Heute erwischt, morgen bestraft
In Baden-württemberg sind in einem Modellprojekt seit Juni 2020 mehr als 150 Expressurteile gesprochen worden.
Stuttgart. Erwischt beim Ladendiebstahl, beim schnellen Drogendeal oder bei der Schwarzfahrt: Bei vergleichsweise geringen Vergehen landen Kleinkriminelle immer häufiger innerhalb von nur 24 Stunden vor einem deutschen Richter. Kurzer Prozess, sozusagen.
Auch in Baden-württemberg sind in einem Modellprojekt seit Juni 2020 bereits mehr als 150 Expressurteile gesprochen worden. Corona hat die beschleunigten Verfahren zwar ausgebremst. Sie sollen nach Angaben des Landesjustizministeriums aber nicht nur in Freiburg, Stuttgart und Mannheim fortgesetzt, sondern auch auf andere Städte ausgeweitet werden.
Mit den Urteilen am selben oder teils dem nächsten Tag will die Justiz vor allem den zeitraubenden und kostspieligen Ablauf vergangener Zeiten bei kleineren Delikten umgehen. Im Normalfall geht es zunächst ab aufs Revier mit dem Ladendieb, die Personalien müssen festgestellt, eine Ermahnung ausgesprochen oder Anzeige erstattet werden, dann wird der Verdächtige meist nach Hause geschickt. Das will man verkürzen.
Schnelle Entscheidungen vor Gericht sollen Staatsanwaltschaften, Gerichte, Opfer, Zeugen und selbst die Täter entlasten. Hinzu kommt, dass Täter ohne festen Wohnsitz in Deutschland normalerweise für die Justiz kaum zu greifen sind. Mit den Urteilen meist innerhalb von 24 Stunden will man ihnen beikommen.
Neu ist diese juristische Praxis nicht. Sie ist seit Jahrzehnten unter Paragraf 417 der Strafprozessordnung festgeschrieben – bei einfachem Sachverhalt und klarer Beweislage, bei einer zu erwartenden Höchststrafe von maximal einem Jahr und sofern der Beschuldigte einverstanden ist. Vorreiter sind Nordrhein-westfalen und Niedersachsen.
Ende Februar soll das Projekt in Baden-württemberg evaluiert werden. Für die Justiz im Zeitraffer konnte bislang allerdings kein Personal bereitgestellt werden. Denn auch für ein Expressverfahren braucht es einen Staatsanwaltschaft, einen Richter, einen Protokollanten und einen Justizwachtmeister.
Mit sechs neuen Stellen will das Land entgegenwirken. Beim Blick auf die Statistik scheint das zu funktionieren: Bisher sind in Freiburg laut Justizministerium 58 Kleinkriminelle in schnellen Verfahren verurteilt worden, in Mannheim 66 und in Stuttgart 33.
Mit der zügigen Bearbeitung von Strafverfahren könnten Straftätern frühzeitig Grenzen aufgezeigt werden, sagt Landesjustizminister Guido Wolf (CDU). „Die Strafe soll im Idealfall der Tat auf dem Fuße folgen.“Mit den Modellprojekten sei er zufrieden. Gegen mehr als drei Viertel der Urteile seien keine Rechtsmittel eingelegt worden. Nun werde geprüft, ob die beschleunigten Verfahren an weiteren Gerichtsstandorten eingesetzt werden können.