Deutschland weit hinten
Der Standort verliert unter den Industriestaaten immer mehr an Attraktivität. Größten Handlungsbedarf gibt es bei den Steuern.
So umstritten Donald Trump als Präsident ist – er hat die USA für größere Familienunternehmen zum attraktivsten Standort unter den Industrieländern gemacht. Dagegen fällt Deutschland immer weiter zurück: Es belegt nur noch Platz 17 unter den 21 Nationen, die das Leibnitz-zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim alle zwei Jahre im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen unter die Lupe nimmt. Die noch unveröffentlichte neue Studie liegt unserer Zeitung vor.
Seit dem ersten Länderindex, den das ZAW für 2006 vorgelegt hatte, ist Deutschland um fünf Plätze zurückgefallen, so stark wie kein anderer Industriestaat. Größter Gewinner waren die Niederlande, die sieben Ränge gutmachten und jetzt Platz 3 belegen. Daneben entwickelten sich Polen und Tschechien besonders gut – und die USA, die vier Plätze gut machen konnten und jetzt Spitzenreiter sind. Danach folgt Großbritannien, das allerdings durch den Brexit seinen Spitzenplatz im Jahr 2018 einbüßte.
Insbesondere bei den Punkten Finanzierung sowie Infrastruktur diagnostizieren die Wissenschaftler deutliche Verschlechterungen auf der Insel. Für ihr Urteil nutzten sie objektive Zahlen aus sechs Bereichen. Dabei betrachteten sie Familienunternehmen mit mindestens 100 Millionen Euro Jahresumsatz, für die – anders als für kleinere – die Standortverlagerung in ein anderes Land eine realistische Möglichkeit ist.
Steuern Hier rächt sich die Untätigkeit der deutschen Politik am stärksten: Die Bundesrepublik ist auf den vorletzten Platz zurückgefallen; nur Japan steht noch schlechter da. Während viele Länder, allen voran die USA und Frankreich, die Unternehmenssteuern deutlich gesenkt haben, tat sich hierzulande nichts. Kurzfristig fordern die Wissenschaftler eine Ausweitung der steuerlichen Verlustverrechnung, um die Folgen der Corona-pandemie abzufedern. Langfristig müssten der Körperschaftsteuersatz gesenkt und Steuerschlupflöcher gestopft werden.
Finanzierung Das ist der größte Aktivposten des Standorts Deutschland, hier belegt es unter den 21 untersuchten Ländern den Spitzenplatz. Denn sowohl die Verschuldung des Staates also auch der privaten Haushalte sind gering. Gerade die Familienunternehmen hatten vor der Corona-krise oft viel Eigenkapital.
Arbeitskosten, Produktivität, Humankapital
Positiv entwickelten sich die Arbeitskosten sowie die Qualifikation der Schüler laut Pisa-studie, negativ dagegen die
Bildungsausgaben sowie das Bildungsniveau der Erwerbstätigen.
Regulierung Im langjährigen Vergleich hat sich Deutschland zwar verbessert. Aber es liegt immer noch einiges im Argen. Am besten stehen hier die USA da, am schlechtesten Italien, das auch beim gesamten Länderindex den letzten Platz belegt.
Energie Die Energiepreise sind hierzulande im internationalen Vergleich immer noch sehr hoch. Dagegen gab es Verbesserungen beim Erreichen klimapolitischer Ziele, was die Energiepolitik besser berechenbar machte.
Infrastruktur Weiter verschlechtert haben sich die deutsche Verkehrsund die Digital-infrastruktur. Gegenüber Wettbewerbern in West- und Nordeuropa sowie in Nordamerika und Japan ist Deutschland deutlich abgeschlagen. Negativ entwickelte sich zudem die Rechtssicherheit.
Schlussfolgerungen „In den vergangenen Jahren haben wir uns sehr stark auf die Verteilung des Wohlstands konzentriert“, kritisiert Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Deutschland müsse im Steuerwettbewerb wieder Anschluss gewinnen, Energiekosten reduzieren und in die unzureichende Infrastruktur investieren.