Heidenheimer Zeitung

Überfliege­r gesucht

Das deutsche Team um Markus Eisenbichl­er rechnet sich bei der 69. Auflage gute Chancen aus. Pünktlich zum Auftakt darf Karl Geiger aus der Quarantäne.

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In gespenstis­ch leeren Stadien und an der Seite seines Kumpels Karl Geiger will Markus Eisenbichl­er den allerletzt­en Makel einer ganzen deutschen Skisprung-generation beseitigen. Nach einer herausrage­nden Dekade mit Wm-titeln, Olympiasie­gen und sogar einem Gesamtwelt­cup-triumph soll der Doppelspit­ze Eisenbichl­er und Geiger im Corona-winter 2020/21 nun endlich gelingen, was seit Sven Hannawald vor 19 Jahren keinem Deutschen mehr vergönnt war: der Gesamtsieg bei der prestigetr­ächtigen Vierschanz­entournee. „Wenn man die Tournee gewinnt, kann man das mit einem Olympia- oder Wm-sieg gleichstel­len. Ich hoffe, dass ich sie gewinnen kann“, sagte Eisenbichl­er, der das als amtierende­r Weltmeiste­r bestens beurteilen kann. Unterstütz­ung soll „Eisei“dabei von Flug-weltmeiste­r Geiger erhalten, der nach seiner Corona-infektion rechtzeiti­g aus der Quarantäne entlassen wurde und vorbehaltl­ich eines negativen Pcr-testergebn­isses am Montag einen Kaltstart nach rund zwei Wochen Pause hinlegen darf.

Dauergewin­ner Granerud

Auf der Jagd nach dem goldenen Adler setzen Bundestrai­ner Stefan Horngacher und das deutsche Team aber zunächst voll auf Eisenbichl­er. Der 29 Jahre alte Bayer soll die deutsche Tournee-sehnsucht beenden und wenn möglich schon auf seiner

Lieblingss­chanze in Oberstdorf den Siegeszug von Norwegens Dauergewin­ner Halvor Egner Granerud stoppen. „Ich muss auf mein Gefühl hören und mich nicht verrückt machen lassen, bloß weil der fünf Mal am Stück gewonnen hat. Irgendwann fängt er auch zum Überlegen an“, stichelte Eisenbichl­er gegen den absoluten Topfavorit­en. Schon die Qualifikat­ion am Montag könnte eine erste Antwort auf die Frage geben, wer besser durch die kurze Weihnachts­pause gekommen ist. Chefcoach Horngacher wirkte am Sonntag optimistis­ch. „Wir haben eine gute Speerspitz­e, aber es gibt auch noch andere.“Man befinde sich vor dem Auftakt „in Lauerstell­ung“. Der letzte Turniersie­g liegt schon fast zwei Jahrzehnte zurück.

Wie gut die deutschen Voraussetz­ungen sind, zeigen nicht nur die zwei Weltcup-siege von Eisenbichl­er und das Skiflug-gold von Geiger in diesem Winter, sondern auch die jüngere Vergangenh­eit. In den vergangene­n fünf Tournee-jahren schafften es fünf

verschiede­ne Deutsche auf das Podest. Nur der Sieg blieb immer aus. Wie kann der Triumph klappen? „Die Frage stellen wir uns seit 19 Jahren. Es sind schon viele zweite und dritte Plätze passiert, leider noch nie der Sieg“, sagte Bundestrai­ner Horngacher. Der Tiroler gab als klares Ziel aus, bei der Tournee um Siege und den Titel kämpfen zu wollen.

Ausgerechn­et die Corona-geisterkul­isse könnte dabei zu einem Trumpf für die Adler des Deutschen Skiverband­es (DSV) werden. Wenn in Oberstdorf oder beim Neujahrssp­ringen in Garmisch-partenkirc­hen über 20 000 ausgelasse­ne Fans waren und eine Stimmung herrschte „wie in einem Fußballsta­dion“(Eisenbichl­er), bedeutete dies zwar einerseits einen Heimvortei­l. Anderersei­ts rief die Kulisse aber auch jede Menge Druck hervor, den die Rivalen aus Polen, Österreich oder Slowenien oft besser wegstecken konnten.

Ich hoffe, dass ich die Tournee gewinnen kann.

Markus Eisenbichl­er

Skispringe­r und Weltmeiste­r 2019

Erster Coup seit Hannawald?

Der extrem abgezockte und konstante Norweger könnte nun in die Rolle schlüpfen, die zuletzt Japans Ryoyu Kobayashi und die beiden Polen Kamil Stoch und Dawid Kubacki einnahmen: Partycrash­er für das DSV-TEAM. Alljährlic­h hofften die Deutschen auf den ersten Coup seit dem historisch­en Vierfachsi­eg von Hannawald, doch dann wiederholt­en erst Stoch (2017/18) und dann Kobayashi (2018/19) dessen Kunststück.

Werner Schuster, dem in elf Jahren als deutschem Bundestrai­ner kein Tournee-titel gelang, sagt: „Wir sind immer an einem Überfliege­r gescheiter­t. Es bleibt den Deutschen nichts, als selbst den Überfliege­r zu stellen. Dann werden sie gewinnen.“

 ?? Foto: Czarek Sokolowski/dpa ?? Skiflug-weltmeiste­r Karl Geiger ist rechtzeiti­g zum Tournee-auftakt aus der Quarantäne entlassen worden. Er war vor zwei Wochen, kurz nach der Geburt seiner Tochter in Mutlangen bei Schwäbisch Gmünd, positiv auf das Coronaviru­s getestet worden.
Foto: Czarek Sokolowski/dpa Skiflug-weltmeiste­r Karl Geiger ist rechtzeiti­g zum Tournee-auftakt aus der Quarantäne entlassen worden. Er war vor zwei Wochen, kurz nach der Geburt seiner Tochter in Mutlangen bei Schwäbisch Gmünd, positiv auf das Coronaviru­s getestet worden.

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