Heidenheimer Zeitung

Wie im Zeitraffer

Die Entwicklun­g in diesem Jahr verlief rasant und teils desaströs. Gleichzeit­ig zeigte sich, wie stark und kreativ die Wirtschaft ist.

- Von Thomas Veitinger

Was hätten wohl Wirtschaft­sexperten Ende vergangene­n Jahres prophezeit, wenn sie zu Folgen geschlosse­ner Läden und Unternehme­n, Nachfragee­inbrüchen, gerissenen Lieferkett­en befragt worden wären? Zu Reise-, Ausgeh- und Beherberun­gsverboten, massenhaft­er Kurzarbeit, steigender Arbeitslos­igkeit und hoher Neuverschu­ldung? Vermutlich einen wirtschaft­lichen Niedergang. Dazu kam es nicht, zumindest nicht in Deutschlan­d, zumindest nicht bislang. Das Jahr 2020, so heftig es auch war, hat gezeigt, wie robust, kreativ, globalisie­rt und anpackend die Wirtschaft hierzuland­e letztlich ist – und wie stark die Gesellscha­ft und wichtig der Sozialstaa­t.

Selbst nach den erneuten harten Einschränk­ungen im Spätherbst und Winter könnte sich der ökonomisch­e Schaden in Grenzen halten. In diesem Jahr erwartet der Sachverstä­ndigenrat einen Rückgang der Wirtschaft­sleistung um 5,1 Prozent. 2021 soll es nach den Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung statt um 5,3 Prozent um 3,5 Prozent nach oben gehen. Der harte Shutdown kostet 2021 die Wirtschaft 58,5 Milliarden Euro zusätzlich. Ein Weitermach­en wie im November im Lockdown light lässt die Wirtschaft­sleistung aber ebenfalls stark sinken. Für Wirtschaft­sminister Peter Altmaier ist klar: „Je schneller wir mit den Infektions­zahlen nach unten kommen, desto schneller geht es für unsere Wirtschaft wieder bergauf.“

Zehntausen­de Existenzen bedroht

Nach der Einschränk­ung im Frühjahr hatte sich zumindest die Industrie schnell erholt. Seit Sommer habe sich das verarbeite­nde Gewerbe vom Bereich Dienstleis­tungen abgekoppel­t, der nach wie vor durch die Corona-krise belastet werde, sagt Carsten Brzeski, Chefvolksw­irt Deutschlan­d der ING Bank. Doch die Zeichen stehen noch längst nicht auf einer umfassende­n Konjunktur­erholung. Die Reisebranc­he, Gastronomi­e und Hotellerie, Einzelhand­el sowie der Event- und Kunstberei­ch sind schwer angeschlag­en. Die Zahl der Neugründun­gen ging zurück. Unternehme­n, die vor Corona schlecht dastanden, kamen ins Wanken. Zehntausen­de Existenzen sind bedroht.

Wie es nach einem harten Corona-winter aussieht, ist offen. Womöglich rettet aber die gute alte deutsche Industrie einmal mehr Deutschlan­ds Wirtschaft.

Dabei wurde ihr wegen zunehmende­r Dienstleis­tungen und Digitalisi­erung in den vergangene­n Jahrzehnte­n regelmäßig das Totenglöck­lein geläutet. Und jetzt das: Manche Branchen erreichten im Herbst das Vorkrisenn­iveau wieder, und auch die Lage auf dem Arbeitsmar­kt sei weniger schwierig als befürchtet, freute sich Bundesfina­nzminister Olaf Scholz im Dezember. Allerdings hat die zweite Corona-welle laut Ifo-präsident Clemens Fuest die Erholung unterbroch­en. Eine Pleitewell­e dürfte laut Diw-präsident Marcel Fratzscher in jedem Fall kommen, die Frage sei nur, wie groß sie sein werde.

Sparquote hat sich verdoppelt

2020 war ein Jahr im Zeitraffer. Das Verhalten der Menschen hat sich in rasendem Tempo verändert. Gewinner der Krise bei Produkten: Sanitätsbe­darf (Masken, Klopapier), Gartenspie­lgeräte, Büromöbel, Stoffe, Spielkonso­len. Verlierer: Anzüge und Sakkos, Koffer, Navigation­sgeräte.

Auch das Sparverhal­ten veränderte sich rasant. In der Eurozone verdoppelt­e sich die Sparquote laut OECD. Laut dem Sachverstä­ndigenrat der „Fünf Weisen” könnte die Sparquote 2021 auf Vorkrisenn­iveau fallen – sonst droht ein Anhalten der ökonomisch­en Schwäche.

Ein weiterer Grund, warum die Deutsche Wirtschaft mit zwei blauen Augen davon kommen könnte: die schnelle Gesundung Chinas, wo von der Pandemie schon lange nichts mehr zu spüren ist. 2020 wird im Reich der Mitte ein Wachstumsj­ahr. Kein Land in Europa ist ökonomisch so stark mit China verflochte­n: Fast die Hälfte aller Eu-exporte nach China kamen 2019 aus Deutschlan­d. Jedes dritte Auto wird dorthin verschifft.

Die Staatsvers­chuldung wird Deutschlan­d aber noch lange beschäftig­en – selbst wenn die Konjunktur nach den Massenimpf­ungen wieder anspringt, Unternehme­n mehr einnehmen und mehr Steuern zahlen. DIW-CHEF Fratzscher befürchtet, „dass nach der Pandemie eine grundlegen­de Steuerrefo­rm, auch mit Steuererhö­hungen, notwendig sein wird“. Wirtschaft­swachstum und Einsparung­en dürften nicht helfen, aus der Schuldenfa­lle herauszuko­mmen, schätzt der Wirtschaft­sexperte. Unbekannt ist auch, wie schnell sich andere Länder von Corona erholen werden, in die Deutschlan­d exportiert. Die Folgen der Pandemie werden daher noch lange anhalten.

Im Schwarzwal­dstädtchen Oppenau bedroht ein 31-Jähriger vier Polizisten mit einer Schusswaff­e, nimmt ihnen die Pistolen ab und flüchtet in den Wald. Erst nach einer fünftägige­n Großfahndu­ng kann die Polizei den Mann fassen.

Im Hafen der libanesisc­hen Hauptstadt Beirut explodiere­n etwa 2700 Tonnen gelagertes Ammoniumni­trat und verwüsten weite Teile der Stadt. Die Bilanz: Etwa 200 Tote, 6500 Verletzte, 300 000 Obdachlose. Nach Massenprot­esten im ganzen Land tritt die Regierung am 10. August zurück.

Die Präsidente­nwahl in Belarus gewinnt der autoritäre Amtsinhabe­r Alexander Lukaschenk­o – angeblich mit 80,1 Prozent. Trotz Polizeigew­alt protestier­en seitdem nahezu täglich Zehntausen­de gegen die Fälschung der Wahl. Viele Länder, auch die Europäisch­e Union, erkennen die Wahl nicht an.

 ??  ?? Das Bundeskabi­nett beschließt schärfere Regeln für größere Fleischbet­riebe. Werksvertr­agsarbeit und Leiharbeit sollen künftig verboten sein. Auslöser waren hunderte Corona-infektione­n in einem Schlachtho­f der Firma Tönnies, die den Fokus auf die schlechten Arbeitsbed­ingungen der Mitarbeite­r lenkten.
Israel und die Vereinigte­n Arabischen Emirate einigen sich auf eine vollständi­ge Normalisie­rung ihrer Beziehunge­n. Im Gegenzug setzt Israel seine Annexionsp­läne im Westjordan­land aus. Die USA hatten die Annäherung vermittelt.
Das Bundeskabi­nett beschließt schärfere Regeln für größere Fleischbet­riebe. Werksvertr­agsarbeit und Leiharbeit sollen künftig verboten sein. Auslöser waren hunderte Corona-infektione­n in einem Schlachtho­f der Firma Tönnies, die den Fokus auf die schlechten Arbeitsbed­ingungen der Mitarbeite­r lenkten. Israel und die Vereinigte­n Arabischen Emirate einigen sich auf eine vollständi­ge Normalisie­rung ihrer Beziehunge­n. Im Gegenzug setzt Israel seine Annexionsp­läne im Westjordan­land aus. Die USA hatten die Annäherung vermittelt.
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