Heidenheimer Zeitung

„Wir sollten keinen Bruch vollziehen“

Die Politik unter Angela Merkel war so erfolgreic­h, dass es gilt, daran anzuknüpfe­n, sagt der Nrw-ministerpr­äsident und Bewerber um den Cdu-vorsitz. Ein Gespräch über die Probleme eines digitalen Parteitags, die Kanzlerfra­ge und Schularbei­ten am Küchentis

- Von Guido Bohsem und Ellen Hasenkamp

Kampf gegen die Pandemie, Kampf um den Cdu-vorsitz: Ministerpr­äsident Armin Laschet (59) ist gehörig unter Druck in diesen Tagen. Aber während des Interviews im Kaminzimme­r der Landesvert­retung NRW in Berlin ist ihm davon wenig anzumerken. Sogar sein geliebtes Handy lässt er fast die ganze Zeit in der Jacketttas­che. Das Feuer im Kamin bleibt übrigens aus.

Herr Laschet, freuen Sie sich auf den kommenden Samstag?

Ja. Das wird zwar ungewöhnli­ch, so einen digitalen Parteitag hat es noch nicht gegeben. Man hält eine Rede ins schwarze Nichts. Die Delegierte­n sitzen nicht im Saal, sondern in ihren Wohnzimmer­n. Dort diskutiert dann vielleicht die halbe Familie mit.

Wissen Sie schon, was Sie sagen werden?

Nicht im Wortlaut, aber für meine Grundidee einer modernen CDU im neuen Jahrzehnt werbe ich ja schon seit mehr als einem halben Jahr. Meine Botschaft ist, dass wir keinen Bruch mit bald 16 Jahren erfolgreic­her Regierungs­arbeit vollziehen sollten. Die Kanzlerin hat unser Land in dieser Zeit sicher und souverän durch schwere Krisen geführt. In Kontinuitä­t dieser Erfolge sollten wir die neuen Aufgaben nach der Pandemie anpacken.

Welche sind das?

Die Wirtschaft nach der Pandemie wieder in Schwung bringen, den Staatshaus­halt wieder ins Gleichgewi­cht bringen, Klimapolit­ik nach dem Ende der Kernenergi­e und dem Ausstieg aus der Kohle mit gleichzeit­iger Sicherung unseres Industriel­andes und seiner Wettbewerb­sfähigkeit. Und ich wünsche mir, dass wir in der Partei eine neue Diskussion­skultur beginnen.

Sowohl der Osten als auch der Südwesten gelten für Sie als eher schwierige­s Territoriu­m und als Hochburgen Ihres Wettbewerb­ers Friedrich Merz. Woran liegt das?

So pauschal sehe ich das nicht. Mich erreicht auch viel Zuspruch aus Badenwürtt­emberg, den Landesverb­änden im Osten und dem Rest der Republik. Ich werbe um die Stimme jedes einzelnen Delegierte­n.

Ist es bei so einem Parteitag wie bei einer Landtagswa­hl: Das Momentum am Schluss zählt?

Wahlen können noch am letzten Tag entschiede­n werden. Trotzdem ist das Ganze ein Marathon. Die zentralen Fragen sind trotzdem: Wer hat schon mal regiert in seinem Leben? Und: Wer hat schon mal eine Wahl gewonnen? Ich habe gezeigt, dass ich beides kann. Entscheide­nd ist doch, dass wir die Wähler der Mitte halten und ab September weiter gestalten können.

Die CDU fällt die Entscheidu­ng jetzt unter dem Eindruck der Pandemie. Bei der Bundestags­wahl im September sind aber womöglich schon wieder andere Themen und vielleicht eine andere Persönlich­keit gefragt?

Natürlich weiß niemand sicher, wann wir die Pandemie hinter uns gelassen haben. Mir ist es wichtig, dass vor Deutschlan­d jetzt ein Modernisie­rungsjahrz­ehnt liegt: Die Pandemie hat uns auch unsere Defizite gezeigt.

Könnte ein solcher Themenwand­el dafür sprechen, dass der CDU-CHEF dann nicht unbedingt der Kanzlerkan­didat ist?

Wieso?

Weil die Schwerpunk­te anders sind. Jetzt zählen Krisenmana­gement und Kontinuitä­t. Im Bundestags­wahlkampf vielleicht eher Wirtschaft­skompetenz, Dynamik, Aufbruch.

Ob Pandemiebe­kämpfung oder generell die Erneuerung unseres Landes: Regierungs­erfahrung ist gefragt. Mit der FDP arbeite ich seit über drei Jahren an einer neuen Dynamik für die Wirtschaft und den Mittelstan­d in unserem Land. Erste Erfolge sind spürbar.

Gut, dann fragen wir anders: Wolfgang Schäuble und Ralph Brinkhaus finden, dass Kanzlerkan­didat auch werden kann, wer nicht CDU- oder CSU-CHEF ist.

75 Jahre lang hatte die CDU die Tradition, dass entweder der Vorsitzend­e von CDU oder CSU auch Kanzlerkan­didat war. Das steht nicht im Grundgeset­z, war aber meistens ein Erfolgsrez­ept. Wir sollten uns nach dem 16. Januar erstmal auf die wichtigen Landtagswa­hlen in Badenwürtt­emberg und Rheinland-pfalz konzentrie­ren.

Die SPD hat vor Jahren mit einer späten Nominierun­g keine gute Erfahrung gemacht.

Sie hat auch keine guten Erfahrunge­n mit einer frühen Nominierun­g gemacht wie wir im Moment wieder sehen. Und die Grünen haben sich noch gar nicht geäußert. Wir haben eine erfolgreic­he Bundeskanz­lerin. Jeder neue Kandidat der Union muss neben und mit ihr über die eigenen Ideen für die Zukunft wirken. Das wird natürlich eine besondere Herausford­erung. Deswegen ist es gut, wenn zwischen beiden möglichst großes Einvernehm­en herrscht und der Zeitraum möglichst kurz ist.

Ärgert es Sie, dass es nun Berichte gibt, wonach Spahn doch hinter den Kulissen wegen einer Kanzlerkan­didatur sondiert?

Diese Berichte hat ja Jens Spahn selbst zurückgewi­esen. Unsere Aufstellun­g im Team ist klar.

Sie haben mindestens zwei Gemeinsamk­eiten mit Angela Merkel: Sie haben ein inniges Verhältnis zu Ihrem Mobiltelef­on …

Aber sie ist vielleicht noch handyaffin­er als ich.

… und Sie brauchen wenig Schlaf.

Fünf, sechs Stunden reichen mir schon immer. Ich arbeite abends noch spät, gestern war es zwei Uhr. Und heute früh ging es um sechs raus.

Die Kanzlerin hat sich ein Porträt von Katharina der Großen auf den Schreibtis­ch gestellt, Sie haben eine Skulptur von Karl dem Großen im Büro. Ist das ein Streben nach dem Großen?

Nein, dieser Karl der Große ist natürlich der Urvater Europas. Die Figur stammt aus einer großen Kunstaktio­n. Die Gemeinsamk­eit ist vielleicht eher, dass ich wie Angela Merkel sehr geschichts­interessie­rt bin.

Welche Lehre sollte Deutschlan­d ziehen aus dem Sturm auf das Us-kapitol?

Dort ist die Saat aufgegange­n, die lange gesät wurde. Wenn die Menschen ständig mit Unwahrheit­en aufgehetzt werden, werden sie irgendwann aggressiv – und fühlen sich dann auch im Recht. Hannah Arendt hat einmal gewarnt, dass dem bösen Wort die böse Tat folgt. Das zeigt umso klarer: Schon den populistis­chen Unwahrheit­en müssen wir mit Klarheit und Deutlichke­it widersprec­hen.

Viele ziehen eine Parallele zwischen dem Trumpismus und der AFD.

Ich nehme es sehr ernst, dass an den Demonstrat­ionszügen, aus denen heraus es den Versuch gegeben hat, das Reichstags­gebäude zu stürmen, Abgeordnet­e der AFD beteiligt waren. Sie haben Störer in den Bundestag geschmugge­lt. Man muss sich einmal vorstellen, dass Leute im Büro von Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble die Füße auf den Tisch legen, seine Post lesen und im Plenarsaal den Präsidente­nplatz besetzen. Das darf niemals passieren.

Wie wollen Sie umgehen mit der AFD als möglicher Cdu-vorsitzend­er?

Abgrenzen und widersprec­hen, hart bekämpfen. Alles was den Eindruck erweckt, wir sprechen deren Sprache oder übernehmen die Themen, macht sie noch stärker.

Bislang wurde immer differenzi­ert zwischen der AFD und ihren Wählern.

Man muss klar sagen, wer sich mit sowas einlässt, den müssen wir bekämpfen. Mit der Methode habe ich die AFD in NRW auf 6-7 Prozent gedrückt. Nur der klare Kurs hilft.

Kommen wir zu Corona: Sie wollten die Schulen im vergangene­n Frühjahr lange offen halten. Jetzt muss auch NRW zum zweiten Mal die Klassenzim­mer schließen.

Jeder Tag ohne echten Präsenzunt­erricht richtet Schäden an. Der Küchentisc­h in einer Zwei-zimmer-wohnung ist kein guter Lernort für Kinder. Aber angesichts der jetzigen Lage in der Pandemie und der Unklarheit über das mutierte Virus sowie der Inzidenz infolge der Weihnachts­tage müssen wir auf Vorsicht und Sicherheit setzen.

Die Schüler müssen zu Hause bleiben, aber die Arbeitnehm­er brechen jeden Morgen auf. Das empört viele.

Man muss doch noch eine Substanz haben, um das Wirtschaft­sleben zu erhalten. Man kann doch nicht auch noch pauschal Fabriken oder Büros schließen.

Es geht eher um eine Pflicht zum Homeoffice.

Eine Krankensch­wester kann nicht ins Homeoffice und ein Polizist auch nicht. Klar ist: Dort wo Homeoffice möglich ist, rufen wir alle Arbeitgebe­r auf, das zu ermögliche­n.

Wer zumacht, muss auch wieder aufmachen, haben Sie immer gesagt. Wie wird das diesmal sein?

Das ist die viel schwierige­re Phase. Wann beurteilen wir die Inzidenzen so, dass man wieder öffnen kann und mit was fangen wir an? Mir ist es wichtig, dass wir schnell den Kindern wieder Bildung vollumfäng­lich ermögliche­n. Sie sind unsere Zukunft.

Ist der dafür festgelegt­e Inzidenzwe­rt von 50 noch vernünftig?

Ich glaube, die Frage Lockdown oder Öffnung hängt nicht alleine an einer Zahl. Fest steht: Wenn man zu früh lockert, läuft man Gefahr, dass es danach wieder steil nach oben geht. Wir brauchen Geduld und Umsicht.

Wenn wir aufs Frühjahr hoffen, stellt sich die Frage: Halten wir einen Lockdown durch bis Mitte April?

Es fällt mir schwer, mir das vorzustell­en. Meine Hoffnung ist, dass wir durch den Lockdown und die fortschrei­tenden Impfungen die Lage entspannen können. Aber wenn sich das in Großbritan­nien entdeckte, mutierte Virus weiter ausbreitet, werden die Zeiten noch ernster.

Kann ein Corona-management auch im Wahlkampf funktionie­ren?

Einen Bundestags­wahlkampf über ernste Fragen wie die Bekämpfung der Pandemie parteitakt­isch und polemisch zu führen, würde bei der Bevölkerun­g viel Vertrauen in die Maßnahmen zerstören.

Wie bewerten Sie die Kritik aus europäisch­er Sicht?

Dass die SPD anti-europäisch­e Töne anschlug, hat mich überrascht. „Mein-landfirst“ist in den USA gerade abgewählt worden. Inzwischen sprechen wir wieder sachlicher über europäisch­e Impfstrate­gien.

Ich wünsche mir, dass wir in der Partei eine neue Diskussion­skultur beginnen.

Man muss klar sagen: Wer sich mit der AFD einlässt, den müssen wir bekämpfen.

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Fotos: Thomas Imo/ photothek.net „Wenn die Menschen ständig mit Unwahrheit­en aufgehetzt werden, werden sie irgendwann aggressiv – und fühlen sich dann auch im Recht“, sagt Armin Laschet über den Sturm auf das Us-kapitol.
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Die Redakteure Ellen Hasenkamp und Guido Bohsem mit Armin Laschet.

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