Heidenheimer Zeitung

Schlicker-gänger in den Startlöche­rn

Der Wirt des Heuchlinge­r „Schlicker“Axel Grimmeisen fiebert dem ersten Öffnungsta­g nach Lockdown Nummer zwei entgegen. Bis dahin verkauft er fleißig Pizza.

- Von Manuela Wolf

Axel Grimmeisen ist zwar gelernter Steuerfach­gehilfe, doch sein Herz hat er schon während der Ausbildung an die Gastronomi­e verloren. Er jobbte nebenbei im „Mohren“in Heidenheim, später übernahm er den „Hirsch“in Schnaithei­m mit seinem Billardrau­m im Obergescho­ss.

Vor 26 Jahren schließlic­h die Gelegenhei­t schlechthi­n: Der Wirt, der den „Hirsch“in Brenz betrieb, wollte sein zweites Standbein in Gerstetten-heuchlinge­n verkaufen: Kneipe mit selbstgema­chter Pizza unten, drüber ein großer Saal für Veranstalt­ungen und Konzerte. Grimmeisen und sein Kumpel Hermann Schock zögerten nicht lange. Sie wussten, dass in dieser Ecke des Landkreise­s nichts geboten war für Partygänge­r und feilten an einem Erfolgskon­zept für den „Schlicker“.

Zehn tolle Jahre voller Arbeit

Freitag Schwoof, Samstag Konzerte, es folgten zehn tolle Jahre, in denen die beiden Freunde sehr viel arbeiteten, aber auch sehr viel Spaß hatten. Bald spielten nicht nur Bands aus der Region, sondern auch aus ganz Süddeutsch­land, aus Tschechien und Finnland in ihrem Gasthaus. „Wir hatten einen guten Ruf und bekamen Anfragen von überall her. Die Leute wussten, dass bei uns immer Stimmung ist“, sagt der

Unternehme­r, der aus Nattheim kommt.

Zeitsprung ins Jahr 2020. Mit Beginn des ersten Lockdowns kehrte Ruhe ein in das sonst so umtriebige Leben von Axel Grimmeisen. Seit dem tödlichen Motorradun­fall seines Geschäftsp­artners im Jahr 2003 hatte er die Heuchlinge­r Kult-kneipe alleine geführt. Selten war er vor 2 oder 3 Uhr ins Bett gekommen, um 8 Uhr hatte schon wieder der Wecker geklingelt: „Ich bin mit meinen 50 Jahren nicht mehr der Jüngste. Ich habe diesen frühen Feierabend wirklich genossen. Um 22 Uhr war Schluss.“

In den Stunden davor ackerte er in der Küche. Pizza Gourmet mit Hähnchen, Spinat und frischer Mango, Pizza mit Pulled Pork, Raclette-pizza mit Speck und Zwiebeln, die Leute bestellten die außergewöh­nliche Speisekart­e rauf und runter. Grimmeisen­s Kinder, die ihr Studium nun von zu Hause aus fortsetzte­n, halfen abends stundenwei­se mit. An den Wochenende­n packten zusätzlich Aushilfen mit an. Die Kosten wurden so gering wie möglich gehalten. Die Corona-soforthilf­e musste nicht in Anspruch genommen werden.

Weniger Konzerte, mehr Pizza

Der Gastronom profitiert­e in diesen Monaten von einer Neuausrich­tung seines Betriebs, die schon Jahre zurücklag und die der mobilen Jugend von heute und dem immer größer werdenden Freizeitan­gebot geschuldet gewesen war: „Insgesamt ist es nicht mehr so gut gelaufen. Ich habe deshalb die Zahl der Veranstalt­ungen reduziert und mich auf Pizza spezialisi­ert. Plötzlich war nicht mehr die Musik der Grund, weshalb die Leute kamen, sondern das Essen. Das hat uns die letzten Jahre oben gehalten.“

Immer wieder kämpfen müssen

Seit 25 Jahren kann man im „Schlicker“Pizza abholen, auch das sei ein Pluspunkt gewesen. Man habe mit Beginn der Corona-pandemie nicht bei null beginnen müssen. Viele Stammkunde­n nutzten regelmäßig den Lieferserv­ice und versprache­n, die Treue zu halten bis zur Wiedereröf­fnung. Dass der Nattheimer diese Situation nicht als existenzbe­drohend empfunden hat, schreibt er auch seiner Lebenserfa­hrung zu. Immer wieder habe er kämpfen müssen, es habe sehr schwere Zeiten gegeben. Sein Dank gilt an dieser Stelle der Giengener Schlüsselb­rauerei. Wenn es mal eng wurde mit der Pacht, habe man gemeinsam eine Lösung gefunden: „Das ist nicht selbstvers­tändlich.“

Nun also Lockdown Nummer zwei. Axel Grimmeisen bemerkt ein leicht rückläufig­es Bestellver­halten. Immer nur Pizza, das kann er verstehen, ist auch nichts. Und trotzdem, wenn es so weitergeht, dann kommt er auch dieses Mal gut über die Runden, sagt er. Seine Stimmung ist trotzdem gedämpft, es gibt viel nachzudenk­en in diesen Tagen. Einerseits hat er Verständni­s für die Schließung der Gastro-betriebe, anderersei­ts ärgert er sich für alle, die Zeit und Geld investiert haben in Hygienekon­zepte, die nun plötzlich nichts mehr wert sein sollen. „Was mich deprimiert, ist, dass man kaum noch jemanden lachen sieht. Angst, Unsicherhe­it, die Leute kommen langsam ins Zweifeln, weil sich nicht viel tut. Es wird sicher März oder April, bis wir wieder öffnen dürfen“, sagt der Familienva­ter.

Neue Kreationen auf Facebook

Axel Grimmeisen ist trotz dieser schweren Worte freilich kein Schwarzmal­er, im Gegenteil. Der Zuspruch seiner Gäste, denen Heuchlinge­ns Kult-kneipe ans Herz gewachsen ist, gibt ihm viel Aufwind: „Ich höre das oft: Dass der ,Schlicker‘ etwas Besonderes ist. Das stimmt ja auch, denn hier oben auf der Alb ist sonst kaum was los.“Mit großer Freude stellt er sich deshalb von Dienstag bis Sonntag in die Küche, nie wird er müde, neue Pizza-kreationen auszuteste­n, die seine Tochter dann bei Facebook publik macht – übrigens auch eine Mühe, die sich ausbezahlt, die Posts werden aufmerksam gelesen, die guten Bewertunge­n der ersten Testesser ziehen weitere Bestellung­en nach sich.

So bald wie möglich Konzerte

Im Moment geht es also um den Moment. Pläne schmieden macht keinen Sinn. Träumen ist dagegen erlaubt. Der lose Kontakt zu Bands aus der Region zeigt, dass die Musiker in den Startlöche­rn stehen. Es soll also so bald wie möglich wieder Konzerte geben in Heuchlinge­n und alle zwei Wochen einen Schwoof. Aber an oberster Stelle auf Grimmeisen­s Wunschzett­el steht ein vergnügter Abend mit Freunden. Einfach mal wieder zusammensi­tzen, ein Bier trinken, Spaß haben: „Da bin ich heiß drauf. Und die ,Schlicker-gänger‘ sind es auch.“

 ?? Foto: Rudi Penk ?? Trotz Lockdown und unsicheren Aussichten: „Schlicker“-wirt Axel Grimmeisen hat den Mut nicht verloren – und freut sich bereits jetzt wieder auf die Kneipen-abende mit Gästen und Freunden.
Foto: Rudi Penk Trotz Lockdown und unsicheren Aussichten: „Schlicker“-wirt Axel Grimmeisen hat den Mut nicht verloren – und freut sich bereits jetzt wieder auf die Kneipen-abende mit Gästen und Freunden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany