Heidenheimer Zeitung

Im Weinberg menschelt’s

Kunst, Fachwerk, Natur und spektakulä­re Aussichten: Der Skulpturen­pfad im Remstal-örtchen Strümpfelb­ach bietet einen gelungenen Mix.

- Von Caroline Holowiecki

Eingehend mustern die beiden Frauen den Mann, der ihnen seine Plauze entgegenst­reckt. Die jüngere schaut, schließlic­h geht sie ran an den Speck. Sie legt die Hand an den männlichen Körper, sagt dann zur älteren: „Der hat relativ breite Hüften für einen Mann.“

Ein unverblümt­es Urteil, doch eine Widerrede des Nackten hat die Frau nicht zu befürchten. Der Breithüfti­ge ist aus Bronze und Teil des Skulpturen­pfades in Strümpfelb­ach, einem Teilort von

SWP-SERIE WINTER-WEGE

Weinstadt; einer Kommune im Rems-murr-kreis, die mit den vielen Kellereien und Wengerten ihrem Namen alle Ehre macht.

Im Jahr 2001 ist der Kultur-spazierweg eingericht­et worden. 48 Figuren aus Metall und Stein säumen ihn. Etliche Unbekleide­te sind darunter, aber auch Tiere und Abstraktes. Es sind Werke aus drei Generation­en der Künstlerfa­milie Nuss. Der Besucher spaziert entlang der mannshohen Skulpturen von Fritz Nuss (1907 bis 1999) und dessen Sohn Karl Ulrich Nuss (Jahrgang 1943), außerdem von Christoph Traub (Jahrgang 1964) und Felix Engelhardt (Jahrgang 1970), den Neffen von Karl Ulrich Nuss.

Letzterer lebt nach wie vor in Strümpfelb­ach und beobachtet gern die Wanderer, die an seinem Wohnhaus vorbeigehe­n und in den Garten lugen. „Die Zaungäste kenne ich alle. Ich kriege das schon mit“, sagt er. 78 wird der Bildhauer bald. Ehrenprofe­ssor des Landes Baden-württember­g ist er, wie man in seiner Vita liest.

„Alter Knacker“nennt er sich selbst und lacht herzhaft. Karl Ulrich Nuss, ein Mann mit Brille und weißem Bart, ist ein Zugänglich­er. Wer ihn am Gartenzaun trifft, darf auf einen Kunstplaus­ch über die vielen Skulpturen rund ums Haus hoffen. Begegnunge­n sind vom Schöpfer ausdrückli­ch gewünscht, „sonst hätte ich alles irgendwo kaserniert“.

Wer den ganzen Skulpturen­pfad begehen möchte, startet an der Strümpfelb­acher Gemeindeha­lle. Dort kann man gut parken und den 2,8-Kilometer-fußmarsch starten. Zunächst geht es durchs Dorf mit den urigen Fachwerkhä­usern und verwinkelt­en Gässchen, dann sanft, aber stetig aufwärts in die Weinberge. Schilder entlang der breiten asphaltier­ten Wege weisen die Richtung. Unterwegs trifft man auf die neckischen Nackedeis mit ihren allzu menschlich­en Makeln. Runde Wohlstands­bauchträge­r und dürre Spargeltar­zane, liegend, sitzend oder im Handstand, immer mit einem Augenzwink­ern inszeniert.

Wer nach dem Skulpturen­pfad noch nicht genug hat, besucht die nahe Allee.

„Da darf man mal schmunzeln“, sagt Karl Ulrich Nuss.

Infomateri­al und Karten sind auf der Homepage von Weinstadt hinterlegt. Im Rathaus spricht man von einem Besucherma­gneten, von Gedränge ist man auf dem Strümpfelb­acher Skulpturen­pfad indes weit entfernt. Vielmehr ist die Rundtour mit ihren vielen Sitzbänken und Vesperecke­n

eine wohltuend unaufgereg­te Alternativ­e zur Wanderung durch die Stuttgarte­r Weinberge rund um die Grabkapell­e. Die Aussichten sind nicht minder spektakulä­r. Über das idyllische Remstal hinweg bis zum Stromberg und zum Schwäbisch-fränkische­n Wald reicht die Sicht an klaren Tagen.

Wer nach dem Skulpturen­pfad noch nicht genug hat, kann Teil zwei dranhängen: die Strümpfelb­acher Skulpturen­allee. Nur wenige Autominute­n entfernt, immer die Serpentine­n hinauf, liegt das Naturfreun­dehaus. Dort gibt es ein Wiedersehe­n mit den Nuss’schen Nackten. Am Waldrand tummeln sich inmitten von Kuhweiden zehn bronzene Paare in ulkigen Posen. Die Aussicht übers Remstal und aufs Dorf ist atemberaub­end. Ab hier kann man auf dem acht Kilometer langen Kulturland­schaftspfa­d wandern und mehr über die Artenvielf­alt in den Weinbergen, den Streuobstw­iesen sowie im Schurwald erfahren – und auf natürliche Körper Natur folgen lassen.

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