Wie im Zeitraffer
Die Entwicklung in diesem Jahr verlief rasant und teils desaströs. Gleichzeitig zeigte sich, wie stark und kreativ die Wirtschaft ist.
Was hätten wohl Wirtschaftsexperten Ende vergangenen Jahres prophezeit, wenn sie zu Folgen geschlossener Läden und Unternehmen, Nachfrageeinbrüchen, gerissenen Lieferketten befragt worden wären? Zu Reise-, Ausgeh- und Beherberungsverboten, massenhafter Kurzarbeit, steigender Arbeitslosigkeit und hoher Neuverschuldung? Vermutlich einen wirtschaftlichen Niedergang. Dazu kam es nicht, zumindest nicht in Deutschland, zumindest nicht bislang. Das Jahr 2020, so heftig es auch war, hat gezeigt, wie robust, kreativ, globalisiert und anpackend die Wirtschaft hierzulande letztlich ist – und wie stark die Gesellschaft und wichtig der Sozialstaat.
Selbst nach den erneuten harten Einschränkungen im Spätherbst und Winter könnte sich der ökonomische Schaden in Grenzen halten. In diesem Jahr erwartet der Sachverständigenrat einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 5,1 Prozent. 2021 soll es nach den Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung statt um 5,3 Prozent um 3,5 Prozent nach oben gehen. Der harte Shutdown kostet 2021 die Wirtschaft 58,5 Milliarden Euro zusätzlich. Ein Weitermachen wie im November im Lockdown light lässt die Wirtschaftsleistung aber ebenfalls stark sinken. Für Wirtschaftsminister Peter Altmaier ist klar: „Je schneller wir mit den Infektionszahlen nach unten kommen, desto schneller geht es für unsere Wirtschaft wieder bergauf.“
Zehntausende Existenzen bedroht
Nach der Einschränkung im Frühjahr hatte sich zumindest die Industrie schnell erholt. Seit Sommer habe sich das verarbeitende Gewerbe vom Bereich Dienstleistungen abgekoppelt, der nach wie vor durch die Corona-krise belastet werde, sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt Deutschland der ING Bank. Doch die Zeichen stehen noch längst nicht auf einer umfassenden Konjunkturerholung. Die Reisebranche, Gastronomie und Hotellerie, Einzelhandel sowie der Event- und Kunstbereich sind schwer angeschlagen. Die Zahl der Neugründungen ging zurück. Unternehmen, die vor Corona schlecht dastanden, kamen ins Wanken. Zehntausende Existenzen sind bedroht.
Wie es nach einem harten Corona-winter aussieht, ist offen. Womöglich rettet aber die gute alte deutsche Industrie einmal mehr Deutschlands Wirtschaft.
Dabei wurde ihr wegen zunehmender Dienstleistungen und Digitalisierung in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig das Totenglöcklein geläutet. Und jetzt das: Manche Branchen erreichten im Herbst das Vorkrisenniveau wieder, und auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei weniger schwierig als befürchtet, freute sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz im Dezember. Allerdings hat die zweite Corona-welle laut Ifo-präsident Clemens Fuest die Erholung unterbrochen. Eine Pleitewelle dürfte laut Diw-präsident Marcel Fratzscher in jedem Fall kommen, die Frage sei nur, wie groß sie sein werde.
Sparquote hat sich verdoppelt
2020 war ein Jahr im Zeitraffer. Das Verhalten der Menschen hat sich in rasendem Tempo verändert. Gewinner der Krise bei Produkten: Sanitätsbedarf (Masken, Klopapier), Gartenspielgeräte, Büromöbel, Stoffe, Spielkonsolen. Verlierer: Anzüge und Sakkos, Koffer, Navigationsgeräte.
Auch das Sparverhalten veränderte sich rasant. In der Eurozone verdoppelte sich die Sparquote laut OECD. Laut dem Sachverständigenrat der „Fünf Weisen” könnte die Sparquote 2021 auf Vorkrisenniveau fallen – sonst droht ein Anhalten der ökonomischen Schwäche.
Ein weiterer Grund, warum die Deutsche Wirtschaft mit zwei blauen Augen davon kommen könnte: die schnelle Gesundung Chinas, wo von der Pandemie schon lange nichts mehr zu spüren ist. 2020 wird im Reich der Mitte ein Wachstumsjahr. Kein Land in Europa ist ökonomisch so stark mit China verflochten: Fast die Hälfte aller Eu-exporte nach China kamen 2019 aus Deutschland. Jedes dritte Auto wird dorthin verschifft.
Die Staatsverschuldung wird Deutschland aber noch lange beschäftigen – selbst wenn die Konjunktur nach den Massenimpfungen wieder anspringt, Unternehmen mehr einnehmen und mehr Steuern zahlen. DIW-CHEF Fratzscher befürchtet, „dass nach der Pandemie eine grundlegende Steuerreform, auch mit Steuererhöhungen, notwendig sein wird“. Wirtschaftswachstum und Einsparungen dürften nicht helfen, aus der Schuldenfalle herauszukommen, schätzt der Wirtschaftsexperte. Unbekannt ist auch, wie schnell sich andere Länder von Corona erholen werden, in die Deutschland exportiert. Die Folgen der Pandemie werden daher noch lange anhalten.
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