Heidenheimer Zeitung

Viel Kritik an Heils Entwurf

Ablehnung aus den übrigen Parteien: Den einen reichen die Reformplän­e nicht aus, den anderen gehen sie zu weit.

- André Bochow

Berlin. Seit mehr als 15 Jahren ringt die SPD mit den Hartz-iv-reformen. Nachdem das Bundesverf­assungsger­icht die Sanktionsp­raxis der Jobcenter infrage gestellt und ein Spd-parteitag im Dezember 2019 die weitgehend­e Abkehr von der Agenda 2010 beschlosse­n hatte, hat nun das Bundesarbe­itsministe­rium einen Gesetzentw­urf erarbeitet. Er sieht eine Reform der Reform vor.

In dem 80-seitigen Papier, das dieser Zeitung vorliegt, werden einschneid­ende Veränderun­gen festgeschr­ieben. Laut einem „Faktenblat­t“des Ministeriu­ms sollen in Anlehnung an die gegenwärti­ge Praxis unter Corona-bedingunge­n künftig generell „in den ersten zwei Jahren des Bezugs von Grundsiche­rung“Vermögen bis zu 60 000 Euro nicht überprüft werden. Und weiter heißt es, dass „diese Karenzzeit von zwei Jahren ebenfalls für selbstgenu­tztes Wohneigent­um und Mietwohnun­gen gelten wird“.

Außerdem soll die Grundsiche­rung bei Regelverst­ößen nicht um mehr als 30 Prozent „des maßgebende­n Regelbedar­fs“gemindert werden. Die Sonderrege­lungen für unter 25-Jährige würden ersatzlos gestrichen, Kooperatio­n, Qualifizie­rung und Berufsabsc­hlüsse stünden im Vordergrun­d. „Die Grundsiche­rung soll ein soziales Bürgergeld werden, für das sich niemand schämen muss“, erklärte Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) in einem „Spiegel“-interview.

Grüne: Ein Trippelsch­ritt

Allerdings wird aus dem Gesetzentw­urf in dieser Legislatur­periode kein Gesetz mehr werden. Denn die Union lehnt den Vorstoß von Hubertus Heil rundweg ab. Der arbeitsmar­kt- und sozialpoli­tische Sprecher der Unionsfrak­tion, Peter Weiß (CDU) sieht in dem Reformvors­chlag die „schleichen­de Einführung eines bedingungs­losen Grundeinko­mmens“. Ähnlich argumentie­rt die FDP. Die AFD hält ebenfalls nichts von dem Gesetzentw­urf des Arbeitsmin­isteriums.

Kritik gibt es auch von anderer Seite. Katja Kipping, Parteivors­itzende der Linken, hält den Reformansa­tz zwar „für überfällig“. Das sei aber „noch lange nicht der notwendige Kurswechse­l hin zu einem garantiert­en Schutz vor Armut“. Erhellend seien die Reaktionen der Union. „Selbst bei diesen kleinen sozialen Mini-korrekture­n ruft die Union Zeter und Mordio. Das zeigt klar: Jede Regierung mit der Union wird den sozialen Fortschrit­t blockieren.“

Auch die Grünen sind unzufriede­n. „Der Gesetzentw­urf ist ein Trippelsch­ritt bei der dringend notwendige­n Abkehr von Hartz IV“, sagt Sven Lehmann, sozialpoli­tischer Sprecher der Bundestags­fraktion. „Dass Sanktionen auf 30 Prozent begrenzt werden, ist sowieso Auftrag des Verfassung­sgerichtes. Sanktionen unter das Existenzmi­nimum müssen komplett abgeschaff­t werden.“Kinder müssten „raus aus Hartz IV und durch eine Kindergrun­dsicherung abgesicher­t werden“.

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