Heidenheimer Zeitung

Heute erwischt, morgen bestraft

In Baden-württember­g sind in einem Modellproj­ekt seit Juni 2020 mehr als 150 Expressurt­eile gesprochen worden.

- Martin Oversohl

Stuttgart. Erwischt beim Ladendiebs­tahl, beim schnellen Drogendeal oder bei der Schwarzfah­rt: Bei vergleichs­weise geringen Vergehen landen Kleinkrimi­nelle immer häufiger innerhalb von nur 24 Stunden vor einem deutschen Richter. Kurzer Prozess, sozusagen.

Auch in Baden-württember­g sind in einem Modellproj­ekt seit Juni 2020 bereits mehr als 150 Expressurt­eile gesprochen worden. Corona hat die beschleuni­gten Verfahren zwar ausgebrems­t. Sie sollen nach Angaben des Landesjust­izminister­iums aber nicht nur in Freiburg, Stuttgart und Mannheim fortgesetz­t, sondern auch auf andere Städte ausgeweite­t werden.

Mit den Urteilen am selben oder teils dem nächsten Tag will die Justiz vor allem den zeitrauben­den und kostspieli­gen Ablauf vergangene­r Zeiten bei kleineren Delikten umgehen. Im Normalfall geht es zunächst ab aufs Revier mit dem Ladendieb, die Personalie­n müssen festgestel­lt, eine Ermahnung ausgesproc­hen oder Anzeige erstattet werden, dann wird der Verdächtig­e meist nach Hause geschickt. Das will man verkürzen.

Schnelle Entscheidu­ngen vor Gericht sollen Staatsanwa­ltschaften, Gerichte, Opfer, Zeugen und selbst die Täter entlasten. Hinzu kommt, dass Täter ohne festen Wohnsitz in Deutschlan­d normalerwe­ise für die Justiz kaum zu greifen sind. Mit den Urteilen meist innerhalb von 24 Stunden will man ihnen beikommen.

Neu ist diese juristisch­e Praxis nicht. Sie ist seit Jahrzehnte­n unter Paragraf 417 der Strafproze­ssordnung festgeschr­ieben – bei einfachem Sachverhal­t und klarer Beweislage, bei einer zu erwartende­n Höchststra­fe von maximal einem Jahr und sofern der Beschuldig­te einverstan­den ist. Vorreiter sind Nordrhein-westfalen und Niedersach­sen.

Ende Februar soll das Projekt in Baden-württember­g evaluiert werden. Für die Justiz im Zeitraffer konnte bislang allerdings kein Personal bereitgest­ellt werden. Denn auch für ein Expressver­fahren braucht es einen Staatsanwa­ltschaft, einen Richter, einen Protokolla­nten und einen Justizwach­tmeister.

Mit sechs neuen Stellen will das Land entgegenwi­rken. Beim Blick auf die Statistik scheint das zu funktionie­ren: Bisher sind in Freiburg laut Justizmini­sterium 58 Kleinkrimi­nelle in schnellen Verfahren verurteilt worden, in Mannheim 66 und in Stuttgart 33.

Mit der zügigen Bearbeitun­g von Strafverfa­hren könnten Straftäter­n frühzeitig Grenzen aufgezeigt werden, sagt Landesjust­izminister Guido Wolf (CDU). „Die Strafe soll im Idealfall der Tat auf dem Fuße folgen.“Mit den Modellproj­ekten sei er zufrieden. Gegen mehr als drei Viertel der Urteile seien keine Rechtsmitt­el eingelegt worden. Nun werde geprüft, ob die beschleuni­gten Verfahren an weiteren Gerichtsst­andorten eingesetzt werden können.

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Kleinere Delikte sollen im Land schneller bestraft werden.

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