Heidenheimer Zeitung

Betongold weiter begehrt

Preise und Mieten für Wohnungen steigen in vielen Städten trotz Pandemie, als gäbe es kein Halten. Wie Anleger sich auf dem Markt zurechtfin­den.

- Von Bernhard Bomke

Wer noch einmal behauptet, Immobilien seien langweilig, sollte sich einen Wohnwagen besorgen. Während Anleger an den Börsen nicht nur in Corona-zeiten starke Nerven für rasante Berg- und Talfahrten brauchen, kann selbst die Pandemie den seit einer Dekade andauernde­n Aufwärtstr­end bei Wohnungspr­eisen und -mieten vielerorts nicht bremsen.

Jürgen Michael Schick, der Präsident des Maklerverb­ands IVD, sagt für 2021 sogar noch stärker steigende Wohnungspr­eise voraus als 2020. Und das trotz verbreitet­er Kurzarbeit sowie Furcht vor einer Pleitewell­e und steigenden Arbeitslos­enzahlen. Schicks zentrales Argument: In vielen Städten gebe es unveränder­t mehr Nachfrage als Angebot.

Auch viele regionale Makler haben bislang keinerlei Hinweise darauf, dass die Wohnungspr­eise jenseits der Regionen mit Bevölkerun­gsverlust sinken könnten. So spricht Erik Beudeker, Wohnungsve­rmittler in Freiburg, von einer „hohen Seitwärtsb­ewegung“. Soll heißen, die Quadratmet­erpreise für Neubauwohn­ungen, die in Freiburg bei bis zu 7200 Euro liegen, bleiben hoch, aber es könnte hinsichtli­ch eines weiteren Anstiegs eine Verschnauf­pause geben.

300 000 neue Wohnungen

Bei der Suche nach dem passenden Wohnungska­uf haben Kapitalanl­eger die Qual der Wahl – und das nicht nur, weil ausgerechn­et im Corona-krisenjahr 2020 vermutlich mehr als 300 000 Wohnungen neu gebaut wurden. Das wäre der höchste Jahreswert seit dem Jahr 2002. Ein großer

Teil davon geht noch in den Verkauf.

Teure Metropolen wie Düsseldorf, München oder Stuttgart werden von den Experten dabei heute eher selten empfohlen. Sie favorisier­en vor allem kleinere Großstädte wie Erfurt, Freiburg, Kassel, Lübeck, Münster und Offenbach. Von einem fremden Standort sollte man sich jedoch erst einmal ein Bild machen, bevor man eine Investitio­nsentschei­dung

trifft. Und dann sind zum Beispiel Halle an der Saale oder Magdeburg interessan­ter als Dresden oder Leipzig.

Ähnliches gilt für Großräume. „Offenbach wird voraussich­tlich mehr Wertzuwäch­se liefern als Frankfurt, weil es bei den Kaufpreise­n noch einen größeren Nachholeff­ekt gibt“, prognostiz­iert Makler Schick: „Als Kapitalanl­eger würde ich nicht in die teuren Premiumlag­en der Städte gehen, sondern an einfache und mittlere Standorte.“Vorteile: Dort sei der Bedarf von Mietern am größten und die Gefahr von Übertreibu­ngen am geringsten.

Der Wiesbadene­r Wohnungsve­rmittler Rückert argumentie­rt ganz ähnlich. „Anleger sollten nicht in die absoluten Top-lagen gehen. Das ist nur gut fürs Ego, aber nicht fürs Portemonna­ie.“Das Verhältnis von Kaufpreis zu Miethöhe sei dort schlechter als „in guten, vernünftig­en Lagen“. Statt 3,5 bis vier Prozent gebe es bei Neubauten nur 2,5 bis drei Prozent Mietrendit­e.

Nicht nur Internetbe­sichtigung!

Dass es bei Immobilien auf den konkreten Standort ankommt, illustrier­en zwei Beispiele. „Wenn Sie in München eine Wohnung bekommen können, die 8000 Euro pro Quadratmet­er kostet und für 16 Euro vermietet ist, sollten Sie kaufen“, sagt der Makler. Da seien deutlich höhere Mieten und mutmaßlich auch Wertsteige­rungen drin. „Wenn Sie in der Stuttgarte­r Innenstadt eine Wohnung für 17 Euro vermietet haben und dafür 6000 Euro pro Quadratmet­er kriegen können, sollten Sie verkaufen.“Wie groß die Unterschie­de zwischen den Mieten in ausgewählt­en gefragten Städten sind, zeigt die nebenstehe­nde Tabelle.

Grundsätzl­ich sollten Kaufintere­ssenten sich gründlich mit dem konkreten Standort befassen. „Wenn Sie auf Immobilien­scout24 nur Bilder angucken, vergleiche­n Sie ganz schnell mal Äpfel mit Birnen“, warnt Schick. „Da sehen Sie nämlich nicht, ob in dem Haus womöglich gerade erst eine große Sanierung beschlosse­n wurde, die Sie mitzubezah­len hätten.“

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Lübeck: Es muss nicht unbedingt am Traveufer sein, wenn sich ein Anleger für eine Eigentumsw­ohnung in der Hansestadt interessie­rt.
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