Brautschau war von raschem Erfolg gekrönt
Seit 50 Jahren ist Oggenhausen Heidenheimer Teilort. Beide Gemeinderäte stimmten seinerzeit für die ab dem 1. Januar 1971 geltende Liaison.
Welcher Zutaten bedienen sich Theatermacher, die einen Schwank auf die Bühne bringen? Immer gern genommen: Ein Pärchen, das verkuppelt werden soll. Nicht fehlen darf auch die eine oder andere Widrigkeit, ehe die Familienoberhäupter im großen Finale der Liebe ihren Segen erteilen.
Will man das Konzept auf die jüngere lokale Geschichte übertragen, bietet sich der Rückgriff auf ein Geschehen an, das sich vor 50 Jahren zutrug. Das Drehbuch liefert damals die Landesregierung mit dem „Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden.“Regieanweisung: Orte sollen sich zu größeren Einheiten zusammenschließen, um ihre Aufgaben zum Nutzen der Bürger fortan besser erledigen zu können. Schauplatz: der Saal im Oggenhauser „König“.
In den Hauptrollen sind, um im Bild zu bleiben, am Abend des 11. November 1970 zu sehen: Wilhelm Lutz, der als Bürgermeister die schöne Braut Oggenhausen verkörpert, Landrat Dr. Albert Wild als Brautvater und Oberbürgermeister Martin Hornung, der die Stadt Heidenheim als solventen Bräutigam gibt. Hinzu kommt noch Innenminister Walter Krause, dem Stadtrat Bruno Brucklacher den Part des „Schmusers“, also des Kupplers, zuerkennt.
Wurstplatte und Bier
In gelöster Runde wird bei schwäbischer Wurstplatte und Bier das erfolgreiche Ende eines wenige Monate dauernden Werbens gefeiert: Nachdem die Eingemeindung unter Dach und Fach gebracht wurde, ist die bis dato selbstständige Gemeinde Oggenhausen ab dem 1. Januar 1971 ein Teilort Heidenheims.
„Meine Tochter ist reich verheiratet. Wir haben sie weg, sie ist gut versorgt“, sagt Wild. Die Verbindung mit Oggenhausen, entgegnet Lutz selbstbewusst mit Verweis auf topografische Unabänderlichkeiten, habe Heidenheim „hundert Meter näher an den Himmel gebracht“.
Im Gegenzug versichert Hornung der Festgesellschaft, der Ehe sei ein freudvolles Bett bereitet worden, was Stadtrat Hugo Streppel zu der Einschätzung veranlasst: „Es muss eine Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. . .“. Freilich nähme es rückblickend Wunder, käme Oggenhausen seinerzeit ohne jegliches Zögern unter die Haube, also unters Dach der Großen Kreisstadt.
Und damit von der künstlerischen auf die politische Bühne, vom Schwank zur nüchternen Realität.
Die Verwaltungsreform im Blick, begibt sich Heidenheim 1970 offiziell auf Freiersfüße. Auch Herbrechtingen sieht sich von dem großen Nachbarn zart umgarnt. Allerdings nur kurzzeitig, betont Bürgermeister Oskar Mozer doch nach einer öffentlichen Sitzung: „Für den Gemeinderat und die Gemeindeverwaltung steht fest, dass das 1200-jährige Herbrechtingen keinen, aber auch gar keinen Grund hat, eine Eingemeindung nach Heidenheim oder Giengen auch nur zu erwägen, geschweige denn, darüber zu verhandeln.“Erfolgversprechender nimmt sich das Werben um Oggenhausen aus. Der Ort unweit der Landesgrenze zu Bayern zeigt sich 1969 noch entschlossen, seine Selbstständigkeit möglichst lange zu bewahren. Allerdings hebt der Gemeinderat diesen Beschluss im folgenden Jahr aufgrund der in Aussicht gestellten Vorteile im Falle einer Liaison mit einer größeren Kommune auf.
Angesichts der höheren staatlichen Finanzzuweisungen kommt keine Verwaltungsgemeinschaft, sondern nur eine Eingemeindung in Frage. Eine Ortsverfassung soll eine gewisse Selbstständigkeit garantieren.
Die zu erwartende Mitgift spielt nicht nur bei unverbindlichen Gesprächen mit Nattheim – das bald aus dem Rennen ist – und Heidenheim eine entscheidende Rolle, sondern auch bei der schriftlichen Befragung der Oggenhauser am 18. Oktober 1970. Von den 732 Wahlberechtigten (der Ort hat zu diesem Zeitpunkt 1089 Einwohner, 50 Jahre später rund 1400) machen 504 von ihrem Stimmrecht Gebrauch. 474 votieren für die Eingemeindung nach Heidenheim, 28 dagegen. Zwei
Stimmzettel sind ungültig. Im Anschluss an dieses gesetzlich vorgeschriebene Anhörungsverfahren erteilt der Oggenhauser Gemeinderat dem Vorhaben mit zehn Ja-stimmen und einer Enthaltung seinen Segen. Am 22. Oktober ziehen die Heidenheimer Ratsmitglieder einstimmig nach.
Vertragsschluss im Freien
Die Unterzeichnung des Eingemeindungsvertrags erfolgt am 11. November bei einem Festakt vor dem Rathaus in Oggenhausen. Oberbürgermeister Martin Hornung und Bürgermeister Wilhelm Lutz setzen im Beisein von Innenminister Walter Krause und gut 1000 weiterer Teilnehmer ihre Unterschrift unter das Papier.
Mehrfach kommt an diesem Tag die historische Bedeutung des Augenblicks zur Sprache. Und das Verhandlungsgeschick der Oggenhauser: Mehr als 3,8 Millionen Euro für neun Jahre hätten sie losgeeist, sagt Hornung anerkennend. Die vertraglich fixierten Wünsche reichen vom Ausbau der Ortsstraßen über ein Gemeindehaus bis zu einem neuen Feuerwehrmagazin, einer Turn- und Festhalle, einem Sportplatz und einem Wasserbehälter.
Auf dem Weg dorthin soll später hinter den Kulissen noch so manches Drama über die Bühne gehen. Aber zunächst bestimmt der heitere Schwank, der beim eingangs beschriebenen Polterabend im „König“seinen Höhepunkt findet, die Erinnerungen.