die Rentenversicherer auf dem hohen Bürokratieaufwand sitzen bleiben. Anders sah das bei der Aufstockung der Mütterrente Anfang 2019 aus, die weitgehend zu Lasten der Rentenkassen ging. So sehr den Müttern das zusätzliche Geld zu gönnen ist – sehr viel sinnvoller wäre es gewesen, mit den Mitteln die Renten für die Arbeitnehmer aufzustocken, die wegen einer Erwerbsminderung nicht mehr arbeiten können. Diese Renten wurden zwar in den letzten Jahren mehrfach verbessert, aber immer nur für neue Fälle. Wer schon erwerbsunfähig ist, ist in vielen Fällen im wahrsten Sinne des Wortes arm dran – ohne Aussicht auf Besserung.
An die schwierigen Reformbaustellen hat sich die Große Koalition erst gar nicht herangewagt. Für die Altersvorsorgepflicht der Selbständigen gibt es noch keinen Gesetzentwurf, und von einem langfristigen Konzept für die Altersversorgung nach 2025 ist gar nichts zu sehen. Die aktuelle Koalition ging nach dem Prinzip vor: Erst mal neue Wohltaten verteilen, um die langfristige Finanzierung sollen sich künftige Regierungen kümmern. Das dürfte sich schon in der nächsten Legislaturperiode
An die schwierigen Reformbaustellen hat sich die Große Koalition erst gar nicht herangewagt.
rächen, wenn spätestens 2023 der Beitragssatz erhöht werden muss. Es gab genug Warnungen, nur wollte sie keiner hören.
Wenn schon die gesetzliche Rente nicht so sicher ist, wie die Politik gerne tut, sollte wenigstens die private Vorsorge für eine Stabilisierung sorgen. Doch genau das ist nicht der Fall. Die Riester-rente erweist sich weitgehend als Flop, schon weil die Verzinsung der angesparten Beträge bei Weitem nicht so hoch ist wie erhofft. An die dringend nötige Reform hat sich die Regierung bisher nicht herangewagt. So bleibt die Bilanz zum Jahresende: Auch wenn sich die Koalition für die Grundrente feiert, ist die Altersvorsorge langfristig nicht sicher aufgestellt. Keine gute Botschaft für Senioren wie Arbeitnehmer.